Rubrik: Grundlagenwissen
Zusammenspiel von Zeit und Blende verstehen
1999-11-01 Zeit und Blende sind das A und O der Fotografie, unabhängig davon, ob auf herkömmlichem Wege oder digital fotografiert wird. Genau wie bei einem Auto braucht man bei einer Fotokamera nicht die technische Arbeitsweise in allen Einzelheiten zu verstehen, um damit umgehen zu können. Um später jedoch eventuelle Bildfehler zu erkennen und künftig auszumerzen, sind jedoch einige Grundkenntnisse der Fototechnik hilfreich. Unsere einfache Visualisierung des Zusammenspiels zwischen Verschlusszeit und Blende soll dies vereinfachen. (Yvan Boeres)
Stellen Sie sich einen Eimer vor, den Sie mit Wasser bis an den
Rand füllen sollen. Das ist der CCD-Sensor Ihrer Digitalkamera, der
soviel Licht abbekommen soll, um ein korrekt belichtetes Bild zu
erzeugen. Dazu steht Ihnen ein Wasserhahn zur Verfügung (bitte
jetzt nicht die Digitalkamera unter Wasser setzen!). Je weiter Sie
den Wasserhahn aufdrehen, desto größer wird auch der Wasserstrahl.
Genauso ist es mit der Kamerablende: Die Blende ist eine variable
Öffnung, die je nach Größe der Öffnung mehr oder weniger Licht
auf das CCD-Element fallen lässt. Eine kleine Blende (kleines Loch)
lässt wenig Licht hinein, während eine große Blende (großes
Loch) viel Licht reinlässt. Die Blenden werden in logarithmischen
Einheiten angegeben und bewegen sich bei handelsüblichen
Kameraobjektiven zwischen 1,4 und 32. Genau hier passiert bei vielen
Leuten ein Denkfehler: Blende 1,4 ist zwar numerisch gesehen klein,
aber fotometrisch eine große Blende d. h. bei Blende 1,4 ist das
"Loch" weit geöffnet, bei Blende 32 ist die Lichtöffnung
sehr klein. Man kann übrigens die maximale Blendenöffnung bei
vielen Kameras an der Objektivfassung ablesen ("1:2,64"
z. B. bedeutet dann Blende 2,6 bei Weitwinkel und Blende 4 bei
Teleposition). Wenn Sie die Blende um einen Wert
"schließen", verdoppelt sich die Zahl (aus 2,8 wird 5,6).
Nun kann man auch den Wasserhahn nach einer gewissen Zeit
zudrehen. Bei einer Kamera nennt man dies die Verschlussgeschwindigkeit und wird in Hundertstel-Sekunden
angegeben. Wenn die Kamera zum Beispiel 1/250 anzeigt, bedeutet
dies, dass während dem Zweihundertfünfzigstel einer Sekunde Licht
von der CCD aufgenommen wird. Die meisten Digitalkameras erlauben
Zeiten von wenigstens 1/500stel bis zu 2 Sekunden.
Das große Geheimnis der Fotografie besteht darin, das ideale
Gleichgewicht zwischen Verschlusszeit und Blende zu finden. Genauso
beim Wasserhahn: Je nach Öffnung des Hahnes und der Zeit, die man
das Wasser laufen lässt, läuft der Eimer entweder über oder
bleibt unvollständig gefüllt. Ist die Blende zu weit geöffnet
und/oder die Verschlusszeit zu lang, gelangt zuviel Licht auf den
CCD-Sensor, man spricht von Überbelichtung (oberes Beispielfoto).
Umgekehrt kommt zuwenig Licht auf den Bildsensor, wenn die Blende zu
weit geschlossen ist und/oder die Verschlusszeit zu kurz ist; man
spricht von Unterbelichtung (unteres Beispielfoto). Nur wenn Blende
und Verschlusszeit ideal aufeinander und auf die zum
Aufnahmezeitpunkt herrschenden Lichtverhältnisse abgestimmt sind,
entsteht ein richtig belichtetes Bild (mittleres Beispielfoto). Bei
wenig Licht muss man die Blende weiter öffnen oder die Verschlusszeit verlängern. Bei reichlich Licht genügt eine kleine
Blende bzw. eine kurze Verschlusszeit. Welche andere Auswirkungen
Blende und Verschlusszeit auf das Bild haben, erfahren Sie in den
nächsten Tipps der Woche.