Speicherkarten
AgfaPhoto will A-Marke im Flash-Markt platzieren
2004-12-10 Die am 1. November 2004 gestartete AgfaPhoto GmbH, Leverkusen, meldet in ganzseitigen Anzeigen unter der Headline "Agfa präsentiert den digitalen Film" die Einführung der "neuen Agfa Speicherkarten". Damit will die 137 Jahre alte Traditionsmarke Agfa – nun nach Leverkusen zurückgekehrt – ihr noch immer bestehendes Film- und Foto-Image ins digitale Zeitalter fortpflanzen. Die neuen Speichermedien indes sind nicht "Made in Germany", sie stammen aus fernöstlichen Produktionen von Toshiba, Tokyo/Japan, Samsung, Seoul/Korea, und mit diesen kooperierenden Assemblierern. (Jan-Gert Hagemeyer)
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Nach dem so genannten Management Buy Out (MBO) des defizitären
CI-Bereichs der Agfa-Gevaert AG, Mortsel/Belgien, zum Preis von 175,5
Millionen Euro an die Münchener Kapitalgesellschaft Nanno
Beteiligungsholding GmbH (55 %), die Abrams Capital und Highfields Capital
Management, beide in Boston/USA ansässig (je 10 %), und an acht Mitglieder
aus dem neuen Management der AgfaPhoto GmbH, Leverkusen, (zusammen 25 %)
will das Unternehmen an den noch nicht verblichenen Glanz der
"Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikationen" (kurz Agfa) anschließen. Zwar
hat die neu gegründete Holding das gesamte Vermögen und Geschäft in den
Bereichen Filme, analoge und digitale Laborgeräte für die Bereiche Handel
und Großfinishing, die Internet-Fotoservices sowie Fotopapiere und
-chemikalien aus dem Agfa-Gevaert-Portfolio komplett übernommen und vor
allem auch die Marke "Agfa" per Lizenzvertrag für einen begrenzten Zeitraum
zur Nutzung erhalten, dennoch will die neue Mannschaft unter der Führung des
alten Sparten- und neuen Firmenchefs Eddie Rottie ihre neue
Handlungsfreiheit nutzen, um besonders im wachsenden Digital-Imaging-Markt
aufzuholen. "Derzeit denken wir über alles nach", so Wolfgang
Göddertz,
Deutschland-Marketingmanager für das Gesamt-Programm bei AgfaPhoto. Selbst
die Rückkehr zu einer digitalen Kamera-Marke unter dem Label "Agfa" etwa im
Mittelfeld des Consumerbereichs hält er "für möglich". Tatsächlich hatte die
Agfa-Gevaert AG bis zum Jahr 2001 etliche Digitalkamera-Modelle unter der
Bezeichnung "Agfa ePhoto" im Programm, diese Produktlinie dann jedoch
insgesamt stillschweigend auslaufen lassen.
Zunächst trumpft der Agfa-Urenkel jedoch mit einem umfassenden Sortiment
für den (auch) nach AgfaPhoto-Einschätzung "stark wachsenden Markt der
Speicherkarten" auf. Dazu gehören CompactFlash Cards von 128 bis 512 MBytes,
Secure Digital Cards bis 1 GByte Speicherkapazität, Smart Media Cards mit
128 MBytes, Multimedia Cards mit 128 MByte, und sogar Memory Sticks und USB
Sticks befinden sich im AgfaPhoto-Portfolio. Die Ziele hat Markus Ludwig,
zuständig für das weltweite Marketing von Speichermedien bei AgfaPhoto,
dabei fest im Visier: "Wir wollen eine A-Marke im Digital-Imaging-Bereich
werden, so wie wir es bei Film sind." Diese A-Qualität will der Leverkusener
Imaging-Konzern nicht etwa in Leverkusen, der Stätte der alten
Anilinfabrikation, selbst entwickeln oder fertigen. Die nunmehr ausgelobten
"neuen Agfa Speicherkarten" stammen vielmehr vorwiegend aus der Produktion
von NAND Flashchips von Toshiba in Japan und von Samsung in Südkorea. Die
beiden Technologieführer auf diesem Flashkarten-Sektor sind ohnehin durch
Lizenzabkommen mit einander liiert, so dass die nach Art des Hauses
AgfaPhoto ganz im Lifestyle gelabelten Speichermedien auch über beiderlei
Technologie verfügen, nämlich SLC (Single Level Cell, von Samsung
ausschließlich und von Toshiba auch produziert) und MLC (Multi Level Cell,
ausschließlich von Toshiba gefertigt). Dieses zuweilen unter Experten aus
der Flash-Szene heftig diskutierte Unterscheidungsmerkmal von Speicherkarten
(über das die Verbraucher bisher übrigens durch keinerlei Hinweis auf den
Karten selbst aufgeklärt werden) hat durchaus Auswirkungen auf
Geschwindigkeit, Stromverbrauch, Sicherheit und Lebensdauer der
Speichermedien. Das sieht man bei AgfaPhoto allerdings sehr gelassen:
Marketingmanager Markus Ludwig findet den Expertenstreit über die etwa
zehnfach höhere Zahl von möglichen Schreib-/Lesezyklen einer SLC- gegenüber
einer MLC-Karte bis zum Fallout ebenso irrelevant wie den "Vergleich einer
35-jährigen mit einer 350-jährigen Lebensdauer" des Speichermediums.
Auf jeden Fall will AgfaPhoto mit seiner Marktphilosophie bei
Speicherkarten in Kürze etwa 10 bis 20 Prozent Umsatz seines Filmgeschäfts
erreichen, und "wir wollen im Jahr 2005 schwarze Zahlen schreiben," so
Wolfgang Göddertz. Zu diesem Zweck hat das mit etwa 2.860 Beschäftigten in 27
Ländern und einem Umsatz von 870 Millionen Euro gestartete Unternehmen
bereits so genannte Overheadkosten minimiert, worunter vor allem die
Personalstraffung zu verstehen ist. Bei der Preisgestaltung will sich das in
Leverkusen registrierte, jedoch vorwiegend im Kölner Mediapark neben dem
Cinedom operierende AgfaPhoto-Management an den Marktführern im A-Bereich
orientieren (worunter vor allem wohl SanDisk und Lexar zu verstehen sein
dürften). Dafür hat die Essener Werbeagentur at sales communication, die u.
a. auch in der Verkaufsförderung für Coca Cola und Goodyear tätig ist, den
Leverkusenern für ihren digitalen Film einen munteren Medienauftritt unter
dem Slogan "Bilder, die glücklich machen" gestaltet. Insgesamt sollen die
neuen Agfa-Speicherkarten nach dem angestammten Allkanal-Prinzip der Film-
und Fotokaufleute auf den drei eingefahrenen Vertriebsschienen aus dem
Agfa-Erbe vermarktet werden: über den Fotofachhandel in Deutschland und
weltweit, die großen Discounter und den IT-Fachhandel. Den weltweiten
Fotofachhandel und Discount übernimmt das AgfaPhoto-Marketing selbst, für
den IT-Fachhandel hat sich das Unternehmen hingegen als Distributionspartner
die Kölner Ditcon IT Consulting GmbH an Land gezogen, deren Geschäftsführer
Kay-Uwe Fischer und Martin Sudermann jeweils über eigene Agfa- bzw.
Fujifilm-Erfahrungen verfügen, ansonsten aber überwiegend als Computer- und
Netzwerkberater tätig sind.
Und auch gegen den in diesem Wachstumsmarkt denkwürdiger Weise
herrschenden Preisverfall glaubt die junge Firma auf alten Wurzeln gegenüber
ihren Lieferanten gefeit zu sein. Zwar macht das AgfaPhoto-Management über
etwaige Lagerrisiko-Verträge mit seinen fernöstlichen Lieferanten
grundsätzlich keinerlei Angaben, gegenüber seinen Verkaufspartnern am Markt
will es jedoch Preisanpassungen bereitwillig weitergeben. Markus Ludwig zu
dem brisanten Thema des Lagerrisikoausgleichs (bei sinkenden Verkaufpreisen)
für den Handel: "Diese Sache wird nicht so heiß gegessen wie gekocht."