Rubrik: Bildgestaltung
Winterfotos
2001-01-01 Ihr Motorrad sollten Sie im Winter einmotten, die Kamera nicht! Die Schönheit winterlicher Natur mit ihrer Spanne zwischen Schwarz-Weiß-Kontrasten und zarten, filigranen Gebilden ist etwas für fotografische Feinschmecker. Ob die Sonne scheint oder der Himmel trübe ist, hat beachtlichen Einfluß auf das Ergebnis. Grundsätzlich aber ist jedes Winterwetter Fotowetter. (Jürgen Rautenberg)
Rutschpartie [Foto: Jürgen Rauteberg]
Digitalkameras mögen tiefe Temperatur nicht besonders. Nicht dass sie Schaden
nehmen, aber es kann schon sein, dass sie vorübergehend ihren Dienst
verweigern. Bewahren Sie sie bis zum Einsatz im Warmen auf: Im geheizten
Innenraum Ihres Autos statt im kalten Kofferraum; unter Ihrer Jacke am Körper
und nicht über der Jacke. Nehmen Sie unbedingt Reserveakkus mit, die Sie in der
warmen Hosentasche aufbewahren. Ein paar Schneeflocken machen der Kamera nichts
aus, wenn sie ab und zu abgewischt und nach der Heimkehr gründlich mit einem
weichen Tuch getrocknet wird. Bei stärkerem Schneetreiben empfiehlt sich ein
Schutzgehäuse oder wenigstens eine Plastiktüte mit einem Ausschnitt für das
Objektiv. Und nicht vergessen: Die Akkus über Nacht aufladen, damit es morgens
gleich weitergehen kann. Wer intensiv mit der Kamera arbeitet, braucht noch zwei
Dinge: Ein paar Handschuhe und ein Stativ. Die Handschuhe sorgen dafür, dass
die Finger gelenkig bleiben. Das Stativ verhilft Ihnen auch bei schlechtem Licht
und zu erwartenden langen Belichtungszeiten zu verwacklungsfreien Bildern.
Und nun zum wichtigeren Thema; der Gestaltung. Die Vielfalt unterschiedlicher
Motive ist enorm. Weite Schneeflächen mit der verschleierten Zeichnung von
Bäumen, Zäunen, fernen Häusern ergeben bei Dunst leichte Bilder mit einem
Schuss Melancholie. Schwere dunkle Stämme, Gatter, Bachläufe in Verbindung mit
Gegenlicht und weißem Schnee geben starke Kontraste. Haben Sie schon einmal ein
in einer Eisfläche eingefrorenes Blatt oder eine Luftblase beobachtet? Das gibt
Motive vom Feinsten! Fußstapfen im Schnee, die in die Weite führen, können
Sie nach Wunsch selbst erzeugen und mit ihnen die Landschaft gliedern; sie
"erfahrbar" machen.
Schimpfen Sie nicht, wenn die Sonne sich rar macht. Das weiche Licht leichten
Dunstes hebt die Zartheit bereifter Blätter hervor, schafft traumhafte
Stimmungen. Dunst macht Fotos allerdings leicht zu dunkel und sollte um +0,5 bis
+1 Stufe korrigiert, also heller belichtet werden. Am besten machen Sie jeweils
zwei Bilder; eines ohne, das andere mit Korrektur. Sie lernen beim Vergleich der
Ergebnisse schnell, wie Sie in Zukunft reagieren müssen.
Boote im Eis [Foto: Jürgen Rauteberg]
Wenn aber die Sonne scheint, können Sie glücklich sein.
Hell-/Dunkelkontraste, Lichtreflexe in Einzapfen oder auf überfrorenem Wasser,
reiner weißer Schnee gegen stahlblauen Himmel da lacht das Fotografenherz.
Den stahlblauen Himmel verstärkt ein Polfilter am besten, wenn die Sonne von
90° seitwärts einstrahlt. Je mehr das Licht davon abweicht, um so schwächer
wirkt das Polfilter. Hat Ihr Objektiv kein Filtergewinde, können Sie das Pol-
oder andere Filter mit der Hand vor das Objektiv halten. Wenn Sie Eiszapfen
fotografieren, geben Sie doch einmal einen Blitz hinzu. Das erzeugt interessante
Lichtspiele, vor allem bei Seiten- oder Gegenlicht.
Denken Sie daran, dass große helle Flächen im Bild den Belichtungsmesser
irritieren und die Fotos zu dunkel belichtet werden könnten ein Fall für
die Belichtungskorrektur. Bei Schnee und Eis bei Sonnenschein sollten Sie
Korrekturen von +1 bis +2 ausprobieren. Und schließlich: Ein vermeintlicher
Blaustich auf dem Schnee ist keiner; das Blau des wolkenlosen klaren Himmels
reflektiert in den Schnee und färbt ihn blau. Filtern Sie dieses Blau heraus,
haben Sie kein Winterbild mehr, denn Blau steht für kalt und die Kälte
soll in Ihrem Bild doch erhalten bleiben, oder?
Rauhreif [Foto: Jürgen Rauteberg]
Bild 1 "Rutschpartie": Abfahrt bei plus
20° in Marakesch, bei minus 20° auf der Passhöhe des Hohen Atlas rutscht der
Bus in den Graben; nichts ging mehr. Trotz des leichten Dunstes hat das Foto
hinreichend Kontrast. Selbst, wenn mit dem Bild sonst kein Staat zu machen ist;
es bleibt Erinnerung an eine außergewöhnliche Situation.
Bild 2 "Boote im Eis": Dass auch der
Winter fröhliche Farben hat, beweist dieses Bild. Die seitlich einfallende
Sonne bringt das Motiv zum Strahlen. Der sehr enge Ausschnitt konzentriert auf
das Wesentliche, vermittelt Geschlossenheit.
Bild 3 " Rauhreif": Zartes Filigran in
einem einfachsten Motiv. Wichtig: Blende ganz öffnen, damit das Foto durch
scharfes Motiv und unscharfen Hintergrund gegliedert wird. Schärfe über das
ganze Bild wäre nicht zu ertragen; die Unruhe zu groß.