FourThirds-Stapellauf
Detailinfos zum Verkaufsstart des Olympus E-Systems
2003-09-30 Vorbereitend zum Verkaufsstart des neuen FourThirds Spiegelreflex-Systems, den Olympus in einer aktuellen Pressemitteilung noch einmal für Ende September bestätigt hat, veranstaltete der Hersteller auf Mallorca eine mehrwöchige Seminarreihe, in der Trainer, Tester und Händler (in dieser Reihenfolge) auf das völlig neue System eingeschworen wurden. Die dort vermittelten detaillierten Informationen gingen über das bisher kommunizierte Maß hinaus und zeigen, dass sich etliche Vorteile des FourThirds-Systems erst bei intensiver Beschäftigung mit dem System erschließen. (Jan-Markus Rupprecht)
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Spricht man mit Pressekollegen oder liest man die Kommentare in
einschlägigen Diskussionsforen (einschließlich des
digitalkamera.de-Diskussionsforums), sieht man, dass Olympus mit dem neuen
System ein sehr kritischer Wind entgegenweht. Als chancenlos gegenüber der
starken Konkurrenz der etablierten Anbieter wird das FourThirds-System
bisweilen bezeichnet. Die Kommentare stammen allerdings in der Regel von
Leuten, die erstens weder eine Olympus E-1 Spiegelreflexkamera noch ein
FourThirds-Objektiv jemals in Händen hatten und zweitens oft überzeugte
Besitzer einer Ausrüstung entweder mit Canon- oder mit Nikon-Anschluss sind.
Tatsächlich aber ist der Vorstoß von Olympus ein mutiger Schritt und die für
das System angeführten Vorteile müssen in der Praxis zeigen, ob sie den
hohen Erwartungen standhalten. Teilweise wird dies erst in der Zukunft
möglich sein, wenn höher auflösende FourThirds-Kameras zur Verfügung stehen.
Bei allem Potential des FourThirds-Standards, auf das wir nachfolgend noch
ausführlich eingehen, sind vor allem zwei Punkte etwas unglücklich und
Ursache für manche Kritik:
- Olympus als Initiator des offenen Systems ist zum Start der einzige
Hersteller, der Komponenten für das FourThirds-System angekündigt hat.
Kodak ist zwar bekennend mit im Boot, steuert aber bislang nur den
CCD-Sensor zur E-1 bei. Und während Olympus wiederholt (zuletzt in der
aktuellen Pressemitteilung) von einer Absichtserklärung von Fujifilm
spricht, nach der auch dieser Hersteller das System unterstützen will, hat
man aus dem Hause Fujifilm diesbezüglich noch nie etwas Offizielles
gehört.
- Olympus startet mit einer Kamera, die sich mit rund 2.000 EUR
preislich sowie bei Ausstattung und Verarbeitung als Profimodell
positioniert, aber keine neuen Maßstäbe bei der Bildgröße setzt. Was
fehlt, ist ein bezahlbares Amateur-Modell und ein hoch auflösendes
High-End-Modell, das das große Potential, das in den FourThirds-Objektiven
steckt, auf die Speicherkarte bringt.
Anderseits muss man realisieren, dass die neue Spiegelreflexkamera
Olympus E-1 schlicht und einfach das erste Modell einer kommenden Reihe von
Kameras ist und sowohl darunter als auch darüber Platz für weitere Modelle
lässt. Das gleiche gilt für die Objektiv-Basis, die Olympus vom Start weg
anbietet. Natürlich bieten die etablierten Hersteller jeweils eine um den
Faktor 10 größere Objektiv-Palette an, aber darunter sind sowohl extrem
hochpreisige Nischenmodelle, von denen weltweit nur wenige Exemplare im
Einsatz sind, als auch zahlreiche Varianten für ähnliche Brennweitenbereiche
in unterschiedlichsten Qualitätsstufen bei der Ausführung
(Kunststoff/Metall) als auch bei der Lichtstärke. Was dem FourThirds-System
momentan hauptsächlich fehlt, dürften einige extrem lichtstarke
Festbrennweiten sowie Objektive mit Shift/Tilt-Funktion für die Architektur
und Produktfotografie sein. Und sollte Olympus eine preisgünstigere
Amateurkamera auf den Markt bringen, wären wohl auch preisgünstigere
Amateur-Objektive fällig. Die jetzigen sind durchweg lichtstark (F2.0 oder
F2.8), gegen Spritzwasser geschützt und sehr gut verarbeitet – und sind
preislich entsprechend auch eher im gehobenen Preissegment angesiedelt.
Doch schauen wir uns das Konzept hinter dem FourThirds-System einmal
genauer an. Olympus hat sich den Luxus geleistet, ganz bei Null, sozusagen
mit einem weißen Blatt Papier, mit der Entwicklung zu beginnen.
Die
Ingeniere hatten die Aufgabe, ein ideales digitales
Wechselobjektiv-Kamerasystem zu entwickeln, ohne auf bestehende Konventionen
Rücksicht zu nehmen. Hierbei
kamen sie zunächst auf die Notwendigkeit eines "Telezentrischen Designs",
was bedeutet, dass die Lichtstrahlen von dem Objektiv nicht nur in der Mitte
rechtwinklig auf den CCD-Sensor auftreffen sollen, sondern auch in den
Bildecken. Nur dann erreicht die Bildqualität auch am Rand und in den Ecken
des Fotos das gleiche hohe Niveau wie in der Mitte. Während es dem
chemischen Film völlig egal ist, in welchem Winkel die Lichtstrahlen auf ihn
einfallen, bringen die lichtempfindlichen Elemente des CCD-Sensors ihre
volle Leistung nur bei nahezu senkrecht auftreffendem Licht. Zwar
symbolisiert Olympus dies mit einer viel zu stark vereinfachten,
schematischen Darstellung, in der von Stegen (und als Folge davon
Abschattungen) die Rede ist, die es in Wirklichkeit bei einem CCD-Sensor gar
nicht gibt. Die tatsächlich auf die Oberfläche eines CCD-Sensors
aufgebrachten Mikrolinsen, die eintreffendes Licht auf die kleinere,
darunter liegende, lichtempfindliche Fläche bündeln sollen, dürften aber in
der Tat ihre liebe Mühe haben, schräg eintreffende Lichtstrahlen sinnvoll an
die richtige Stelle zu leiten. Die Folge sind eine zum Rand nachlassende
Helligkeit und Schärfe sowie eventuell noch die Verstärkung typischer
"Randeffekte" wie Farbsäume durch chromatische Abberation. Eine kleine
Abweichung vom rechten Winkel des eintreffenden Lichts kann allerdings
offenbar ohne nennenswerte Qualitätseinbußen toleriert werden. So treffen
die Lichtstrahlen bei den aktuellen FourThirds-Objektiven von Olympus in den
Ecken mit einem Winkel von 6 Grad auf den CCD-Sensor und Olympus spricht von
einem "Near Telecentric Design".
Um dieses nahezu telezentische Design in der Praxis umzusetzen, braucht
es etwas Platz. Die Olympus-Entwickler kamen auf einen
Faktor
von 2, den die Öffnung des Anschlussbajonetts größer sein müsste als der
verwendete Lichtkreis, also die Diagonale der lichtempfindlichen Fläche des
Sensors. Bei gut handhabbaren Bajonettdurchmessern um die 50 mm kam man so
auf eine CCD-Sensor-Bilddiagonale von rund 25 mm und damit auf den neuen
CCD-Sensor-Formfaktor von 4/3 Zoll (33,87 mm), aus dem sich der Name "FourThirds"
ableitet. Die Größenangabe von CCD-Sensoren leitet sich übrigens
traditionell vom Einbaumaß der Aufnahmeröhren in Fernsehkameras ab und hat
heute wenig mit den tatsächlichen Abmessungen des Chip-Gehäuses oder gar der
lichtempfindlichen Fläche zu tun. Der Durchmesser der lichtempfindlichen
Fläche beträgt beim FourThirds-System genau 22,3 mm. Das ist klein genug, um
trotz nahezu telezentrischem Strahlengang noch relativ kompakte Objektive zu
bauen und groß genug, um reichlich Auflösungsreserve für zukünftige
CCD-Sensoren zu haben. Ein FourThirds-CCD-Sensor ist zwar deutlich kleiner
als ein Sensor für das 35mm-Kleinbildformat, aber etwa viermal so groß wie
ein 2/3"-CCD-Sesor, der heute in Consumer-Kameras als "groß" gilt und noch
keine Kompromisse beim Rauschverhalten abverlangt. Wenn man bedenkt, dass
solche Consumer-CCD-Sensoren seit längerem Auflösungen von 5 Megapixeln
besitzen, wird schnell klar, dass es (zumindest theoretisch) ein Leichtes
sein müsste einen FourThirds-Sensor mit 20 Megapixeln zu entwickeln.
Und
genau auf diese gewaltige Bildgröße ist das gesamte FourThirds-System heute
schon ausgelegt, d. h. laut Aussage von Olympus sind die E-System-Objektive,
die jetzt auf den Markt kommen, durchweg bereits für Auflösungen bis 20
Megapixel geeignet.
Von einem Standard kann man eigentlich erst sprechen, wenn er von
mehreren Herstellern eingesetzt wird. Genau dies ist zumindest der erklärte
Wunsch von Olympus und so hat man alle Eckdaten für den FourThirds-"Standard"
offen gelegt. Dies sind der zuvor erwähnte Bildkreisdurchmesser von 22,3 mm,
die Einbautiefe des CCD-Sensors im Gehäuse (bezogen auf das
Anschlussbajonett), die genaue Größe und Beschaffenheit des
Anschlussbajonetts inklusive elektrischer Kontakte sowie ferner die
Datenkommunikation zwischen Gehäuse und Objektiv. Der FourThirds-Standard
definiert dabei nicht das Seitenverhältnis des CCD-Sensors. Die Olympus E-1
besitzt ein Seitenverhältnis von 4:3 wie bei normalen Computer-Monitoren
oder herkömmlichen Fernsehgeräten. Dieses Seitenverhältnis liefert aus einem
gegebenen Bildkreis eine größere nutzbare Bildfläche als es das von
Kleinbild-Kameras bekannte 3:2-Format täte. Es ist aber durchaus denkbar,
dass von anderen Herstellern FourThirds-Kameras auf den Markt kommen, deren
CCD-Sensoren andere Seitenverhältnisse aufweisen. Nicht innerhalb des
FourThirds-Standards definiert sind auch andere Parameter wie beispielsweise
die Art und die elektrischen Eigenschaften des Blitzanschlusses oder der
Stromversorgung.
Aus dem Bildkreisdurchmesser von 22,3 mm resultiert, dass im Vergleich
zum Kleinbild-System identische Bildwinkel bereits mit etwa der halben
tatsächlichen Brennweite erreicht werden. Ein FourThirds-Objektiv mit 25 mm
Brennweite fängt also in etwa den gleichen Bildwinkel wie ein
50 mm-Normalobjektiv für eine Kleinbildkamera. Dies
ermöglicht im Vergleich zum Kleinbildsystem entweder kompaktere Objektive
oder (bei mit Kleinbild-Objektiven vergleichbaren Baugrößen) höhere
Lichtstärken.
Kleinere Objektive können präziser gefertigt werden und
besitzen dadurch größere Reserven für hohe Auflösungen. Und während
Kleinbild-Objektive ihre optimale Leistung oft erst nach Abblenden um ein
bis zwei Blendenstufen erreichen, sollen die Olympus E-System-Objektive
selbst bei großen Blendenöffnungen ihre volle Leistung erreichen, so dass
ihre gute Lichtstärke auch uneingeschränkt genutzt werden kann. Aus dem
nahezu telezentrischen Strahlengang in Verbindung mit den äußerst präzise
gefertigten und mit asphärischen oder ED-Linsen bestückten Objektiven ergibt
sich eine Bildqualität, die bis in die Ecken des Fotos hinein eine hohe
Auflösung und – selbst im Weitwinkelbereich – einen geringen Lichtabfall
aufweist. Darüber hinaus werden die Objektive während der Produktion einzeln
vermessen und ihre individuelle Charakteristik auf einem Chip im Objektiv
gespeichert. Eine FourThirds-Kamera weiß so jederzeit, welches Objektiv an
ihr montiert ist und welche Eigenschaften dieses hat und kann sich
entsprechend darauf einstellen.
Es ist also anerkennenswert, dass Olympus anders als die Mitbewerber
nicht ein viele Jahre altes Format "passend gemacht" hat, sondern die Chance
für eine komplette Neuentwicklung genutzt wurde. Sicherlich wird es schwer
werden, sich angesichts der übermächtigen Kleinbild-Konkurrenz mit einem
völlig neuen Profi-System zu etablieren. Ein entsprechendes, selektiertes
Händlersystem befindet sich gerade weltweit im Aufbau. Dazu gehören auch so
genannte Profi-Partner, die den von beruflichen Anwendern benötigten Service
bieten, der auch einen (kostenpflichtigen) Verleih von Objektiven und
Gehäusen umfasst. Olympus sieht sein E-System als langfristige Investition
und ist für dieses Jahr bereits mit 5.000 verkauften E-1 in Deutschland
zufrieden. Während dieser Artikel speziell auf die Hintergründe des
FourThirds-Systems eingeht, werden wir die Kamera selbst demnächst mit einem
ausführlichen Erfahrungsbericht würdigen. Darin gehen wir dann auch im
einzelnen auf die Besonderheiten des darin eingebauten Full Frame Transfer
CCD-Sensor sowie auf den Super Sonic Wave Filter ein, der eventuell
eingedrungene Staubpartikeln unschädlich machen soll. Hier noch die
mittlerweile festgelegten Preisempfehlungen für die E-1 sowie die von Begin
an erhältlichen Objektive:
Olympus E-1 Gehäuse (ohne Objektiv): ca. 2.000 EUR
Olympus E-1 Gehäuse mit EZ1454 Objektiv: ca. 2.550 EUR
Olympus EZ-1454 Standard-Zoomobjektiv 14-54 mm F2.8-3.5: ca. 700 EUR
Olympus EZ-5020 Telezoomobjektiv 50-200 mm F2.8-3.5: ca. 1.200 EUR
Olympus ET-P3028 Teleobjektiv 300 mm F2.8: ca. 7.500 EUR
Olympus EM-P5020 Makroobjektiv 50 mm F2.0: ca. 550 EUR