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Was man bei Wechselobjektiven an Digitalkameras beachten sollte
2010-08-30 "Objektiv ist Objektiv – was zählt ist die Kamera!" oder "alte Objektive sind neueren Rechnungen oft sogar überlegen" sind nicht selten verbreitete Meinungen. Doch weit gefehlt. Zwar können ältere Objektive durchaus gute Leistungen erbringen, aber es gibt einiges zu beachten, denn digitale Bildsensoren sind sehr anspruchsvoll. Hochwertige Vergütungen, ausgesuchte Glassorten und ein bildseitig telezentrischer Aufbau sind das A und O hervorragender Objektive. (Benjamin Kirchheim)
Objektive weisen in der Regel eine Vielzahl an Fehlern auf, die aber größtenteils so gut korrigiert sind, dass sie auf normalen Fotos nicht auffallen. So ist beispielsweise die Auflösung im Zentrum höher als am Bildrand, auch die Helligkeit nimmt mit zunehmender Entfernung vom Bildzentrum ab. Wie gut ein Objektiv ist, hängt von der Rechnung, den verwendeten Glaslinsen und deren Glassorten sowie der Vergütung ab. Analog war das eigentlich recht einfach. Digital aber kommen der Bildsensor, der andere Eigenschaften als ein Analogfilm besitzt, sowie die Bildverarbeitung hinzu. Letztere versucht sowohl die Fehler, die erst aufgrund des Bildsensor entstehen, als auch die Fehler des Objektivs zu kompensieren, jedenfalls wenn der Hersteller das so programmiert und der Kamera das Objektiv bekannt ist oder aber das Objektiv entsprechende Korrekturdaten an die Kamera überträgt. Inzwischen verwenden praktisch alle Systemkamerahersteller digitale Korrekturen – teilweise sind sie abschaltbar, teilweise nicht und werden sogar vom Fotografen unbemerkt auf RAW-Bilder angewendet.
Ein "Problem" digitaler Bildsensoren ist ihre hohe Auflösung. Und die Möglichkeit, die Fotos am Computer beliebig zu vergrößern. So werden auch kleinste Bildfehler gnadenlos sichtbar, obwohl sie bei vernünftigem Betrachtungsabstand niemals sichtbar würden. Man betrachtet eine 5 x 3 m große Plakatwand ja auch nicht aus 10 cm Entfernung mit der Leselupe, denn man würde allenfalls das Druckraster und seine Farben erkennen. Dennoch besteht bei Digitalfotos der Anspruch, dass diese technisch absolut perfekt sind. Vergleicht man heutige Digitalfotos bei gleicher Vergrößerung mit hochwertigen analogen Aufnahmen, so weisen letztere oft die technisch schlechtere Bildqualität auf. Wie dem auch sei, so werden bspw. chromatische Aberrationen auf Digitalfotos sehr einfach sichtbar. Sie sind leicht mit Blooming zu verwechseln, das durch Ladungsüberläufe (zu viel Licht auf dem Pixel) auftritt und dafür sorgt, dass ein benachbartes, eigentlich dunkles Pixel auch heller wird. Chromatische Aberrationen sind aber ein Fehler des Objektivs, genauer genommen der verwendeten Glassorte einer Linse. Das Licht besteht aus einer Welle, wobei die Wellenlänge die Farbe bestimmt. Unterschiedliche Wellenlängen brechen sich aber unterschiedlich stark an gekrümmten Glasflächen, wodurch sich letztendlich die Farbsäume (meist magenta oder grün) ergeben. Bei hochwertigen ED-Gläsern tritt dieser Effekt aber weniger auf, weshalb solche
und andere Spezialglassorten heutzutage vermehrt in Objektiven zum Einsatz kommen. Chromatische Aberrationen treten meist am Bildrand stärker auf als im Bildzentrum, harte Kontraste fördern ihre Sichtbarkeit. Mit digitaler Nachbearbeitung sind sie aber gut in den Griff zu bekommen, wenn die Kameras "weiß", wie die Ausprägung ist.
Das nächste Problem ist Streulicht. Glasoberflächen sind nicht zu 100 % durchsichtig, sondern reflektieren oder streuen immer einen Teil des einfallenden Lichts. Das sorgt nicht nur dafür, dass nicht das gesamte Licht durch alle Linsen eines Objektivs dringt, sondern dass durch vielfältige Reflektionen das gesamte Bild verwaschener wirkt, es fehlt an Kontrast. Vergütungen sollen dieses Problem mindern, besonders moderne Mehrschichtvergütungen sind heutzutage äußerst effektiv (siehe auch Canon "SWC" in den weiterführenden Links). Ohne sie wäre bspw. Gegenlichtfotografie gar nicht denkbar. Auch Streulichtblenden sollen dieses Falschlicht mindern. Normalerweise kommt aber das Licht nur von einer Seite, nämlich durch die Frontlinse. Digitale Bildsensoren aber reflektieren im Gegensatz zum Film mehr Licht in Richtung Objektiv zurück. Es bekommt nun also Licht von der "falschen" Seite, was vor allem bei älteren Objektiven zu einem Kontrastverlust führen kann. Das kann sogar so weit gehen, dass ähnlich wie mit einem minderwertig vergüteten optischen Filter (siehe Fototipp in den weiterführenden Links) Geisterbilder auftreten. Dies fällt oft erst auf, wenn man eine Nachtszene mit einigen punktuellen Lichtquellen fotografieren möchte und auf dem Bildschirm mehr Lichtquellen sieht als in der Realität. Auch hier ist so manche moderne Vergütung einer "alten" vorzuziehen.
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Ein drittes Problem ist die Vignettierung. Die gab es auch schon bei analogen Aufnahmen, aber bei der Digitalfotografie verschärft eine Eigenschaft von Bildsensoren das Problem zusätzlich: Er ist nur auf senkrecht einfallendes Licht empfindlich bzw. "sieht" von schräg einfallendem Licht nur die senkrechte Komponente, für die seitlich gerichtete hingegen ist der Sensor blind. Und gerade alte Objektive sowie einfache Rechnungen haben an den Randbereichen einen hohen Anteil an schräg einfallenden Lichtstrahlen, so dass die dunklen Ecken zusätzlich noch dunkler werden. Weitwinkelobjektive sind davon wesentlich stärker betroffen als Teleobjektive, bei denen die Lichtstrahlen schon auf der Frontlinse relativ senkrecht eintreffen. Man kann sich aber mit einigen Tricks behelfen. Der beste Weg sind bildseitig telezentrische Objektive. Das bedeutet, dass der Anteil schräger Lichtstrahlen möglichst gering oder sogar gar nicht vorhanden ist. Vor allem Olympus setzt mit dem Four-Thirds-Standard auf telezentrische Rechnungen. Das sorgt nicht nur für weniger Vignettierung, sondern die Lichtbündel treffen auch gezielter auf die Pixel und fächern sich nicht im Randbereich auf mehrere Pixel auf, was Vorteile bei der Auflösung am Bildrand bringt.
Am stärksten von diesem Problem sind aber Kameras mit großformatigen Bildsensoren betroffen, also im Konsumerbereich vor allem die Kleinbild-Vollformatkameras. Hier ist inzwischen die Sensortechnologie gegenüber früher weiter fortgeschritten. Die Modifizierung findet dabei vor allem bei den Mikrolinsen statt, die das Licht zu den lichtempfindlichen Flächen hin bündeln sollen, denn ein guter Teil der Sensoroberfläche ist nicht lichtempfindlich. Man kann sich das wie ein Sieb vorstellen, bei dem man mit Hilfe von kleinsten lichtbündelnden Linsen versucht, das gesamte Licht durch die feinen Maschen zu transportieren. Hier nutzt man inzwischen die Möglichkeit, die Mikrolinsen am Bildrand anders auszurichten als in der Bildmitte, um den schrägen Randstrahlen gerechter zu werden. Es handelt sich allerdings nur um einen Kompromiss, denn dadurch werden Weitwinkelobjektive im Randbereich zwar besser, was man sich aber mit einer leicht schlechteren Qualität der Teleobjektive erkauft. Man versucht also lediglich dafür zu sorgen, dass nicht zu extreme Probleme auftreten, denn leichte Vignettierungen lassen sich in der Signalverarbeitung bzw. Bildaufbereitung leichter kompensieren als sehr starke. Die Mikrolinsen darf man sich übrigens nicht als richtige geschliffene Glaslinsen vorstellen, sondern eher als eine Art "Tropfen", die auf dem Sensor aufgebracht sind und in der Summe eine feine "Hubbelstruktur" ergeben.
Was bleibt ist die Erkenntnis, dass alte analoge Objektivschätze, auch wenn sie einst teuer waren, nicht unbedingt für digitale Bildsensoren geeignet sind. Das gilt aber auch für viele Zoomobjektive aus den 90ern. Weitwinkelobjektive sind dabei stärker betroffen als Teleobjektive oder Makros. Lichtstarke Objektive sind stärker Betroffen als lichtschwache. Und damals wie heute spielt die Vergütung eine entscheidende Rolle. Nicht umsonst stellen auch die großen Hersteller wie Canon und Nikon ihr Objektivsortiment Schritt für Schritt auf neuere, oft nur leicht modifizierte Rechnungen um und setzen dabei höherwertige Vergütungen ein.