Rubriken: Bildbearbeitung, Grundlagenwissen
Was ist ein lineares DNG?
2021-05-08 Bei der Vorstellung von PureRaw benutzte der französische Software-Entwickler DxO öfter die Bezeichnung lineares DNG. Doch was genau ist ein lineares DNG, wie unterscheidet es sich von einem herkömmlichen DNG und welche Vor- sowie Nachteile bringt diese DNG-Art für Bildbearbeiter mit sich? Diese Frage klärten wir in diesem umfangreichen Wissens-Fototipp. (Harm-Diercks Gronewold)
Der Sensor sorgt für die "Digitalisierung" der einfallenden Lichtwellen. Diese Daten werden dann auf die Speicherkarte als Rohdaten geschrieben oder in ein JPEG gerendert. [Foto: Nikon]
Bevor wir die Frage beantworten können, was genau ein lineares DNG ist, muss zunächst die Frage geklärt werden, was Rohdaten überhaupt sind. Um das zu verstehen, müssen Sie sich ins Gedächtnis rufen, dass Kameras Fotos nicht so "sehen" wie wir, wenn Fotos auf einem Display dargestellt werden. Rohdaten sind die Informationen, die der Sensor im Moment der Aufnahme erzeugt hat, als die Lichtwellen auf die einzelnen lichtempfindlichen Rezeptoren getroffen sind. Genau genommen sind auch die gespeicherten Rohdaten heutzutage bereits vom Bildprozessor oder sogar direkt von der Hardware auf dem Bildsensor der Kamera bearbeitet worden, das heißt, es handelt sich eigentlich nicht um die puren Sensor-Rohdaten.
Damit Rohdaten für Menschen sichtbar werden, muss eine Konvertierung der Daten durchgeführt werden. Für diese Konvertierung sind eine Menge hochentwickelter Verfahren notwendig, die aus den Binärdaten Details, Konturen, Helligkeit und präzise Farben erzeugen. Der Vergleich von Rohdaten zu analogen Negativen ist also nicht ganz so falsch, allerdings ist das analoge Negativ die chemische Interpretation von Lichtwellen.
Raw-Fotos in Übersichten in der Kamera und auf dem PC "anzeigen" Vielleicht fragen Sie sich, wie es dann sein kann, dass Sie im Bildindex Ihrer Kamera oder Teilweise auch auf dem PC auch die Rohdaten bereits in der Vorschau sehen können. Dabei sehen Sie tatsächlich keine Rohdaten, sondern nur eine kleine fertige Vorschau, die von der Kamera im "Container" der Rohdaten-Aufnahme gespeichert wurde. Quasi eine kleine JPEG-Datei in der Rohdaten-Datei.
Warum sollte man also mit Rohdaten arbeiten, wenn man sowieso mehr Aufwand betreiben muss, um Bilder zu erhalten, wenn die Kamera das für JPEG-Aufnahmen eh erledigen kann? Die kurze Antwort ist: Weil die Qualität, die Sie dann erreichen können, noch deutlich besser sein kann. Das liegt daran, dass bei einer externen Rohdatenkonvertierung dank mehr Rechenenleistung komplexere Berechnungsmethoden verwendet werden können, als es in der Kamera in Echtzeit möglich ist. Zudem ist es in der externen Konvertierung möglich, deutlich mehr Aspekte des Fotos zu kontrollieren beziehungsweise zu manipulieren. Der Vorteil an JPEG-Aufnahmen ist allerdings, dass man sie sofort verwenden kann, so wie eine Polaroid-Aufnahme. Die ist auch sofort da, aber qualitativ eben nicht immer so hochwertig wie der Abzug vom Negativ, der in der Dunkelkammer differenziert entwickelt wurde.
Nun kommen wir zur Linearität. Rohdaten sind linear, sprich: die Skalierung der Eingabe ist gleich der Skalierung der Ausgabe. Ein gutes Beispiel für Linearität ist in der Fotografie zu finden. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Studioszene. Wenn Sie jetzt die Beleuchtungsstärke Ihrer Lampen verdoppeln, dann kommt auch doppelt soviel Licht am Sensor an, zumindest bis eine Sättigung erreicht ist. Das Objektiv ist also ein lineares System, da es die verdoppelte Beleuchtungsstärke an den Sensor weiterleitet. Die aus dem Beispiel gewonnenen Rohdaten würden genau die Verdopplung der Beleuchtungsstärke in den Pixelwerten wiedergeben.
Wird aus der obigen Sensorinformation jedoch ein JPEG erzeugt, so verdoppeln sich die Werte der Pixel nicht. Dunkle Bereiche werden beispielsweise stärker von der Verdopplung betroffen als helle Bereiche und auch die Farben können sich zum Teil stark verändern. Das Ergebnis ist also nicht mehr linear zum Eingangssignal.
Bilder die in PureRaw vorentwickelt wurden sind weiterhin in der Lage linear bearbeitet zu werden, wie zum Beispiel mit der Belichtungskorrektur. [Foto: MediaNord]
Wird ein lineares DNG in CameraRaw geöffnet, so sind die Entrauschungs- und Schärfungseinstellungen automatisch auf null gesetzt. [Foto: MediaNord]
Auch bei der Belichtungskorrektur sind die Einstellungen neutral. [Foto: MediaNord]
Wird die Belichtungskorrektur verändert so werden alle Pixel des Bildes gleichermaßen von den Änderungen geändert. Erst mit dem antasten der Lichter, Schwarz und Weißregler beziehungsweise der Gradationskurve ändert sich dieses Verhalten. [Foto: MediaNord]
Wenn Sie in der Nachbearbeitung linear arbeiten wollen, dann sollten Sie auf jeden Fall mit Rohdaten arbeiten, da sich hierbei die meisten linearen Funktionen kontrollieren lassen. Zu den linearen Funktionen in der Nachberabeitung gehören beispielsweise die Helligkeitsanpassung, der Weißabgleich und die Rekonstruktion von Lichtern. Den linearen Bereich verlassen Sie beispielsweise mit der Anpassung der Gammakurve und der Farbkorrektur.
Endlich das lineare DNG
Kommen wir zum DNG (Digital Negativ). Dieses offene Rohdatenformat wurde von Adobe entwickelt und ist eine gute Alternative zu proprietären Rohdatenformaten von Kameraherstellern. Wenn Sie Rohdaten ins DNG-Format konvertieren, dann brauchen Sie keine Angst zu haben, denn die Daten der Pixel werden nicht geändert, lediglich die Art und Weise, wie diese Daten in der Datei gespeichert sind, ändert sich. Durch den offenen Standard wird gewährleistet, dass die Daten auch langfristig mit modernen Bildbearbeitungsprogrammen kompatibel bleiben.
Der zweite Vorteil von DNG-Dateien gegenüber proprietären Rohdatenformaten ist die standardisierte Speicherung von Metadaten als "Extensible Metadata Platform", kurz im XMP-Format. Diese Metadaten speichern von den Aufnahmeparametern bis zu Bewertungen auch Einstellungen für Adobes Rohdaten-Konvertierungs-Algorithmen. Damit sind die Dateien leicht zu verwalten.
Herkömmliche DNG-Dateien speichern also die unveränderten Sensordaten, so wie die Hersteller-eigenen Rohdaten auch. Lineare DNG-Dateien speichern hingegen Sensordaten, die einige lineare Funktionen schon durchlaufen haben, wie zum Beispiel die Entrauschung, die Korrektur von optischen Fehlern und die differenzierte Nachschärfung auf Basis der Objektiveigenschaften. Doch trotz dieser Bearbeitung bleiben die Pixelwerte im linearen DNG immer noch in der Linearität und im nativen Sensorfarbraum erhalten. Sie haben also auch nach dem Einsatz von PureRaw noch die Möglichkeit, die linearen Funktionen wie Helligkeitsanpassungen und Weißabgleich im vollen Rohdatenumfang einzusetzen.
Ein weiterer Vorteil ist, dass lineare DNG-Dateien der als nächstes eingesetzten Software "mitteilen", welche Arbeitsschritte schon erledigt sind. Damit wird verhindert, dass beispielsweise Standard-Entrauschungsparameter ungefragt auf das Bild angewendet werden, obwohl DeepPRIME beziehungsweise PRIME schon volle Arbeit geleistet hat. Ein Nachteil der linearen DNG-Dateien ist allerdings, dass sie fast dreimal so groß sind wie die ursprünglichen Rohdaten.
Das lineare DNG ist also ein als Rohdaten gespeicherter Zwischenschritt, der es erlaubt, die Stärken verschiedener Rohdatenkonverter und Bildbearbeitungsprogramme zu kombinieren, um das beste Ergebnis mit allen zur Verfügung stehenden Werkzeugen zu erhalten und keine Kompromisse eingehen zu müssen.