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Woran Schärfe leidet (Teil 3) – Verwackelte Fotos durch Kamerabewegung

Seite 2 von 2, vom 2017-07-30 (Autor: Sam Jost)Zur Seite 1 wechseln

Kamera ruhig halten

Manche Menschen haben ruhige Hände, andere eher zittrige Finger. Dazu sind unsere Hände ruhiger, wenn wir frisch und ausgeruht sind, und unruhiger, wenn wir frieren, aufgeregt sind oder Hunger haben. Doch es gibt ein paar Tricks, um die Kamera ruhiger zu halten:

  • Halte die Kamera nicht mit einer, sondern mit beiden Händen fest. Eine Hand alleine hält unruhiger als beide zusammen.
  • Halte beide Arme beim Fotografieren so dicht am Körper wie möglich. Der Körper ist durch seine Masse ruhiger als die Arme, und wenn die Arme sich am Körper halten, bewegen sie sich ebenfalls weniger.
  • Stütze Dich auf, lehne Dich oder direkt die Kamera an etwas Unbewegliches wie einen Türrahmen, eine Wand oder eine Laterne.

Die Steigerung dieser einfachen Hilfsmittel ist, die Kamera komplett aus den Händen zu legen. Auf einen Stuhl, Schrank, Poller oder auf ein Auto. Ein Bohnensack oder Kirschkernkissen ist hilfreich, um die Kamera auf unebenem Untergrund besser ausrichten zu können. Sport- und Naturfotografen, die mit langen Teleobjektiven arbeiten, verwenden gern Einbeinstative, auf denen sie das Objektiv aufstützen. Auf diese Weise verringern sie das Verwackeln und bleiben trotzdem sehr beweglich mit der Kamera. Am vielseitigsten und stabilsten ist ein Dreibeinstativ.

Doch selbst wenn Du die Kamera auf ein Dreibeinstativ setzt, musst Du sie ja noch auslösen. Und der Druck auf den Auslöser kann schon reichen, um eine Kamera auf einem Stativ zum Wackeln zu bringen. Um noch weniger zu wackeln, müsstest Du die Kamera auslösen, ohne sie anzufassen. Die einfachste Form dafür ist ein Kabelauslöser. Ganz ohne Kontakt gibt es Fernauslöser per Infrarotsender, und von verschiedenen Herstellern gibt es Systeme, die Kameras über Funk auslösen können.

Wenn kein solch externer Auslöser zur Hand ist, kannst Du stattdessen den Selbstauslöser der Kamera verwenden: Stell den Selbstauslöser auf wenige Sekunden ein, drück den Auslöser und nimm die Finger von der Kamera, so dass sie die eingestellten Sekunden Zeit hat, ihr Wackeln zu beruhigen, bevor sie das Foto macht.

Wenn eine DSLR auslöst, klappt sie mit einem mehr oder weniger lauten „Klack“ den Spiegel hoch. Je nach Kamera und Belichtungszeit kann dieses „Klack“ schon ausreichen, um ein Foto ein wenig zu verwackeln. Gute DSLR bieten eine Spiegelvorauslösung, die den Spiegel hochklappt, ein paar Sekunden wartet und erst dann ein Foto macht. Wenn Deine Kamera diesen Modus anbietet, solltest Du ihn statt des Selbstauslösers verwenden, da er den Spiegelschlag als Quelle für Unschärfe ausschließt.

Bei Aufnahmen vom Stativ verwende ich oft die Spiegelvorauslösung, selbst wenn ich die Kamera per Funk auslöse. Denn wenn ich den Aufwand mit dem Stativ mache, kommt es auf diese Sekunde mehr oder weniger auch nicht mehr an (es sei denn, es bewegen sich Personen im Bild und der Zeitpunkt des Auslösens ist mir wichtiger als maximale Schärfe). Mit Infrarotauslösern komme ich gar nicht zurecht. Sie haben meistens eine starke Verzögerung, bis nach dem Auslösen das Foto gemacht wird. Außerdem funktionieren sie bei Tageslicht nicht zuverlässig. Früher habe ich gern Kabelauslöser verwendet, weil die Kamera mit ihnen zuverlässig und sofort auslöst. Inzwischen benutze ich ein Funkauslöserset, das schnell reagiert und auch bei Tageslicht zuverlässig funktioniert.

Leider gibt es auch die umgekehrten Situationen, in denen die Kamera besonders unruhig ist. So ist es zwar eine tolle Idee, für besondere Aufnahmepositionen die Kamera in die Luft zu recken, so dass Du quasi von oben fotografieren kannst. Doch am gestrecken Arm, vielleicht für mehr Höhe sogar auf einem Einbeinstativ befestigt, zittert die Kamera so stark, dass selbst kurze Brennweiten kaum noch vor dem Verwackeln schützen. Die folgenden zwei Fotos sind mit einem 24-mm-Objektiv bei 1/400 s fotografiert worden. Das linke Foto einfach aus der Hand, für das rechte Foto habe ich die Kamera auf einem Einbeinstativ befestigt und dieses für mehr Höhe am gestreckten Arm in die Höhe gehalten. Die Ausschnitte entsprechen von der Größe her 90x60 cm großen Bildern. Das rechte Foto ist durch den ausgestreckten Arm etwas verwackelt.

Serienbild für scharfe Fotos

Wenn Du in einer Situation bist, in der Du keine Chance auf eine kurze Belichtungszeit hast und die Kamera auch nicht fixieren kannst, gibt es noch einen Trick für scharfe Fotos: Stell an der Kamera die Serienbildfunktion ein, so dass sie so lange Fotos macht, wie Du den Auslöser gedrückt hältst. Halte bei jedem Foto den Auslöser lang genug gedrückt, dass die Kamera drei Fotos macht, und such Dir von diesen Fotos später das schärfste aus. Während das erste Foto oft noch verwackelt ist, werden das zweite und dritte Foto deutlich schärfer sein.

Blitz friert Bewegung ein

Ein Weg, um Bewegungsunschärfe auf Fotos zu verhindern, ist, einen Blitz zu verwenden. Ein guter Blitz leuchtet nur Sekundenbruchteile und friert Bewegungen deshalb regelrecht ein. Die Qualität von Blitzen ist sehr unterschiedlich. Mein Nikon SB-900 braucht, um seine volle Blitzleistung abzugeben, knapp 1/200 s (die technischen Daten des Herstellers behaupten 1/1000 s, arbeiten aber mit einem geschönten Messsystem; siehe weiterführenden Link "Der Blitz leuchtet länger als man denkt"). Bei günstigen Blitzen kann es sogar 1/60 s dauern, bis sie ihre volle Leistung abgegeben haben. Je geringer die Blitzleistung ist, desto schneller wird der Blitz. Damit eignet sich Blitzlicht wunderbar, um Bewegungen einzufrieren. Allerdings ist das Thema Blitz so umfangreich, dass ich dazu ein eigenes Buch schreiben werde. In diesem Buch gebe ich lediglich in Kapitel 8 ein Beispiel für den Einsatz eines Blitzes.

Finde Deine Grenzen

Ich finde es wichtig zu wissen, bis zu welcher Belichtungszeit ich die Kamera ruhig genug halten kann, um zuverlässig ein scharfes Foto zu machen. Beim Fotografieren möchte ich nicht nach jedem Foto nachschauen müssen, ob es scharf ist, und ich will mich auch nicht später am Rechner über unscharfe Fotos ärgern. Ich möchte mich bei der Aufnahme darauf verlassen können, das Foto sehr wahrscheinlich nicht verwackelt zu haben.

Um herauszufinden, bis zu welcher Belichtungszeit Du noch zuverlässig scharfe Fotos aus der Hand machen kannst, empfehle ich Dir, an einem sonnigen Tag mit dem Objektiv spazieren zu gehen. Stelle eine feste Belichtungszeit ein, die vielleicht ein wenig lang ist, um sie aus der Hand zu halten, und mach viele Fotos. Zoome in diese Fotos hinein, und wenn viele davon verwackelt scheinen, verkürze die Belichtungszeit. Dies machst Du so lange, bis Dir so gut wie keine Aufnahmen mehr unscharf vorkommen. Mit einem 70-200-mm-Objektiv habe ich bei mutigen 1/100 s angefangen, die ich oft verwackelte. Schritt für Schritt wurde die Belichtungszeit kürzer, bei 1/320 s verwackelte ich nur noch wenige Bilder, bei 1/500 s war ich ziemlich sicher, aus der Hand so gut wie keine Fotos mehr zu verwackeln.

Um zu erkennen, ob ein Foto verwackelt ist, hilft es, die Unschärfe vom Fehlfokus unterscheiden zu können. Beim Verwackeln wird das Bild unruhiger, fast schon verwischt. Beim Fehlfokus wird es weicher und meist gleichmäßiger, ruhiger. Im Folgenden zwei Ausschnitte als Beispiele (die vollständigen Bilder zu diesen Ausschnitten wären 120x80 cm groß, es handelt sich also um starke Vergrößerungen):

Und damit Du einmal siehst, was möglich ist: Beim folgenden Bild ist das linke Foto so scharf, wie ich es aus der Hand hinbekomme, während das rechte ganz leicht verwackelt ist. Die Struktur des Stoffes ist noch erkennbar, ohne das Vergleichsfoto daneben würde es für die meisten Betrachter als scharf durchgehen.

Solche Tests mache ich nicht mit jedem Objektiv, sondern nur mit den Brennweiten, die ich häufig benutze. Bei allen Brennweiten unter 85 mm benutze ich die gleiche Belichtungszeit wie beim 85-mm-Objektiv. Bei den Brennweiten bis 200 mm verwende ich die Belichtungszeit des 200-mm-Objektivs. Würde ich ständig ein 135-mm-Objektiv verwenden, so würde ich mir dafür über kurz oder lang einen eigenen Wert erarbeiten. Und falls ich mir eines Tages eine längere Brennweite als 200 mm zulege, so werde ich dafür natürlich auch wieder testen, welche Belichtungszeiten ich damit ruhig halten kann.

Absichtliches Verwackeln: Mitziehen und Zoomen

Die Unschärfe, die beim Verwackeln der Kamera während der Aufnahme entsteht, kann man aber auch für kreative Fotos nutzen. Zwei typische Vertreter des absichtlichen Verwackelns sind das Mitziehen und das Zoomen während der Aufnahme.

Das Mitziehen (auf Englisch: Panning) verwendet man bei Motiven, die sich berechenbar bewegen: Man folgt mit dem Blick durch die Kamera dem Motiv bei seiner Bewegung und löst während der Bewegung aus, ohne innezuhalten. Bei kurzen Belichtungszeiten hat das natürlich keinen Effekt, doch schon bei 1/20 s erreicht man auf diese Weise, dass der Hintergrund unscharf verwischt, während das sich mit der Kamera bewegende Motiv scharf bleibt. Nicht perfekt scharf, aber eben deutlich schärfer als der Hintergrund. Man benutzt diese Methode gerne bei Autorennen oder anderen sich bewegenden Motiven, um einen störenden Hintergrund zu beruhigen und ein Gefühl von Bewegung zu vermitteln. Dabei wird in Kauf genommen, dass das Motiv selber wahrscheinlich nicht so scharf wird, als wenn man es mit einer kurzen Belichtungszeit fotografiert hätte. Du solltest ein paar mehr Versuche einplanen, bis Du ein Foto bekommst, mit dem Du zufrieden bist. Welche Belichtungszeit am besten ist, hängt von der Geschwindigkeit des Objekts ab und davon, wie dicht Du am Motiv bist. Ein bergab fahrender Radfahrer, der dicht vor Dir entlang fährt, erzeugt mehr Bewegungsunschärfe im Hintergrund als ein Auto auf der anderen Straßenseite, allein deshalb, weil der Radfahrer sich näher an der Kamera befindet.

Ein anderer beabsichtigter Bewegungseffekt ist Zoomen während der Aufnahme und damit das Verändern der Brennweite während der Belichtung. Bei dieser Technik fängst Du an zu zoomen, und während des Zoomvorgangs löst Du mit einer eher langen Belichtungszeit aus. Während beim Mitzieher die Schärfe in eine Richtung, nämlich die der Bewegung der Kamera verwischt wird, kommen beim Zoomen zwei Bewegungen zusammen: zum einen das Wackeln, weil Du am Objektiv drehst, und zusätzlich die Zoombewegung von einem Mittelpunkt aus. Zusammen ergeben beide Bewegungen oft eine kreisförmige und explosionsartig verwischte Unschärfe von einem eher willkürlichen Mittelpunkt zu den Bildrändern hin.

Mitzieher erfordern bereits einige Übung, und man hat viel Ausschuss. Aber Zoomen während der Aufnahme ist noch schwerer zu kontrollieren, und das Ergebnis ist meist kaum mehr als Zufall. Für das folgende Bild habe 143 Fotos machen müssen, damit gerade einmal 3 halbwegs brauchbare Fotos dabei herauskamen. Natürlich wird auch ein gezoomtes Foto niemals so scharf wie ein kurz belichtetes Foto. Aber der Effekt kann ein ansonsten langweiliges Motiv zum ansehnlichen Bild machen. Bei diesem Effekt gilt das, was bei allen Effekten gilt: Zu oft gesehen, nutzt er sich schnell ab.

Dieser Fototipp ist ein Auszug aus dem Buch "Scharfe Fotos" von Sam JostEin ganzes Buch nur über Schärfe! Der Autor Sam Jost zeigt verschiedene Möglichkeiten Schärfe zu verbessern. Er nennt die Faktoren, die sich negativ auf die Schärfe und damit auf die Bilddetails auswirken. Sam Jost erklärt in einfachen Worten verständlich, wie dieser die Verteilung von Schärfe und Unschärfe in einem Foto kontrolliert und wie man nicht Opfer der Technik wird, sondern selber entscheiden lernt, was scharf wird und was nicht. Auch Verfahren der Bildbearbeitung, um mehr Schärfe aus den Bildern zu holen, fehlen nicht. Das Buch ist erhältlich als E-Book (PDF und Kindle) sowie als gedrucktes Buch. mehr …


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