Strafzoll

EU will Digitalkamera-Einfuhrzoll auf Camcorder-Niveau erhöhen

2006-09-27 Sollten sich Pläne der Europäischen Union bzw. deren Generaldirektion "Steuern und Zollunion" durchsetzen, könnte der Einfuhrzoll für digitale Fotokameras mit Videofunktion bald auf Camcorder-Niveau erhöht werden. Damit würden die Hersteller solcher Kameras und deren Kunden dafür "bestraft" werden, dass ihre Kameras neben Fotos auch Videoclips aufzeichnen können – egal ob man die Funktion nun braucht oder nicht. Doch der Widerstand formiert sich bereits, und diesmal haben die "Gebeutelten" gute Chancen, die abstrusen EU-Pläne zu kippen.  (Yvan Boeres)

Sony 3CCD DV Handycam  [Foto: Sony] Zwar muss man feststellen bzw. zugeben, dass das Qualitätsniveau der Videofunktion digitaler Fotokameras immer weiter steigt (die VGA-Aufnahme mit 30 B./s und ohne feste Begrenzung der Aufnahmezeit gehört schon fast zum Standard, während einige Kameramodelle sogar in höheren Auflösungen filmen können, auf leistungsfähige Komprimierungsverfahren wie MPEG-4 oder DivX zurückgreifen und/oder den Ton in Stereo aufnehmen), aber – wie es unsere eigenen Umfragen immer wieder ergeben – wird die Videofunktion von den Endverbrauchern immer noch als "nettes Extra" angesehen. Man ist sich in der Branche darin einig, dass digitale Fotokameras hauptsächlich bzw. vorrangig zum Fotografieren dienen – und das ist den Bürokraten in Brüssel wohl entgangen.

Über die Tatsache, ob für digitale Fotokameras dieselben EU-Regeln als für Camcorder gelten sollen, ist jetzt ein Streit zwischen den Vertretern der Kameraindustrie (Photoindustrie-Verband, CIPA/JCIA, PMA, i3A, EPIA & Co.) und der Generaldirektion Steuern und Zollunion der EU-Kommission entbrannt. Die EU-Gremien sehen die Tatsache, dass digitale Fotokameras bisher als Informationstechnologie klassifiziert wurden als überholt an, da Digitalkameras mittlerweile nicht mehr nur unbewegte Bilder ohne Ton aufnehmen können – womit sie, nüchtern betrachtet, auch Recht haben. Die Wirtschaft hält dagegen, dass Digitalkameras unter die Richtlinie 8525.40.11, Abschnitt XVI, der ITA (Information Technology Agreement der Welthandelsorganisation WTO) fallen, wonach multifunktionelle Geräte nach ihrer vorrangigen Funktion einzuordnen sind. Sollten die Brüsseler Bürokraten dennoch Recht behalten, dürften digitale Fotokameras zukünftig als Unterhaltungselektronik angesehen werden und – wie Camcorder – mit einem Einfuhrzoll von 4,9% besteuert werden.

Auch wenn dieses Szenario aufgrund der schlagkräftigen Gegenargumente der Kamera-Industrie sehr unwahrscheinlich ist, gerieten schon in Vergangenheit einige Kamerahersteller wegen der Videofunktion ihrer Kameras mit den EU-Zollbehörden in Konflikt. So hatten letztere schon vor 4 Jahren in Erwägung gezogen, die Fujifilm FinePix S602 Zoom (eine der ersten digitalen Fotokameras mit zeitlich unbegrenzter VGA-Aufnahme bei einer Bildwiederholrate von 30 B./s) zolltechnisch wie ein Camcorder zu behandeln und der Streit mit den EU-Zollbehörden ist auch der Grund, warum nur die europäische Version der kürzlich angekündigten Casio Exilim EX-S770 maximal 10 Minuten lang filmen kann. Da kann man auch darüber spekulieren, ob Canon deswegen die Video-Aufnahmezeit seiner Digitalkameras z. T. noch bis dato auf maximal 1 Stunde begrenzt… Wie dem auch sei: das Thema Videofunktion ist wieder hochaktuell und wenn die ganze Affäre zu Lasten der Kameraindustrie ausgeht, kann man davon ausgehen, dass die Kamerahersteller entweder die zusätzlichen Abgaben auf die Verbraucher abwälzen werden oder die "aufgesetzte Drosselklappe" bei digitalen Fotokameras mit Videofunktion Schule machen wird (wie damals auch schon die DVI-Eingänge von Camcordern künstlich gesperrt wurden).

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