Elegische Fotografie im Informationszeitalter
Das Subjektiv von Monochrom by Novoflex im Detail
2008-11-08 Geschwindigkeit ist eine der "Tugenden", auf die fast jeder in der digitalen Fotografie achtet. Dafür werden AF-Geschwindigkeiten verbessert, die Serienbildfrequenzen erhöht und Speicherzeiten verkürzt. Dass es auch anders geht, das zeigt Monochrom mit dem Subjektiv, einem optischen System, welches es sich zum Ziel gemacht hat, bewusst Linsenfehler zur Bildgestaltung zu benutzen. Ob das dem Subjektiv gelingt, soll unser kleiner Praxistest zeigen. (Harm-Diercks Gronewold)
Objektivhersteller gehen überwiegend den Weg, dass Linsenfehler möglichst minimiert werden, Mechaniken werden so konzipiert, dass diese schneller und präziser arbeiten und dass alles möglichst automatisch funktioniert. Das Subjektiv von Monochrom – in Zusammenarbeit mit Novoflex gefertigt – geht einen gänzlich anderen Weg. Hiermit können mit Hilfe von verschiedenen Linseneinsätzen bewusst optische Fehler zu gestalterischen Zwecken "missbraucht" werden.
Die Handhabung ist etwas undynamisch, denn um ein Modul zu wechseln, muss man zuerst den Moduleinsatz aus dem Subjektiv schrauben, dann den Moduleinsatz aufschrauben, um das Modul zu entfernen und um ein Neues einzulegen. Daraufhin wird der Moduleinsatz wieder zusammengeschraubt und in das Subjektiv gesteckt – hier hilft ein kleiner Magnet im Tubus – und dann verschraubt. Das Entfernen der einzelnen Module funktioniert sehr einfach, lediglich die Acryllinse machte Schwierigkeiten und ließ sich nur mit einigem Druck aus dem Moduleinsatz entfernen, wobei diese dabei einige beunruhigende "knackende" Geräusche machte, sich aber aus ihrem metallenen Gefängnis befreien ließ und anschließend keine Beschädigungen aufwies.
Hat man den Tubus das erste Mal in der Hand, so fällt das Gewicht auf. Er bringt knapp 250 Gramm auf die Waage und besteht aus dem Anschluss – einem T2 Adapter – und dem eigentlichen Subjektiv mit der Aufnahme für den Modulhalter. Die Brennweite des Subjektiv liegt bei 65 mm, und die Naheinstellgrenze liegt bei 12 cm für die Lochblende, welche mit Blende 180 das lichtschwächste Modul darstellt, dicht gefolgt von der Zonenplatte mit Blende 32 und den Miniskuslinsen (Acryl und Glas) mit Blende 5,6 bzw. 8 bei eingelegtem Blendentopf.
Die interessantesten Module sind die Lochblende, auch wenn diese viel Licht oder lange Belichtungszeiten voraussetzt, und die Zonenplatte. Die Zonenplatte ist eine Kunststoffscheibe, die mit vielen kleinen Kringeln versehen ist. Diese bewirken, dass das Licht zum Brennpunkt gebeugt wird. Dieses Modul eignet sich sehr gut für expressionistische Darstellungen. Der Einsatz der Miniskuslinsen (Acryl und Glas) ist dagegen schon recht traditionell und altbacken, denn diese lassen den Charme der Agfa-Box auferstehen und präsentieren kontrastarme Bilder mit Randunschärfen und allem, was sonst noch dazu gehört. Hier lässt sich auch noch der Blendentopf einsetzen, und Experimenten ist kaum eine Grenze gesetzt.
Merkwürdig mutet an, dass die Verschraubung der Module zur Kameraseite vorgenommen wird. Denn zieht man das Gegenstück nicht an, sondern möchte dem Modul vielmehr etwas Platz zum "Schlackern" lassen (um so etwa zufällige Scheimpflugeffekte zu realisieren), ist es nicht auszuschließen, dass sich die Verschraubung weiter löst (durch Kamerabewegung) und sich das Modul dann in Richtung Verschluss bzw. Sensor auf den Weg macht. Es ist daher unbedingt empfehlenswert, die Verschraubung vor Einsatz des Subjektiv zu überprüfen, um Schaden zu verhüten.
Alle Module haben eines gemeinsam: Sie sind im strengen Maßstab optisch minderwertig. Der Charme der ganzen Sache ist jedoch, eben diese, sonst unerwünschte Bildqualität als Stilmittel einzusetzen und so einzigartige Bilderwelten zu erschaffen. Das Subjektiv ist somit sicher kein Werkzeug für den perfektionistischen Fotografen, aber eine witzige, lohnenswerte Anschaffung für solche, die Regeln eher als störend empfinden und die die Aussage der Fotografie über deren technische Perfektion stellen. Auch läuft das Subjektiv bei Crop-Kameras nicht zu den erwarteten Höchstformen auf, da die Sensoren, je kleiner diese werden, einfach die Bildkreisrandbereiche und damit die Fehler, die dort entstehen, ignorieren. Das bedeutet allerdings, dass man die gewünschten Bildfehler ebenfalls nicht sieht (siehe Bild). Lediglich bei der Zonenplatte und der Lochblende ist das nicht so, und hier treten die gewünschten "Bildfehler" auch bei kleineren Sensoren sichtbar auf. Somit ist das Subjektiv an einer Vollformat- bzw. Kleinbildkamera am besten aufgehoben, und für diesen Bereich gibt es dank der T2-Bauweise auch alle erdenklichen Anschlüsse, z. B. auch für Canon FD, Minolta MD und Contax/Yashica sowie die momentan aktuellen DSLR-Anschlüsse. Der Einsatz an einer FourThirds-Kamera ist somit recht eingeschränkt und vor allem teuer, denn dieser Anschluss kostet mit 248 EUR am meisten; bei allen anderen Anschlüssen ist man mit 189 EUR dabei. Bei APS-C Kameras sollte man sich am besten vorher überzeugen, ob die Bildwirkung ausreichend ist. Für die Zukunft kann man sich auf weitere spannende Moduleinsätze freuen, wie Monochrom uns wissen ließ.