Rubrik: Grundlagenwissen
Vor- und Nachteile der verschiedenen Autofokus-Systeme
2016-10-02 Vor knapp 40 Jahren war der Autofokus noch eine komplette Neuheit, heutzutage ist er gar nicht mehr wegzudenken, auch wenn es sogar jetzt noch Objektive ohne Autofokus gibt. Inzwischen sind die Systeme so schnell geworden, dass sie einer manuellen Fokussierung in der Regel haushoch überlegen sind. Dabei kämpfen unterschiedliche Kamera- und Autofokussysteme um die Vorherrschaft und haben verschiedene Vor- und Nachteile, die wir in diesem Fototipp näher beleuchten. (Benjamin Kirchheim)
In Digitalkameras kommen heute ausschließlich passive Autofokussysteme zum Einsatz, die zur Messung auf das vom Motiv reflektierte natürliche Licht angewiesen sind. In dem Moment, wo die Kamera ein Hilfslicht aussendet, wird das Autofokussystem damit aber rein technisch gesehen zum aktiven Autofokus, der auf kein natürliches Licht mehr angewiesen ist. "Echte" aktive Autofokussysteme arbeiten aber beispielsweise mit einer Ultraschall-Entfernungsmessung.
Das Autofokusmodul, hier das Multicam3500FX der Nikon D3x und D4S, sitzt bei einer DSLR unten im Gehäuse. [Foto: Nikon]
Nikon D5 und D500 Autofokus-Sensormodul Multi-CAM 20K mit TTL-Phasenerkennung, 153 Fokusmessfeldern einschließlich 99 Kreuzsensoren und 15 Sensoren, die eine Lichtstärke von 1:8 unterstützen. [Foto: Nikon]
Die Autofokusmessfelder der Vollformat-DSLR Nikon D5 decken nur den mittleren Bildbereich ab. Dasselbe Modul in einer APS-C-DSLR verbaut reicht wesentlich weiter an den Bildrand. [Foto: Nikon]
Der Phasen-Autofokus ist die ältere zum Einsatz kommende passive Autofokusmethode. Klassisch kommt sie bei DSLRs sowie dem SLT-System von Sony zum Einsatz. Dabei sitzt der Fokusssensor unten (bei DSLRs) oder oben (bei SLT) im Gehäuse und verwendet einen Teil des Lichts, der aus dem Strahlengang ausgekoppelt wird. Hierbei entsteht die erste Einschränkung: Der Autofokus "sieht" quasi nicht die Offenblende, sondern das Strahlenbündel entspricht meistens F5,6 oder manchmal, bei spezieller Entwicklung im mittleren Autofokussensorbereich, F2,8. Gerade wenn lichtstarke Objektive bei Offenblende exakt fokussieren sollen, führt dies natürlich zu einer potentiellen Fehlerquelle. Eine andere Fehlerquelle besteht darin, dass der AF-Sensor optisch gesehen möglicherweise nicht auf derselben Ebene wie der Bildsensor liegt, beispielsweise weil er nicht genau genug kalibriert wurde oder aber mechanische Schäden beispielsweise durch einen Sturz die Kalibrierung verstellt haben, was von außen nicht zu sehen ist.
Da das Lichtbündel für den Phasen-AF-Sensor nur einen Teil des Lichts auskoppelt, führen aber auch lichtschwache Objektive oder Kombinationen aus Objektiven und Telekonvertern oder Zwischenringen zu Problemen. In der Regel sollten die Objektive daher mindestens F5,6 (oder zumindest F6,3) lichtstark sein. Neueste Sensoren bei einigen Herstellern unterstützen nun aber auch noch die Fokussierung bei F8, teilweise jedoch nur mit den mittleren Autofokussensoren. Apropos Autofokussensoren: Diese liegen meistens in einem begrenzten Bildbereich und reichen damit nicht bis an den Bildrand, insbesondere bei Vollformatkameras; APS-C-Modelle sind hier im Vorteil. Auch die Anzahl der Autofokuspunkte ist sehr unterschiedlich.
Grundsätzlich arbeitet der Phasen-Autofokus wie ein Schnittbild-Indikator auf den Mattscheiben früherer Manuellfokus-DSLRs. Dabei wird ein Bild in zwei Hälften gesplittet. Verläuft eine Linie durch diesen Schnitt, so wird sie in zwei Hälfen gegeneinander nach oben oder unten verschoben, wenn sie unscharf ist und wird nur dann als durchgehende Linie wahrgenommen, wenn sie sich in der Fokusebene befindet. Damit kann diese Messung mit vergleichsweise wenig Rechenaufwand nicht nur die Fokusrichtung, sondern auch die Entfernung des Verstellweges voraussagen, weshalb der Fokus extrem schnell eingestellt werden kann. Bei den einfachen Phasen-AF-Sensoren spricht man daher von so genannten Linien-Sensoren, denn sie sind je nach Ausrichtung entweder auf horizontal oder auf vertikal verlaufende Linien empfindlich. Die besseren Autofokussensoren sind die Kreuzsensoren, die sowohl auf horizontal als auch auf vertikal verlaufende Strukturen reagieren und damit zuverlässiger arbeiten.
Bei einer herkömmlichen DSLR (hier die Panasonic Lumix DMC-L10) lenkt der Hauptspiegel das Licht in den Sucher und zum Belichtungsmesssensor, während ein Hilfsspiegel einen Teil des Lichts auf den unten liegenden AF-Sensor lenkt. [Foto: Panasonic]
Bei einer spiegellosen Systemkamera, hier schematisch die Panasonic Lumix DMC-G1, übernimmt der Bildsensor auch die Messungen für den Autofokus und die Belichtung. [Foto: Panasonic]
Bei einer Systemkamera mit teildurchlässigem Spiegel, hier der Sony Alpha SLT-A65V, übernimmt zwar der Bildsensor die Messung der Belichtung, für den Autofokus steht aber wie bei einer DSLR ein leistungsfähiger Phasen-AF-Sensor zur Verfügung. [Foto: Sony]
Der Kontrast-Autofokus kam mit der Live-Vorschau bei Digitalkameras auf. Hier macht die Kamera im Prinzip eine Versuchsreihe, indem eine Messung stattfindet, der Fokus etwas verstellt wird, eine neue Messung stattfindet und so weiter. Der Punkt mit der höchsten Schärfe hat gleichzeitig auch den höchsten Kontrast, weil scharfe Konturen stärkere Hell-Dunkel-Übergänge, also mehr Kontrast, besitzen. Der Kontrast-Autofokus weiß nicht, in welche Richtung und wie weit der Fokus verstellt werden muss, bis er den Punkt wirklich getroffen hat. Dieses Trial-and-Error-Verfahren (Versuch und Fehlversuch) kostet Zeit und braucht nebenbei auch noch viel Rechenleistung. Anfangs war der Kontrast-AF daher sehr langsam. Mit modernen Kameras, insbesondere dem Wechsel von CCD- auf CMOS-Sensoren, konnten die Messungen beschleunigt werden auf aktuell bis zu 240 Messbilder pro Sekunde. Auch die Objektive müssen den Kontrast-AF mit speziellen Schrittmotoren unterstützen, um hohe Geschwindigkeiten zu erreichen. Da der Kontrast-AF nie weiß, in welche Richtung er verstellen muss, ist er beim Verfolgen von Motiven langsamer und pumpt bei Videoaufnahmen. Beim Einzel-Autofokus hingegen ist der Kontrast-AF durch die modernen Sensoren, Prozessoren und Autofokusmotoren präziser und inzwischen bei einzelnen Kameras sogar schneller als der Phasen-Autofokus, zumal durch die Messung direkt auf dem Sensor einige Fehlerquellen ausgeschaltet werden konnten. Zudem steht die gesamte Bildfläche für den Autofokus zur Verfügung und nicht nur ein mittiger Ausschnitt. Insbesondere DSLRs kämpfen im Live-View-Modus aber oft noch mit einem langsamen Kontrast-AF, was nicht zuletzt an den auf den Phasen-AF optimierten Fokusmotoren in den Objektiven liegt. Hier halten inzwischen aber auch bei Objektiven moderne Technologien Einzug, etwa dem STM bei Canon oder AF-P bei Nikon.
Um den Kontrast-Autofokus zu beschleunigen oder den Phasen-Autofokus präziser zu machen, setzen die Hersteller auf verschiedene Hybrid-AF-Technologien. Sony, Nikon, Fujifilm und Olympus etwa verwenden bei einigen Modellen Phasen-AF-Sensoren, die direkt auf dem Bildsensor integriert sind. Sie ermöglichen damit eine Messung der Stellrichtung, was den Autofokus deutlich beschleunigt und das Pumpen etwa bei Videoaufnahmen sichtbar mindert. Für die Feinjustierung ist aber weiterhin der präzisere Kontrast-Autofokus zuständig. Die Phasen-AF-Sensoren sind jedoch nicht so lichtempfindlich wie etwa der Kontrast-Autofokus, auch wenn hier eine stetige Verbesserung stattfindet. Des Weiteren ist die Messung auf die speziellen Phasen-AF-Sensoren beschränkt, die zudem den Photodioden noch Platz wegnehmen, wodurch einige Pixel für die aufzunehmenden Fotos interpoliert werden müssen. Das fällt bei relativ wenigen Pixeln im Vergleich zu den vielen Millionen Pixeln Auflösung zum Glück wenig ins Gewicht. Ein weiterer Nachteil der auf dem CMOS integrierten Phasen-AF-Sensoren ist die Tatsache, dass es sich um einfache Liniensensoren handelt.
Olympus integriert bei der OM-D E-M1 Mark II erstmals Kreuz-Phasen-AF-Sensoren direkt auf dem Bildsensor. Es sind stolze 121 Stück, die einen großen Teil der Fläche abdecken. Damit sollen bis zu 18 Serienbilder pro Sekunde mit AF-C möglich sein. [Foto: Olympus]
Olympus integriert in der neuen OM-D E-M1 Mark II erstmals Kreuz-Phasen-AF-Sensoren direkt auf dem CMOS-Sensor. Stolze 121 Stück sind es, die einen großen Bildbereich abdecken. Die Kreuzsensoren bieten eine bessere Messung als die einfachen Liniensensoren. Damit kann die Olympus bei bis zu 18 Serienbildern pro Sekunde den Autofokus nachführen. Das ist so schnell, dass dies nur noch mit elektronischem Verschluss gelingt, der mechanische Verschluss reduziert die Serienbildrate mit AF-C auf zehn Bilder pro Sekunde.
Canon geht mit seinem Dual-Pixel-CMOS-AF einen etwas anderen Weg. Jeder Pixel besteht aus zwei Fototdioden, die zur Bilderzeugung zusammengeschaltet werden. Zur Fokusmessung hingegen arbeiten die Teilpixel unabhängig voneinander und so können auf etwa 80 Prozent der Sensorfläche unzählige Phasen-AF-Messungen vorgenommen werden, ohne dafür Fotopixel opfern zu müssen. Dabei kommen senkrechte wie waagerechte Dual-Pixel zum Einsatz, um auf horizontale und vertikale Strukturen reagieren zu können. Wie genau das System funktioniert, erklärt Canon auf seiner Website inklusive einem anschaulichen Video (siehe weiterführende Links).
Die DFD-Technologie von Panasonic erweitert den Kontrast-AF um die Eigenschaften eine Phasen-AF, benötigt dazu jedoch die optische Charakteristik des jeweiligen Objektivs, weshalb die Technik nur mit Panasonic-Lumix-Objektiven funktioniert. [Foto: Panasonic]
Eine ebenfalls sehr innovative Technologie hat Panasonic mit dem DFD-AF entwickelt. Dieser berechnet anhand zweier leicht unterschiedlich fokussierter Bilder mit Hilfe hoher Rechenleistung und der Objektivcharakteristik, weshalb das nur mit Panasonic-Objektiven funktioniert, wie weit und in welche Richtung der Fokus verschoben werden muss (siehe Bild). Für die Feinjustage kommt, wie bei den anderen Hybridsystemen mit Phasen-Autofokus, der Kontrastautofokus zum Einsatz. Damit ahmt die DFD-Technologie quasi den Phasen-Autofokus nach, wodurch Panasonic die AF-C-Bildrate mit dem Kontrast-AF nach eigenen Angaben verdoppeln konnte. Die Panasonic-Technologie erklärt ein Video genauer, das über die weiterführenden Links zu erreichen ist.
Eine doppelte Hybridtechnologie setzt übrigens Sony inzwischen in seinen SLT-Modellen ein. Dank des feststehenden Spiegels kann der Phasen-Autofokus dauerhaft mit einem Signal versorgt werden. Unterstützt wird dieser Phasen-Autofokus vom Bildsensor, der zur Livebilderzeugung ebenfalls unter "Dauerfeuer" steht. Der Bildsensor wiederum besitzt ebenfalls Phasen-AF-Sensoren, die die Lücken der Haupt-Phasen-AF-Sensoren schließen, insbesondere Richtung Bildrand. Die Kontrastmessung wiederum sorgt für die nötige Präzision und unterstützt die beiden Phasen-AF-Methoden.
Gerade bei der Sportfotografie, hier mit der Nikon D500 und AF-S 300 mm VR - Serienbildmodus Continuous High, ist ein Phasen-Autofokus im Vorteil, weil er schneller und richtungsbezogen auf Motivänderungen reagieren kann. [Foto: Jens Scheppler]
Sportfotografie mit der Nikon D500 und AF-S 300 mm VR - Serienbildmodus Continuous High, Bild 2. [Foto: Jens Scheppler]
Sportfotografie mit der Nikon D500 und AF-S 300 mm VR - Serienbildmodus Continuous High, Bild 3. [Foto: Jens Scheppler]
Sportfotografie mit der Nikon D500 und AF-S 300 mm VR - Serienbildmodus Continuous High, Bild 4. [Foto: Jens Scheppler]
Sportfotografie mit der Nikon D500 und AF-S 300 mm VR - Serienbildmodus Continuous High, Bild 5. [Foto: Jens Scheppler]
Selbst das letzte Sportfoto mit der Nikon D500 und AF-S 300 mm VR im Serienbildmodus Continuous High ist scharf. [Foto: Jens Scheppler]
Im Zusammenhang mit dem AF-C taucht oft der Begriff "prädiktiver Autofokus" auf. Dabei handelt es sich um nichts anderes als die Vorhersage der Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit des Motivs, damit der Autofokus diesem bei Serienbildern sozusagen nicht hinterherhechelt, sondern wirklich punktgenau sitzt. Im Prinzip verwenden alle Hersteller unabhängig der Fokusmessmethode mehr oder weniger gute Systeme dieser Art, wobei die Phasen-AF-Systeme hierbei natürlich im Vorteil sind.