Rubrik: Bildgestaltung
Wohin mit dem Horizont?
2012-03-26 In vielen Landschaftsbildern ist der Horizont die dominierende Linie. Er teilt das Bild
und seine Lage hat entscheidenden Einfluss auf die Bildwirkung. Wohin nur mit dem Horizont? Nach oben, nach unten oder – man will's ja allen recht machen – in die Mitte? Die Beantwortung dieser Frage hat gravierende Konsequenzen für die Wirkung des Bildes auf den Betrachter, und sie fordert vom Fotografen eine klare Entscheidung. (Hans-Peter Schaub)
So viel schon vorweg: Den Horizont in die Mitte zu legen, ist nur in seltenen Fällen die beste Lösung. Vielmehr vermittelt sie den Eindruck, dass der Fotograf sich nicht entscheiden konnte, das heißt, sich nicht darüber im Klaren war, was er mit seinem Bild eigentlich zeigen wollte, was ihm selbst wichtig war. Es ist daher hilfreich, sich schon vor der Aufnahme zu überlegen, welcher Aspekt an der vor einem liegenden Landschaft von besonderem Reiz ist. Sind es die sich klar vor einem blauen Himmel abhebenden Wolken? Dann gebührt dem entsprechend viel Platz im Bild, und der Horizont wandert nach unten. Ist hingegen der Vordergrund besonders interessant und der Himmel grau oder wolkenlos, erhält der Vordergrund entsprechend mehr Raum. Sind Himmel und Vordergrund gleichermaßen spannend, macht man einfach zwei Bilder. In einem Bild vereint, würden sie konkurrieren und sich so gegenseitig in ihrer Wirkung schwächen.
Bei weißen Wolken vor einem klaren blauen Frühsommerhimmel fällt die Entscheidung leicht. Die Landschaft im Vordergrund hat wenig Abwechslung zu bieten. Was es zu zeigen gibt – die Birke und die vom kräftigen Wind bewegte Wiese –, findet im unteren Bildbereich Platz (siehe Bild 1 unten links). Die Alternativen »mittiger Horizont« (siehe Bild 2, rechts) und nach oben verlagerter Horizont (siehe Bild 3, unten in der Mitte) wirken dagegen wenig überzeugend. Einige Tage später haben sich die weißen Blüten erheblich vermehrt. Nun ist der Himmel wolkenlos und der Vordergrund umso interessanter (siehe Bild 4, unten rechts). Hier wurde gewartet, bis die Sonne tief genug gesunken war und dann ein passender Standort gewählt, um den Feuerball direkt hinter der Birke abzubilden.
Dieser Fototipp entstammt, mit freundlicher Genehmigung des Galileo-Verlags, dem Buch "Die Fotoschule in Bildern – Landschaftsfotografie". Darin nimmt der Naturfotograf Hans-Peter Schaub den Leser mit auf eine Entdeckungsreise durch vertraute und fremde Landstriche – von den Bergen über die Wälder, das besiedelte und kultivierte Land bis ans Meer. Er zeigt, wie man den Blick für Landschaftsmotive schärft, einen wirkungsvollen Ausschnitt aus der Totalen wählt und mit den Zutaten Licht, Farbe und Form das Bild ansprechend gestaltet. Denn erst eine gelungene Bildkomposition und eine besondere Lichtsituation unterscheiden einen beiläufigen Schnappschuss von einer eindrucksvollen Landschaftsaufnahme! In dieser Fotoschule findet der Leser nicht nur viele inspirierende Landschaftsbilder, sondern erfährt auch immer deren Entstehungsgeschichte mit allen Aufnahmedaten, Lichtsituation etc. Besondere Gestaltungsideen sind mit Hilfe von Skizzen und Vergleichsbildern veranschaulicht. So lernt der Leser alle Aspekte der Landschaftsfotografie kennen – Bild für Bild! Das Buch ist für 29,90 EUR im Buchhandel sowie hier bei digitalkamera.de erhältlich.