Rubrik: Grundlagenwissen
Vor- und Nachteile von elektronischem, Schlitz- und Zentralverschluss
2016-10-17 Der Verschluss regelt die Belichtungszeit bei einem Foto und ist damit essentieller Bestandteil einer Kamera. Es gibt drei Arten von Verschlüssen, die in Digitalkameras zum Einsatz kommen. Alle arbeiten unterschiedlich und haben verschiedene Vor- und Nachteile. Zudem gibt es Kombinationen von diesen Verschlussarten, wodurch einige Nachteile gemindert werden können. In diesem Fototipp schauen wir uns die verschiedenen Techniken näher an. (Benjamin Kirchheim)
In der Leica M8 arbeitet wie bei den allermeisten Systemkameras ein Schlitzverschluss. [Foto: Leica Camera AG]
Ganz klassisch ist der mechanische Schlitzverschluss, der bis auf wenige Ausnahmen bei Wechselobjektivkameras Standard ist, jedoch bei Kompaktkameras (also jenen mit festem Objektiv) nicht zum Einsatz kommt. Der mechanische Verschluss arbeitet mit zwei Lamellenvorhängen. Der erste öffnet die Belichtung für den Sensor, der zweite schließt sie wieder. Bei kurzen Belichtungszeiten laufen die beiden Vorhänge so schnell hintereinander ab, dass nur noch ein schlitzartiger Ausschnitt des Sensors dem Licht ausgesetzt ist. Die schnellste Belichtungszeit, bei der noch der gesamte Sensor dem Licht ausgesetzt ist, ist die Blitzsynchronzeit. Wird diese unterschritten, würde ein Blitz nicht mehr die gesamte Sensorfläche belichten. Diese Zeit liegt je nach Modell meist zwischen 1/160 bis 1/250 Sekunde. Mehr zum Thema Blitzsynchronzeit ist in dem Fototipp in den weiterführenden Links zu finden.
Die Bewegung erfolgt beim Schlitzverschluss entweder durch Federspannung oder aber neuerdings elektromagnetisch gesteuert. Da sich mechanische Bauteile bewegen, kann es zu Mikro-Erschütterungen kommen, was insbesondere bei leichten Kameras kombiniert mit leichten Objektiven zu minimalen Unschärfen auf Pixelebene führen kann. Als Gegenmaßnahme bieten einige Kameramodelle einen „elektronischen ersten Verschlussvorhang“ an, bei dem der Sensor elektronisch „totgeschaltet“ wird, um das Abdunkeln durch den mechanischen Verschluss zu ersparen oder die eigentliche Belichtung hinauszuzögern. Des Weiteren verursacht der Verschluss ein Geräusch, was nicht immer erwünscht ist. Die neue elektromagnetische Steuerung, die erstmals in der Panasonic Lumix DMC-GX80 zum Einsatz kommt, reduziert sowohl die Geräusche als auch die mechanische Erschütterung erheblich. Zudem ist der Aufbau einfacher und kompakter. Einen anderen Weg geht Olympus bei der neuen OM-D E-M1 Mark II, die einen mechanisch vom Gehäuse entkoppelten Schlitzverschluss besitzt, was die Übertragung von Vibrationen minimieren soll. Der mechanische Verschluss bietet meist eine kürzeste Verschlusszeit von 1/4.000 bis 1/8.000 Sekunde je nach Kameramodell.
Ebenfalls schon sehr alt ist der Zentralverschluss, der ebenfalls mechanisch arbeitet, aber im Objektiv sitzt. Ähnlich einer Blende wird der Lichteinfall im Objektiv gestoppt beziehungsweise freigegeben. Da ein solcher Mechanismus den Objektivpreis insbesondere bei großen Objektiven aufgrund des mechanischen Aufwands erhöht, kommt er bei Systemkameras nur bei teuren Mittelformatkameras zum Einsatz. Bei Kompaktkameras mit festem Objektiv ist dieser Verschluss hingegen quasi Standard. Er arbeitet sehr leise sowie vibrationsfrei und erlaubt über den kompletten Belichtungszeitenbereich eine Blitzsynchronisation. Der Zentralverschluss bietet eine kürzeste Belichtungszeit von 1/4.000 Sekunde, manchmal aber auch nur 1/2.000 oder 1/1.000 Sekunde. Bei Kompaktkameras mit größeren und lichtstärkeren Objektiven hängt die kürzeste Verschlusszeit oft von der Blendeneinstellung ab, sodass bei offener Blende die kürzesten Belichtungszeiten nicht zur Verfügung stehen, was vor allem die kreative Arbeit mit geöffneter Blende in hellen Umgebungen behindert. Der Grund dafür liegt in der Arbeitsweise: Ein Zentralverschluss in höherwertigen Kameras (beziehungsweise vor allem in solchen mit lichtstärkerem Objektiv) arbeitet wie eine Irisblende mit Lamellen, während bei billigen Kompaktkameras mit kleinem Sensor zumeist ein sogenannter Guillotinenverschluss zum Einsatz kommt, der in den Strahlengang eingeschwenkt wird.
Während der neue elektromagnetisch gesteuerte Verschluss der Panasonic Lumix DMC-GX80 (links) sehr leise und vibrationsarm arbeitet, kommt beim Verschluss der GX8 noch die alte Mechanik mit starken Spannfedern und elektrischer Steuerung zum Einsatz. [Foto: MediaNord]
Mit den digitalen Sensoren kam der elektronische Verschluss auf, der die Belichtung des Sensors rein elektronisch regelt und anfangs nur bei Videoaufnahmen sowie beim Live-View zum Einsatz kam. Im Gegensatz zum CCD-Sensor, der einen „Global Shutter“ bietet, arbeiten CMOS-Sensoren zumeist mit einer zeilenweisen Belichtung. Das heißt, in schneller Folge wird der Sensor Zeile für Zeile belichtet und direkt ausgelesen. Das erlaubt höhere Auslesegeschwindigkeiten und Bildfolgen bei gleichzeitig hoher Auflösung, was vor allem für Videoaufnahmen und das Livebild wichtig ist. Deshalb bieten Digitalkameras mit CCD-Sensoren oft nur maximal HD-Videoauflösung (1.280 x 720 Pixel), wohingegen CMOS-Sensoren problemlos Full-HD oder 4K mit 2,1 bzw. 8,3 Megapixeln bei 30 und mehr Bildern pro Sekunde liefern können. Zudem lassen sich elektronisch sehr kurze Belichtungszeiten von zumeist 1/16.000 Sekunde und vereinzelt sogar 1/32.000 Sekunde realisieren. CCD-Sensoren kommen daher heute nicht nur aufgrund der inzwischen besseren Bildqualität der CMOS-Sensoren nur noch sehr selten zum Einsatz.
Weitere klare Vorteile des elektronischen Verschlusses sind die Erschütterungsfreiheit sowie die Geräuschlosigkeit. Doch der elektronische Verschluss sorgt auch für Nachteile. Durch das zeilenweise Auslesen gibt es ähnlich wie bei einem Schlitzverschluss Probleme beim Blitzen, da der Lichtimpuls eines Blitzgeräts oft sehr kurz ist, gerade bei geringer Blitzleistung. Die meisten Kameras erlauben daher bei elektronischem Verschluss überhaupt keine Blitznutzung, andere bieten eine kürzeste Blitzsynchronzeit von lediglich 1/60 Sekunde, was bei Tageslicht kaum verwendbar ist. Der offensichtlichste Nachteil des elektronischen Verschlusses liegt jedoch im sogenannten „Rolling Shutter Effekt“. Bei schnellen Bewegungen des Fotografen oder des Motivs ist das Motiv bei der Belichtung in jeder ausgelesenen Zeile schon minimal weitergewandert, weshalb sich die Motive scheinbar verbiegen. Bei Mitziehern etwa werden senkrechte Masten schräg aufgenommen. Propeller von Flugzeugen oder Hubschrauben sowie beispielsweise Windräder weisen bei elektronischem Verschluss verformte Rotorblätter auf. Zwar schreitet die Technik voran und dieser Effekt verringert sich zusehends durch einen schneller ablaufenden zeilenweisen Verschluss, aber erst mit einem Global Shutter, der den Sensor im Ganzen ausliest, wäre das Problem gänzlich behoben. Aktuelle Zukunftspläne etwa bei Panasonic gehen davon aus, dass massentaugliche CMOS-Sensoren mit Global Shutter bis zum Jahr 2020 marktreif sind.
Während der elektronische Verschluss bei Videoaufnahmen und bei der Livebilderzeugung Standard ist, kommt er für Fotoaufnahmen noch lange nicht bei allen Kameras zum Einsatz. Vor allem spiegellose Systemkameras erlauben dem Fotografen aber oft die freie Wahl, wohingegen der elektronische Verschluss bei DSLRs (noch) die Ausnahme darstellt. Auch bei Kompaktkameras ist er oft nur bei höherwertigen Modellen auswählbar.