EBV-Softwaremarkt
Corel schluckt Jasc
2004-10-26 Die kanadische Software-Schmiede Corel Corporation (u. a. WordPerfect und CorelDRAW Graphics Suite) mit Sitz in Ottawa hat kürzlich die Übernahme des in Minneapolis/USA ansässigen Mitbewerbers Jasc Software (Entwickler der Paint Shop-Programmfamilie) angekündigt. Die bis Ende Oktober dieses Jahres geplante Verschmelzung der beiden Office- und Imaging-Softwareanbieter soll zunächst keine grundlegenden Veränderungen der EBV-Software-Pakete Photo-Paint (von Corel) und PaintShop Pro (von Jasc) einleiten. Vielmehr vermuten Insider in dem von der US-Finanzgruppe Vector Capital (die im vergangenen Jahr bereits die Corel Corporation übernommen hatte) gesteuerten Aufkauf eine beabsichtigte Stärkung der Wettbewerbsposition gegenüber Microsoft und Adobe. (Jan-Gert Hagemeyer)
Die Übernahme des weltweit erfolgreich operierenden und mehrfach
ausgezeichneten Softwareentwicklers Jasc durch Corel hat die gesamte Branche
etwas überrascht, erscheint aber vor dem wachsenden Markt für digitale
Kameras und dem damit einhergehenden Marktpotential bei digitaler
Bildbearbeitungssoftware (EBV) erklärlich. Nach Einschätzung von
US-Venturekapitalexperten wird nämlich das weltweite, zahlenmäßige Wachstum
bei Consumer-Digitalkameras in den kommenden Jahren auf 20 Prozent per annum
geschätzt. Für das Jahr 2008 wird daher mit Verkäufen von über 100 Millionen
Einheiten (2003: 45 Millionen) gerechnet. Parallel dazu ist auch die
Verbreitung von zusätzlich verkaufter Software für die Verwaltung und
Verarbeitung von digital aufgenommenen Fotos schon jetzt ein interessanter
Markt geworden; eine kürzlich durchgeführte Marktanalyse ergab, dass etwa 55
Prozent aller Digitalkamera-Besitzer auch EBV-Software verwenden.
Mit der Übernahme von Jasc Software weitet der fusionierte Konzern seine
Verkaufsstellen auf 75 Länder und mehr als 5.000 Wiederverkäufer aus und
rechnet mit einem Kundenpotential von mehr als 60 Millionen Käufern aus den
bisher getrennt bedienten Käuferzielgruppen weltweit. Die Corel Corporation
war erst im August 2003 von der in San Francisco/USA beheimateten
Venture-Kapitalgruppe Vector Capital übernommen worden; in ihrem etwa 500
Millionen US-Dollar umfassenden Portfolio befinden sich Software-,
IT-Service- und andere IT-Beteiligungen, neben Corel u. a. auch Masimo, Niku,
Phoenix Wireless, Real Networks, Uunet oder Visto. Corel selbst hatte Ende
2001 bereits den Konkurrenten Micrografx übernommen und dessen EBV-Programme
Designer und Picture Publisher zunächst weiter geführt und dann
stillschweigend vom Markt verschwinden lassen. Die Konzernspitze von Corel
kündigte nunmehr an, das eigene Programm Photo-Paint als integrierten
Bestandteil der (vektororientierten) CorelDRAW Graphics Suite weiter
bestehen zu lassen und zu entwickeln, während Jascs (bisher rein
windowsbasiertes) Paint Shop Pro (mit den Zusatzmodulen
Paint Shop Pro Studio und Paint Shop Photo Album) als eigenständige
EBV-Programme beibehalten werden sollen. Das bestätigt auch Elke Steiner,
Deutschlandchefin von Corel in Unterschleißheim, gegenüber digitalkamera.de:
"Corel Photo-Paint ist ein integrierter Teil der CorelDRAW Graphics Suite
und eines der tragenden Anwendungen der Suite. Es ist kein eigenständiges
Produkt. Mit der Paint Shop-Produktfamilie in unserem Produktportfolio
können unsere Kunden jetzt auch auf eigenständige Foto- und
Bildbearbeitungs-Programme zugreifen. Zu diesem Zeitpunkt ist es daher nicht
geplant, Corel Photo-Paint gegen Paint Shop Pro auszutauschen. Corel wird
die Paint Shop-Familie weiterhin als Stand-Alone-Produkt vermarkten." Ferner
kündigte die Konzernspitze in Ottawa OEM Bundling-Partnerschaften mit
einigen bedeutenden Hardwareanbietern an, so mit Dell und Wacom. Amish Mehta,
alter und neuer CEO von Corel, kommentierte die Jasc-Übernahme als weitere
Wachstumsstrategie: "Diese Akquisition zeigt, dass wir weiter auf die
wachsende Breite unserer Produktfamilie fokussiert sind", so der Corel-Chef,
"um den breiten, wachsenden Markt der qualitätsbewussten Verbraucher und
Geschäftswelt zu bedienen".