Rubriken: Aufnahmeeinstellungen, Grundlagenwissen
Woran Schärfe leidet (Teil 4) – Unschärfe durch Bewegung im Motiv
2017-08-14 Verwackeln des Fotos kannst Du ausschließen, indem Du die Kamera auf ein Stativ stellst. Doch was Du damit nicht verhinderst, ist, dass das Motiv sich bewegt. Was sich bewegt, müssen nicht immer Menschen sein. Auch Pflanzen bewegen sich. Sam Jost zeigt in diesem Fototipp, einem Kapitel aus seinem gedruckt und als E-Book erhältlichen Buch "Scharfe Fotos", wie sich das auswirkt und wie man Bewegungsunschärfe kreativ einsetzen kann. (Sam Jost)
Für den folgenden Vergleich habe ich eine Rose im Garten fotografiert, die sich stark im Wind bewegte. Um Verwackeln zu vermeiden, habe ich die Kamera auf ein stabiles Stativ gesetzt. Die Blüte bewegte sich natürlich weiterhin im Wind. Die 3 Bilder zeigen Ausschnitte aus einem 10x15 cm großen Abzug, sind somit keine Detailvergrößerungen:
Schon in dieser Größe ist zu sehen, wie die Schärfe abnimmt, je länger die Belichtungszeit wird. Ohne Vergleich würde das mittlere Foto in dieser Größe noch scharf wirken. Vergrößere ich die Bilder auf 45x30 cm, so ist die Unschärfe auch im mittleren Ausschnitt deutlich zu sehen:
Wie unscharf eine Bewegung auf dem Foto bei welcher Belichtungszeit wird, hängt vom Tempo der Bewegung ab und davon, wie nah an der Kamera sie stattfindet: Eine kriechende Schnecke hat weniger Bewegungsunschärfe als ein vorbeifahrendes Auto. Bei einer Blume, die sich direkt vor der Kamera befindet, ist Bewegung stärker sichtbar als bei einer Blume, die weit weg ist. Bei Pflanzen spielt auch der Wind eine Rolle: Bei Windstille bewegen sich die Blätter deutlich weniger als bei Sturm. Andererseits kommt dies nur dann zum Tragen, wenn die Drucke so groß sind, dass man solche Details überhaupt erkennen kann.
Man kann natürlich auch versuchen, die Bewegung zu verhindern. Der in New York recht bekannte Portraitfotograf Peter Hurley arbeitet aufgrund seiner Beleuchtung bei Portraits mit 1/60 s. Seine Kamera steht auf einem Stativ, und um Bewegungsunschärfe zu verhindern, ruft er ständig „So bleiben!“, „Stillhalten!“ oder Ähnliches. Zusätzlich macht er extrem viele Fotos, von denen dann direkt am Rechner die besten rausgesucht werden. Für mich wäre das nichts. Ich würde mich immer ärgern, wenn auf einem unscharfen Foto der Gesichtsausdruck perfekt ist. Peter Hurley arbeitet aber auch in erster Linie mit Schauspielern, die ihre Mimik gut beherrschen. Da ist es leicht, gute Gesichtsausdrücke zu wiederholen, wenn die Schärfe nicht stimmt.
Manchmal gibt es auch bei einfachen Kameras Tricks, um Bewegungsunschärfe zu vermeiden. Mein Handy beispielsweise ist der Meinung, dass ich dank seiner weitwinkligen Brennweite und des eingebauten Bildstabilisators 1/30 s locker aus der Hand halten kann. Personen, die sich bei solchen Belichtungszeiten bewegen, sind damit völlig unscharf. Um eine kürzere Belichtungszeit zu bekommen, stelle ich die ISO einfach auf den Maximalwert von 4.000, statt die Kamera per Automatik wählen zu lassen. Damit wählt die Kamera eine kürzere Belichtungszeit, und ich habe zwar mehr Bildrauschen, aber – und das ist mir wichtiger – weniger Bewegungsunschärfe.
Wasser wirkt bei kurzen Belichtungszeiten erstaunlich unruhig. Je länger Du es belichtest, desto weicher und ruhiger wird es:
Was für Wasser gilt, gilt genauso für Feuer: Flammen sehen bei kurzer Belichtungszeit sehr unruhig aus, bei langer Belichtungszeit verwischen sie:
Absichtliche Bewegungsunschärfe: Langzeitbelichtung
Leichte Bewegungsunschärfe in Fotos wirkt meist wie ein Fehler. Doch Bewegungsunschärfe kann auch interessant werden, wenn sie besonders stark hervorgehoben wird.
Die Idee hinter einer Langzeitbelichtung ist, die Kamera auf ein Stativ zu stellen und dann mehrere Sekunden lang zu belichten. Dies bietet sich beispielsweise an, um die Bewegung von Feuertöpfen bei einer Feuershow zu fotografieren:
Ebenfalls beliebt sind Langzeitbelichtungen bei Wasser. Bei 30 s Belichtungszeit sieht das Wasser auf dem folgenden Bild sehr weich aus. Achte aber auch auf den Hintergrund: Die Blätter haben sich trotz wenig Wind bewegt und sind unscharf.
Dieser Fototipp ist ein Auszug aus dem Buch "Scharfe Fotos" von Sam JostEin ganzes Buch nur über Schärfe! Der Autor Sam Jost zeigt verschiedene Möglichkeiten Schärfe zu verbessern. Er nennt die Faktoren, die sich negativ auf die Schärfe und damit auf die Bilddetails auswirken. Sam Jost erklärt in einfachen Worten verständlich, wie dieser die Verteilung von Schärfe und Unschärfe in einem Foto kontrolliert und wie man nicht Opfer der Technik wird, sondern selber entscheiden lernt, was scharf wird und was nicht. Auch Verfahren der Bildbearbeitung, um mehr Schärfe aus den Bildern zu holen, fehlen nicht. Das Buch ist erhältlich als E-Book (PDF und Kindle) sowie als gedrucktes Buch. mehr …