Formel 1 einmal anders
CompactFlash-Speicherkarten im Geschwindigkeits-Rennen
2000-08-19 Der Hersteller Lexar hat seine CompactFlash-Speicherkarten intern USB-fähig gemacht und verspricht eine deutlich schnellere Schreib-/Leserate als bei herkömmlichen CompactFlash-Speicherkarten. Mit Hilfe seines neuen Distributors Jobo Labortechnik will Lexar in den kommenden Monaten seinen Marktanteil in Europa deutlich erhöhen und fällt derzeit durch aggressive Zeitschriftenwerbung auf. Im digitalkamera.de-Praxistest mußten die Lexar 4-fach und 8-fach CompactFlash-Karten ihre Performance deshalb jetzt unter Beweis stellen. (Yvan Boeres, Jan-Markus Rupprecht)
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Derzeit hat Lexar Media drei Varianten seiner als "Digital
Film" getauften USB-fähigen CompactFlash-Speicherkarten im
Angebot: entweder mit 4-facher, 8-facher oder sogar 10-facher
Geschwindigkeit und dies in Kapazitäten bis 128 MByte. Diese
Geschwindigkeitsfaktoren sind dabei ein eher theoretischer Wert und
beruhen auf der Transferrate der jeweiligen Karte, bezogen auf einen
Wert von 150 KByte pro Sekunde. Dieser Bezugswert stammt
darüber gibt es widersprüchliche Aussagen entweder aus den
Grundspezifikationen der Anfangszeit der CompactFlash-Technik oder ist
von der ursprünglichen Datenübertragungsrate der CompactDisk
übernommen, auf die sich auch die Geschwindigkeitsangaben heutiger
CD-ROM-Laufwerke beziehen. Eine mögliche Irreführung der Verbraucher
könnte darin zu sehen sein, daß es CompactFlash-Karten mit einer so
niedrigen Übertragungsrate von 150 KByte/s gar nicht gibt und
vermutlich auch nie gegeben hat. Auch andere Hersteller, wie
beispielsweise Hauptkonkurrent und "Immernoch-Marktführer"
SanDisk, haben in der Zwischenzeit nicht geschlafen und bauen ebenfalls
schnelle Speicher- und Controller-Chips in ihre aktuellen
CompactFlash-Karten ein. Deshalb darf man nicht erwarten, mit Lexar
CF-Speicherkarten eine Geschwindigkeitssteigerung um den Faktor 4 bis
10 gegenüber anderen CompactFlash-Karten zu erzielen. Wie groß ein
eventueller Geschwindigkeitsunterschied in der Praxis ausfällt, hat
die digitalkamera.de-Redaktion deshalb getestet.
Da es uns vorrangig um eine Einschätzung der Lexar-Karten ging und
nicht um eine Geschwindigkeitsübersicht sämtlicher
CompactFlash-Karten, haben wir die Karten von Lexar mit denen des
Herstellers SanDisk verglichen, die einen sehr guten Ruf in der Branche
genießen, zumal SanDisk die CompactFlash-Spezifikation entwickelt hat
und Inhaber der Marke "CompactFlash" ist. SanDisk fertigt
auch die CompactFlash-Speicherkarten für etliche namhafte
Digitalkamera-Hersteller, unter anderem Kodak und Nikon.
An den Start gingen deshalb eine Kodak-Karte aus einer aktuellen
Lieferung sowie eine nagelneue SanDisk-Karte, die uns der Hersteller
sprichwörtlich in letzter Minute zur Verfügung gestellt hat. Diese
Karte repräsentiert den letzten Stand bei SanDisk und ist ausgerüstet
mit neuester Controller-Technologie (interne Bezeichnung: Sparta-II).
Im Gegensatz zu dem sonst im Endkundengeschäft verwendeten schicken,
roten Aufkleber der SanDisk-Karten in Verkaufsverpackung, trug diese
Karte den heute nur noch im Großkunden- und Industrie-Geschäft
verwendeten weißen Aufkleber und erreichte uns ohne Umverpackung.
Gegen diese beiden Karten aus SanDisk-Produktion traten eine 4-fach und
eine 8-fach CF-Speicherkarte von Lexar Media an. Um kapazitätsbedingte
Geschwindigkeitsunterschiede auszuschließen, besaßen alle getesteten
Karten eine Speicherkapazität von 32 MByte.
Nicht ausführlich getestet haben wir die Datenübertragungszeiten
von der Speicherkarte zum PC. Aufgrund der Tatsache, daß keine
Rechnerkonfiguration gleich ist (CPU-Geschwindigkeit, Arbeitsspeicher,
Cache-Verfahren des jeweiligen Betriebssystems, unterschiedliche
Treiber/Schnittstellen und unterschiedlich schneller Kartenlesegeräte)
sahen wir keinen Sinn, irgendwelche "Anhaltswerte" zu
ermitteln, die sonst niemand in der Praxis nachvollziehen kann. Anstatt
die Karten also auf ihre genaue Schreib-/Lese-Rate bei der Übertragung
vom oder zum PC zu untersuchen, haben wir versucht Werte zu ermitteln,
denen in der Praxis eine weit größere Bedeutung zufällt. Während
das Auslesen der Karten am heimischen PC selten unter Zeitdruck
stattfindet erschien es uns viel interessanter zu erfahren, wie sich
der Geschwindigkeitsvorteil im alltäglichen Gebrauch mit
Digitalkameras bemerkbar macht. Deshalb haben wir die einzelnen
Kontrahenten jeweils mit zwei aktuellen 3,34-Megapixel-Digitalkameras
und eine Digitalkamera der "älteren"
2,1-Megapixel-Generation getestet.
Zum Einsatz kamen die Epson PhotoPC 3000Z, die Nikon
Coolpix 990 und die Nikon Coolpix 950. Dies ist beileibe
keine willkürliche Wahl: Laut einem Bericht
von unserem amerikanischen Kollegen Steve Sanders wird der
Geschwindigkeitsvorteil der USB-fähigen Lexar
CompactFlash-Speicherkarten nur dann ausgereizt, wenn ein
entsprechender Micro-Code in der kamerainternen Firmware aktiviert ist.
Kameras, die angeblich diesen Code besitzen, sind u. a. die Nikon
Coolpix 990 und die Epson PhotoPC 3000Z. Ermittelt wurde die
Zeit, die unmittelbar nach dem Auslösen vergeht, bis die Kamera wieder
für die nächste Aufnahme bereit ist. Diese Zeitspanne beinhaltet zwar
auch die Zeit, die die Kamera benötigt, um die Bilder intern zu
verarbeiten, ist schlußendlich aber genau der Wert, auf den es in der
Praxis ankommt und wir glauben, das der Digitalkamerabesitzer damit
mehr anfangen kann als mit nackten Schreib-/Lese-Raten.
Es wurden Testreihen mit jeweils vier Aufnahmen gemacht; einmal
JPEG-komprimierte Einzelbilder in Höchstauflösung mit geringster
Kompression, einmal als JPEG-komprimierte Serienbilder (ebenfalls in
Höchstauflösung), ein weiteres Mal als unkomprimierte TIFF-Bilder in
Höchstauflösung und schließlich als Videosequenz im jeweils von der
Kamera vorgegebenen Aufnahmeformat. Da die Nikon Coolpix 950 keine
Videosequenzen aufnehmen kann, haben wir bei dieser Kamera lediglich
die Zeiten mit Standbildern gemessen.
Nun zu den heißersehnten Resultaten. Kurz gesagt: die Lexar
USB-fähigen Speicherkarten gehen als klarer Gewinner aus dem Rennen
hervor, wenn auch natürlich nicht mit so großem Abstand wie die
Typenbezeichnung suggeriert. Ein bißchen enttäuscht waren wir von der
neuen SanDisk-Speicherkarte, in der wir eine echte Konkurrenz für die
Lexar-Speicherkarten vermutet hatten. Die SanDisk-Neuheit war aber
lediglich 4 bis maximal 27 Prozent schneller als die vermutlich eine
Generation ältere Kodak/SanDisk-Speicherkarte. Mit den Karten von
Lexar kann die neue SanDisk es aber nicht aufnehmen.
Bei den JPEG-Einzelbildern konnte zwischen den verschiedenen
Kontrahenten kaum ein Geschwindigkeitsvorteil ausgemacht werden. Die
Verarbeitungs- und Speicherungszeiten der Bilder sind in der Praxis so
kurz, daß dem Benutzer kaum ein Unterschied zwischen den verschiedenen
Karten auffällt. Wer vorwiegend Einzelbilder im JPEG-Format aufnimmt
(was für 90 % der Digitalkamera-Benutzer zutreffen dürfte),
braucht sich über die Geschwindigkeit seiner CompactFlash-Karte also
eigentlich keine Gedanken zu machen. Interessanter wird es da bei
unkomprimierten TIFF-Bildern: Mit den 4-fach-Karten von Lexar kommt die
Epson PhotoPC auf durchschnittlich 26 Sekunden, die Nikon
Coolpix 990 auf knappe 28 Sekunden. Das ist etwa 1,86 mal bis 1,95
mal (also fast doppelt so schnell) wie bei einer
"gewöhnlichen" CF-Karte von Kodak. Bei den Videosequenzen
ermittelten wir mit der Epson PhotoPC 3000Z im Durchschnitt etwa
11 Sekunden; bei der Coolpix 990 muß man knapp 19 Sekunden warten
bis die Kamera den Speicher wieder für neue Videoaufnahmen freigibt.
Das ist immerhin 2,3 bis 2,6 mal schneller als mit der Kodak-Karte.
Viel schneller als die 4-fach CF-Karte von Lexar ist die
8-fach-Variante nicht: Bei TIFF-Einzelbildern waren die getesteten
Kameras 1,23 (Nikon Coolpix 950) bzw. 2,04 mal (Nikon
Coolpix 990) bis 2,08 mal schneller als die Kodak-Karte. Bei den
Videoaufnahmen kam mit der Coolpix 990 ein Geschwindigkeitsfaktor
von 3,13 mal; bei der Epson PhotoPC 3000Z von 2,7 mal zustande.
Auf den geringen Geschwindigkeitsunterschied zwischen den 8-fach- und
den 4-fach-Karten von Lexar angesprochen, sagte uns Hans-Christoph
Kaiser, bei Jobo Labortechnik für die Lexar Produktlinie
verantwortlich: "Heutige Digitalkameras sind nicht in der Lage,
die 8-fach-Karten in maximal möglicher Geschwindigkeit zu beschreiben.
Die Karten besitzen bereits eine Geschwindigkeitsreseve für
zukünftige Digitalkamera-Generationen."
Daß die Zeiten bei der Nikon Coolpix 950 für praktisch alle
Karten gleich bleiben, könnte entweder die Aussage von Steve Sanders
über den aktivierten Micro-Code bestätigen oder die Aussage von
Hans-Christoph Kaiser unterstützen. Womöglich ist diese bereits seit
einem Jahr angebotene Kamera beim Beschreiben der Speicherkarte so
langsam, daß selbst die 4x-Lexar nicht ausgereizt wird und keine
Vorteile gegenüber anderen CompactFlash-Karten bietet. Mit der Kodak-,
der SanDisk- und der Lexar-4x-Karte liegen die Zeiten bei knapp 12
Sekunden; lediglich die Lexar-8x-Karte erzielte einen Mittelwert von
knapp 9,5 Sekunden. Interessant ist auch die Feststellung, daß bei der
Nikon Coolpix 950 in Verbindung mit den Lexar-Speicherkarten ein
Bild mehr (33 anstatt 32 Bilder) als bei den Kodak- und SanDisk-Karten
"herausgekitzelt" werden konnte.
Noch eine Klarstellung zur USB-Fähigkeit der Lexar-Karten: Der
Geschwindigkeitsvorteil der Speicherkarten von Lexar hat nichts mit
ihrer USB-Fähigkeit zu tun, und das derzeit noch kostenlos
mitgelieferte "Jump Shot"-Kabel ist zusammen mit einer
Lexar-Karte auch nicht prinzipiell schneller als dieselbe Lexar-Karte
(oder die Karte eines anderen Herstellers) in einem anderen
USB-Lesegerät. Der von Lexar in der Werbung gelegentlich angegebene
Geschwindigkeitsvorteil bei der Übertragung in den PC vergleicht die
Übertragungsrate per USB mit einer seriellen Datenübertragung, hier
geht es also um Computer-Grundlagen und nicht um Lexar-spezifische
Produktvorteile. Der Vorteil der USB-Fähigkeit liegt nach Aussage von
Hans-Christoph Kaiser ausschließlich in der preisgünstigeren
Fertigung des Jump-Shot-Kabels im Vergleich zu "vollwertigen"
USB-Lesegeräten. Da CompactFlash-Karten ohnehin einen
leistungsfähigen Controller enthalten, hat Lexar diesem zusätzlich
die USB-Software mit aufgespielt und die Speicherkarte dadurch "USB-fähig"
gemacht. Für das Jump-Shot-Kabel genügt dadurch tatsächlich einfach
ein Kabel mit einer Steckverbindung für die Karte und einem
USB-Stecker für den PC. Eigene "Intelligenz" in Form von
Elektronik ist im Jump-Shot-Kabel nicht enthalten, weshalb es billiger
produziert werden kann, aber nicht mit CompactFlash-Karten anderer
Hersteller funktioniert. Das bei den Lexar-Karten momentan noch
kostenlos mitgelieferte Jump-Shot-Kabel soll nach der Photokina separat
für rund 30 DM verkauft werden. Ein vollwertiges USB-Lesegerät
gibt es von verschiedenen Herstellern ab etwa 130 DM.
Notebook-Besitzern empfiehlt sich weiterhin die Verwendung eines (noch
wesentlich preisgünstigeren) PC-Card-Adapters, der lediglich die
40-polige CompactFlash-Schnittstelle auf die 50-polige
PC-Card-Schnittstelle adaptiert und sonst keinerlei Elektronik
enthält. Da auf diesem Weg die volle Geschwindigkeit des
PC-Card-Steckplatzes (bzw. der CompactFlash-Karte) genutzt werden kann,
ist diese Lösung in Puncto Schreib-/Lesegeschwindigkeit praktisch
unschlagbar.
Fazit: Digitalkameras, die in der Lage sind, die
CompactFlash-Speicherkarte entsprechend schnell mit Daten zu beliefern
(was für die meisten aktuellen Digitalkamera-Modelle der
3,34-Megapixel-Generation gelten müßte), können den vollen
Geschwindigkeitsvorteil der CompactFlash-Speicherkarten von Lexar
ausnutzen. Wer allerdings seine Bilder im Einzelbild-Modus schießt und
auf die JPEG-Kompression zurückgreift, wird diesen Vorteil in der
Praxis kaum spüren. Erst bei Serienbildern, unkomprimierten
TIFF-Bildern oder Videosequenzen macht sich der Unterschied deutlich
bemerkbar; die Dateien werden unter Umständen zwei bis zweieinhalb mal
so schnell gespeichert wie mit den konventionellen Speicherkarten der
Konkurrenz. Besonders zu empfehlen sind derzeit die 4x-Speicherkarten
von Lexar; die 8x-Speicherkarten sind mit heutigen Kameras nur
geringfügig schneller, dafür aber teurer. Bei den gewöhnlichen
CompactFlash-Speicherkarten ohne integrierten USB-Controller liegt die
neue SanDisk-Controller-Technologie hinter den Erwartungen zurück; sie
ist nur geringfügig schneller als die SanDisk-CF-Speicherkarten der
"alten" Generation. Da die neuen SanDisk-CF-Speicherkarten
ohnehin nicht deutlich als solche gekennzeichnet sind, wird es für den
Kunden ohnehin schwer sein zu erkennen, welchen Entwicklungsstand er
vor sich hat.