Rubrik: Motive und Situationen

Unterwasser-Fotografie – Teil 1 Einführung und Grundlagen

2008-07-14 Früher galten Unterwasser-Fotografen als seltene Spezies: Nur wenige Taucher wagten sich mit meist unförmigen Gehäusen in die Tiefe. Wer sich als Anfänger an der komplexen Materie versuchte, fand unter 36 Aufnahmen (eines Kleinbildfilms) zwei bis drei Brauchbare vor – und ließ oft frustriert vom neuen Hobby wieder ab. Digitalkameras haben die Unterwasser-Fotografie demokratisiert. Heute springen die meisten Urlaubstaucher mit einer handlichen Kompaktkamera ins Wasser. Speicher mit Gigabyte-Kapazität erlauben unbegrenztes Experimentieren und ermöglichen schnelles Lernen: Die Ergebnisse sind sofort überprüfbar und können schnell optimiert werden. Denn zu lernen gibt es unter Wasser nach wie vor einiges; die physikalischen Regeln gelten wie eh und je. In der heute beginnenden digitalkamera.de-Serie mit Fototipps zur Unterwasser-Fotografie bieten wir etwas Lernstoff für Einsteiger und Fortgeschrittene.  (Christian Fischer)

Mobula-Rochen bei Palau, Südsee, knapp unter der Wasser-Oberfläche mit Tageslicht fotografiert [Foto: scuba photo factory] Die auffälligste Regel sieht jeder Neueinsteiger beim Betrachten seiner ersten Versuche: Das Farb-Spektrum ist deutlich in Richtung Blau verschoben. Das Wasser filtert die Rot-Anteile aus dem Licht, und zwar mit zunehmender Tiefe stärker. Nach wie vor ist deshalb der erhellende Blitz das beliebteste Zubehör für Unterwasser-Fotografen. Alternativ galt im analogen Zeitalter ein Rotfilter als Mittel der Wahl, den mittlerweile die Nachbearbeitung am Computer abgelöst hat.

Ein anderes physikalisches Phänomen ist im Nachgang nicht so einfach zu korrigieren, sondern beeinflusst Ausrüstungswahl und Bildaufbau: die Brechung des Lichts beim Übergang von einem Medium zum anderen. In der Tauchmaske oder im Kameragehäuse befindet sich Luft, dahinter Wasser. Für den Taucher ergibt sich so eine optische Vergrößerung der Umgebung um etwa 30 Prozent, für Kamera-Objektive bedeutet das eine deutliche Brennweiten-Verlängerung. Deshalb sind die Profis unter den Unterwasser-Fotografen oft mit Weitwinkel-Optiken unterwegs. Fischschwärme, Korallengärten und Wracks lassen sich überdies so am eindrucksvollsten darstellen.

Muräne, aus nächster Nähe im Roten Meer aufgenommen, mit digital verstärktem Zoom-Effekt, Sony Cyber-shot F 717 in einem Amphibico-Gehäuse [Foto: scuba photo factory] Hier ergibt sich auch gleich der größte Nachteil der nahe liegenden Idee, eine vorhandene Kompaktkamera mit einem Unterwasser-Gehäuse auszustatten: Obwohl oft mit eindrucksvollen Zoom-Werten gesegnet, mangelt es den meisten Modellen an kurzen Brennweiten. 35 oder 38 Millimeter (bezogen auf KB-Format) gelten als Standardwert am unteren Zoom-Ende, 28 Millimeter wären eigentlich empfehlenswert. Auch die Auslöseverzögerung ist unter Wasser besonders nervig, da hier "alles im Fluss" ist (inklusive des Fotografen), und sich Bildausschnitte in Sekundenbruchteilen verändern können.

Trotzdem gilt die Kompaktkamera im Gehäuse den meisten Urlaubstauchern als beste Lösung. Außer den niedrigeren Anschaffungskosten verbucht sie noch weitere Plus-Punkte. Schon der kleine Sensor hat neben dem Nachteil des höheren Rauschens durchaus auch handfeste Vorteile: eine größere Schärfentiefe und die Möglichkeit, kleine Objekten auch ohne spezielle Makro-Optik mit wenigen Zentimetern Abstand anzupeilen und aufzunehmen. Darüber hinaus sind die meisten Kompaktkameras auch mit Gehäuse sehr handlich und einfach zu bedienen. Das kann gerade unter Wasser ein bedeutender Vorteil gegenüber größeren (D)SLR-Kameras sein: Wer mit der Kamera in der Hand durch enge Höhlen schwimmen oder in starker Strömung manövrieren und noch fotografieren kann, erwischt möglicherweise aufregendere Motive – und sieht sie auch deutlich im Display. Denn fast sämtliche kompakten Digitalkameras verfügen über einen Live-View-Monitor. Dieser ist, vor allem bei erschwerten Bedingungen (Strömung, Kopfunter-Einsatz, Hai-Attacke...), wesentlich besser einsehbar als optische Sucher.

Languste in ihrer Höhle, Philippinen, mit Xenon-Lampe beleuchtet, Sony Cyber-shot F 717 in einem Amphibico-Gehäuse [Foto: scuba photo factory] Bei DSLR-Kameras setzt sich der Live-View-Monitor eher zögernd durch. Auch arbeiten die meisten Systeme langsam, da sie vor der Fokussierung erst den Spiegel hochklappen. Der Vorteil der eigentlich kurzen Auslöse-Verzögerung wird so egalisiert. Trotz ihrer Größe und des höheren Preises bleibt die Spiegelreflex-Kamera für ambitionierten Amateure und Profis das Werkzeug der Wahl. Ob Fisheye oder Weitwinkel-Zoom, lichtstarkes Makro oder leichtes Tele – die Wechselobjektiv-Fassung erfüllt jeden Wunsch. Allerdings sollte die Entscheidung vor dem Tauchgang fallen. Makro drauf, und plötzlich ist man mitten drin im Hammerhai-Schwarm: Das ist typisches Taucherschicksal. Die größeren Sensoren einer DSLR bedeuten höheren Kontrastumfang sowie weniger Rauschen, auch bei schwierigen Lichtverhältnissen und entsprechend höheren ISO-Werten. Damit öffnen moderne digitale SLR dem Unterwasser-Fotografen ein bislang vernachlässigtes Feld: die Available Light Fotografie, die stimmungsvollere, natürlichere Fotos schaffen kann als die UW-Fotografie per Blitz.

Rotfeuerfisch in einer Koralle, Rotes Meer, Beleuchtung mit Xenon-Lampe [Foto: scuba photo factory] Darüber hinaus gewähren gerade Vollformat-Sensoren mehr Pixeln Platz. Während Fotografen die immer neuen Rekordzahlen durchaus kontrovers diskutieren, ist das bei diesem Spezialgebiet eine klare Sache: Megamäßig viele Pixel sind von Vorteil! Jedenfalls, solange sie nicht mit höherem Rauschen erkauft werden. Unterwasser-Fotografie läuft oft nach dem Schema "Point and Shoot", und erst der Ausschnitt bei der Nachbearbeitung macht aus dem Foto ein Bild. Darüber hinaus bieten digitale Spiegelreflex-Kameras schnellere Bildfolgen, etwa für Belichtungsreihen, sowie die Option, im RAW-Format aufzunehmen. Das alles erweitert die Optionen, das Bild später zu optimieren – was bei Unterwasserfotos in der Regel wichtiger ist als bei üblichen Aufnahmen – und dank Digitaltechnik deutlich einfacher geworden ist.

Die wichtigste Grundregel jedoch hat der High-Tech-Fotograf ebenso zu befolgen wie sein Vorgänger mit Analog-Kamera: Der Natur, die er ablichtet, schuldet er Vorsicht und Respekt. Er muss perfekt seine Balance tarieren, und die Landschaft sei ihm weder Stativ noch Stütze – kein noch so spektakuläres Bild ist eine zerstörte Koralle wert.

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