Spiegellose Vollformatobjektive
Canon RF 85, 100-500, 600 und 800 mm sowie Telekonverter vorgestellt
2020-07-09 Mit dem RF 85 mm F2 Macro IS STM, RF 100-500 mm F4.5-7.1 L IS USM, RF 600 mm F11 IS STM und RF 800 mm F11 IS STM präsentiert Canon gleich vier Objektive für das spiegellose EOS-R-System. Hinzu kommen zwei Telekonverter, die sich mit dem 100-500, 600 und 800 mm kombinieren lassen. Mit den Objektiven verlässt Canon, wie schon so oft im R-System, die ausgetretenen Pfade üblicher DSLR-Objektive und nutzt die neuen technischen Möglichkeiten spiegelloser Systemkameras. (Benjamin Kirchheim)
Ein großer Vorteil der spiegellosen Systemkameras ist ihr lichtstarker Autofokus, der im Gegensatz zu einer DSLR das volle Licht nutzen kann, das durch das Objektiv gelangt. Konkret bedeutet dies, dass selbst die mit F11 recht lichtschwachen Teleobjektive problemlos automatisch fokussieren – sogar mit 2-fach-Telekonverter (F22!) noch, wie wir bereits in einem nicht gerade hellen Foyer eines Hotels ausprobieren konnten. Auch wer ob der Lichtstärken skeptisch ist, sollte weiterlesen, denn Canon hat sich bei allen Objektiven Gedanken gemacht, nützliche Werkzeuge für verschiedene Anwendungen zu kreieren.
Das Canon RF 85 mm F2 Macro IS STM ist nicht nur ein leistbares Porträtobjektiv, sondern nimmt auch Makros bis zu einem Abbildungsmaßstab von 1:2 auf. [Foto: Canon]
Das Canon RF 85 mm F2 Macro IS STM bietet einen Bildstabilisator und einen Fokusbegrenzer. [Foto: Canon]
Starten wir mit dem RF 85 mm F2 Macro IS STM. Hier kombiniert Canon ein Porträttele mit einem Makroobjektiv und erschließt damit gleich zwei Motivwelten (genaugenommen drei, denn "normale" Teleaufnahmen sind damit natürlich auch möglich. Bei heutigen optischen Rechnungen gilt nämlich die alte Weisheit, dass ein Objektiv entweder knackscharf ist oder ein schönes Bokeh hat, nicht mehr. Dadurch konnte Canon die Anwendungen Porträt mit hoher Lichtstärke und Freistelleffekt mit schönem Bokeh sowie knackscharfe Makrofotografie in diesem einen Objektiv vereinen. Die einzige Einschränkung ist der Abbildungsmaßstab, der nicht wie heute üblich 1:1 beträgt, sondern "nur" 1:2. Damit lassen sich als maximal 72x48 mm kleine Motive formatfüllend abbilden. Der Aufnahmeabstand (ab Frontlinse) beträgt dabei 21 Zentimeter, die Naheinstellgrenze liegt bei 35 Zentimetern ab Bildsensor.
Der optische Aufbau des Porträtmakros setzt sich aus zwölf Linsen zusammen, die in elf Gruppen angeordnet sind. Für eine gleichmäßige, nahezu runde Blendenöffnung kommen neun Lamellen zum Einsatz, die sich auf bis zu F29 abblenden lassen. Der Autofokus wird von einem leisen Schrittmotor (STM) angetrieben, so dass sich das Objektiv auch für Videoaufnahmen eignet. Der verbaute optische Bildstabilisator soll fünf Blendenstufen längere Belichtungszeiten ermöglichen, zusammen mit dem Sensor-Shift-Bildstabilisator der EOS R5 und R6 soll es sogar acht Blendenstufen sein. Mit einer Länge von gut neun Zentimetern und einem Gewicht von 500 Gramm ist das Objektiv zudem recht kompakt und leicht. Auch der Preis hält sich im leistbaren Rahmen, ein bisschen Zeit zum Sparen und für Vorfreude bleibt außerdem: Ab Oktober 2020 soll das Canon RF 85 mm F2 Macro IS STM zu einem Preis von knapp 690 Euro erhältlich sein.
Bei gleicher Größe wie ein 100-400 mm bietet das Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM 100 Millimeter mehr Brennweite und ist bei 400 mm nur 1/4 Blende lichtschwächer. [Foto: Canon]
Die Stativschelle des Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM lässt sich abnehmen. [Foto: Canon]
Das Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1 L IS USM ist ebenfalls ein Objektiv, das es so bisher noch nicht gab. Es mag, vor allem am Teleende, etwas lichtschwach erscheinen, aber das ist sozusagen auch beabsichtigt. Ziel war es nämlich, ein Objektiv in der Größe eines 100-400mm zu bauen, das 100 Millimeter mehr Telebrennweite bietet. Zudem liegt die Lichtstärke bei 400 mm nur um 1/4 Blendenstufe unterhalb von F5,6, also ungefähr bei F5,8-5,9. Sogar an eine abnehmbare Stativschelle hat Canon gedacht und es gehört zur L-Serie mit der typischen hellgrauen Lackierung gegen Aufheizen in hellem Sonnenlicht. Anders, als es die Lichtstärke vermuten lässt, ist das Objektiv alles andere als billig, es kostet sogar deutlich mehr als alle drei Festbrennweiten zusammen, die wir in dieser Newsmeldung vorstellen.
Der aufwändige optische Aufbau setzt sich aus 20 Linsen zusammen, die in 14 Gruppen angeordnet sind. Auch hier besteht die Blende aus neun Lamellen für eine gleichmäßige, nahezu runde Öffnung. Abblenden lässt sich das Objektiv auf bis zu F54. Beim Autofokus kommen zwei Nano-USM-Antriebe zum Einsatz, einer davon bewegt das Floating-Ausgleichselement, damit das Objektiv schnell fokussiert und auch bei der Naheinstellgrenze eine hohe optische Leistung behält. Der minimale Fokusabstand beträgt 90 Zentimeter bei kürzester und 120 Zentimeter bei längster Brennweite. Letzteres erlaubt einen maximalen Abbildungsmaßstab von 1:3.
Sehr aufwändig ist auch der Spritzwasser- und Staubschutz, da das Objektiv beim Zoomen den Tubus ausfährt. Hier kommen Luftkanäle mit Staubfiltern und Ventilen zum Einsatz, damit kein Staub ins Innere gelangt. Die Frontlinse ist zudem mit einer Fluorbeschichtung gegen die Anhaftung von Verschmutzungen versehen. Das 20,8 Zentimeter lange Objektiv besitzt ein 77mm-Filtergewinde und bringt stolze 1,525 Kilogramm auf die Waage. Auch ein optischer Bildstabilisator fehlt nicht, er erlaubt bis zu fünf Blendenstufen längere Belichtungszeiten. In Kombination mit dem Sensor-Shift-Bildstabilisator der EOS R5 und R6 sind sechs Blendenstufen längere Belichtungszeiten möglich. Ab September 2020 soll das Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1 L IS USM zu einem Preis von knapp 3.100 Euro erhältlich sein.
Im Packmaß ist das Canon RF 600 mm F11 IS STM relativ kompakt. Die Blende ist fest und nicht sehr lichtstark, dafür ist das Objektiv auch nicht so teuer. Für den Autofokus ist die kleine Blende kein Problem. [Foto: Canon]
Auch das Canon RF 800 mm F11 IS STM fällt relativ kompakt aus und bleibt preislich unter der 1.000-Euro-Marke. Zum Fotografieren muss es wie das 600er ausgefahren werden. [Foto: Canon]
Das Canon RF 600 mm F11 IS STM und RF 800 mm F11 IS STM sind sicher die beiden ungewöhnlichsten Objektive dieser Ankündigungswelle. Man mag sich fragen, was Canon sich bei der Lichtstärke gedacht hat, zumal es sich um feste Blenden handelt. Die Idee dahinter ist, dass sich nicht jeder große, schwere, lichtstarke Supertele-Festbrennweiten wie etwa ein 600 mm F4 leisten kann, es aber viele Einsatzbereiche gibt, bei denen eine geringere Lichtstärke reicht. Canon denkt hier etwa an sogenannte Planespotter (Flugzeugfotografen), Aufnahmen im Zoo oder bei Safaris oder auch Tierfotografie in heimischer freier Wildbahn.
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