Starrummel
Eindrücke von der PhotoPlus Expo New York 2006
2006-11-14 Wer schon einmal die photokina oder die CeBIT besucht hat, weiß, wie europäische Messen sich präsentieren: groß, gigantisch und mit viel Luxus und Klimbim, man kann an etlichen Ständen Cocktails schlürfen, an Gewinnspielen teilnehmen und sich unterhalten lassen. Das ist bei der PhotoPlus Expo in New York (2. bis 4. November 2006) anders. Hier gibt es keine Bars, und jeder einzelne Besucher – egal ob Presse, Profifotograf oder Hobbyist – muss seine Gespräche, beladen mit Give-Aways, Infoprospekten und Mustern, im Stehen führen. Sitzen ist an den etlichen zusammen gequetschten Ministänden nicht vorgesehen (außer natürlich bei Vorträgen), man spricht im Stehen über die Sache und das bitteschön ernsthaft und mit großer Fachkenntnis. Es sind schließlich Profis unterwegs. (Daniela Schmid)
Und was für Profis man hier begegnet: New York Times-Fotograf Vincent Laforet, Photoshop-Autorin Katrin Eismann, Steven Katzmann, Art Streiber, Mary Ellen Marks, Martin Parr, Frans Lanting, Joel Meyerowitz, um nur einige zu nennen. Sie alle sind gekommen, um ihre Werke zu präsentieren, sich zu informieren, günstig Ausrüstung zu erwerben und andere Profis aus der Szene zu treffen. Unter die Großen mischen sich etliche Händler, interessierte Amateure und zahlreiche Studenten – die Elite von morgen. Sie profitieren von Messeangeboten fürs Equipment oder von Beziehungen, die hier bestens geknüpft werden können. Aber es geht nicht nur ums Sehen und Gesehenwerden. In erster Linie ist jeder der gut 200 Aussteller daran interessiert, seine Produkte an den Fotografen zu bringen. Dabei gibt es einen wesentlichen Unterschied zu photokina und PMA: Neuheiten gibt es zwar, aber sie stehen nicht im Mittelpunkt. Vielmehr hat man in New York endlich die Zeit, die Produkte in Ruhe anzusehen und auszuprobieren, die in Deutschland gut einen Monat zuvor noch für einen Ansturm gesorgt hatten. So war beispielsweise die Sony Alpha zu bewundern, und an Sonys verhältnismäßig großem Stand waren genügend Personal und reichlich Kameras vorhanden, so dass jeder den neuen Renner in die Hand nehmen konnte. Und das Interesse an Sonys neuem Flaggschiff ist auf beiden Seiten des Atlantiks gleich groß. Europäer und Amerikaner fahren auf Sonys Neue ab. Die Messe war für das Magazin Popular Photography Anlass genug, der Alpha den "Product of the Year Award" zu verleihen.
Wenn man sich allerdings von den fett im Eingangsbereich der Halle platzierten Powerständen von Canon, Nikon & Co. wegbewegt, stellt man schnell fest, dass die Kamera auf der PhotoPlus Expo eine nebengeordnete Rolle spielt. Das Publikum besteht aus Leuten, die beruflich fotografieren, also bedingt durch ihre Tätigkeit bereits eine oder mehrere Kameras besitzen. Manch einer möchte natürlich einen in die Tage gekommenen Body austauschen, die meisten sind jedoch eher an Profiequipment in Sachen Beleuchtung, Objektiven, Printing oder Postproduction interessiert. Und hier stößt man auf einen wesentlichen Unterschied zum deutschen Markt: Fine Art Printing – überhaupt die Kontrolle über seine Bilder bis zum perfekten Ausdruck – sind in den USA seit Jahren ein großes Thema. Wo sich die Deutschen langsam emanzipieren und Fine Art Printing immer mehr Fotografen auf der Seele brennt, sind die Amerikaner voll in die Materie involviert. Egal ob moab, Hahnemühle, HP oder Epson, der Tenor ist der Gleiche: "Europeans are three to five years behind." So manch einer fügt eilig hinzu "But they're catching up" oder relativiert die doch stark übertriebenen fünf Jahre. Aber das Urteil ist einhellig. Von moab (moab Paper Company in Moab im US-Bundesstaat Utah, Hersteller von Fine-Art- und fotografischen Papieren, Marken "Entrada" und "Kokopelli") ist zu erfahren, dass sich bestimmte Papiersorten in den USA gut verkaufen, in Europa dagegen überhaupt nicht und umgekehrt. Exklusiv für New York im Gepäck hatte moab das neue Desert Varnish Gel. Dieses Gel ist ein wasser- und kratzfestes Flüssiglaminat, das wie mit einem Klebestift auf Prints aufgetragen wird und diese schützt und versiegelt. Es eignet sich daher besonders für Bilder, die stark beansprucht werden wie beispielsweise in einem Portfolio. Die Flexibilität des Papiers bleibt voll erhalten. Die Markteinführung des Gels wird in Europa voraussichtlich Anfang nächsten Jahres stattfinden.
Von der Fortschrittlichkeit abgesehen, gibt der amerikanische Markt deutschen Firmen wie Hahnemühle immer wieder gewaltigen Auftrieb. Der US-Markt ist wesentlich größer als in Deutschland, und die Amerikaner stehen auf "Made in Germany". Und das kann Hahnemühle seit einigen Jahrhunderten bieten. Gerne hören sich Jörg Adomat (CEO) und Bettina Scheerbarth (PR) von Hahnemühle amerikanische Sympathiebekundungen wie "I just love your products!" an. Sie sind den weiten Weg aus Deutschland gekommen, um den amerikanischen Profis höchstpersönlich Rede und Antwort zu stehen. Und sie haben Überraschungen im Gepäck. Die US-Fotografen mögen im Gegensatz zu vielen Deutschen keine optischen Aufheller in ihren Drucken. Ihre höchst detaillierten Wünsche teilen sie Hahnemühle immer wieder mit, und die gehen darauf ein. So war auf der PhotoPlus Expo ein neues Pearl Papier (Photo Rag Pearl) zu bewundern, das den Besuchern zur Bewertung vorgelegt wurde. Auf Umfragebögen sollten sie mitteilen, ob das Produkt nun den Erwartungen entspricht. Nach ersten Reaktionen wird die Produktion wohl bald anlaufen, und vielleicht gibt es zur PMA 2007 die offizielle Ankündigung, verbunden mit der internationalen Verfügbarkeit.
Ein Fan von Hahnemühle ist auch der Fotograf Steven Katzman, dessen handsignierte Muhammed Ali-Porträts (selbstverständlich gedruckt auf edelstem Hahnemühle-Papier mit eigenem Prägestempel) reißenden Absatz fanden. Andere Hersteller haben selbstverständlich auch ihre Celebrities. Katrin Eismann war bei New Riders Publishing anwesend, um ihre Photoshop-Werke zu signieren und Fragen zu beantworten. Das kann sie übrigens auch in perfektem Deutsch. Bei Apple durfte Vincent Laforet von der New York Times seine Werke präsentieren, und er tat das so eindrucksvoll, dass eine Dame im Publikum bei seinen Katrina-Desaster-Bildern aus New Orleans Tränen in den Augen hatte. Auch Joel Meyerowitz, der sein Buch "Aftermath: World Trade Center Archive" über die Aufräumarbeiten von 9/11 vorstellte, zog die Massen in seinen Bann. Sein Vortrag hatte im Vorfeld die wohl längste Schlange an geduldig Wartenden der Expo zu verbuchen. Ein etwas anderer Vortrag kam von Tom Wujec, der in der Keynote am 2. November seine Vision des Studios 2020 vorstellte. Demnach dürfen wir in 16 Jahren mit Kameras mit 10 Gigapixeln Auflösung und 100 Gigabyte-Bildern rechnen, die von Computern mit Kapazitäten von 100 Petabyte (1 PB=10 hoch 15 Bytes, siehe weiterführende Links) verarbeitet werden. Wem das noch nicht genug war, für den hatte Wujec noch Entwicklungen wie die so genannten plenoptischen Linsen parat. Diese nehmen dreidimensionale Daten auf und ersparen so dem Fotografen das Fokussieren vor dem Auslösen. Skeptiker wies Wujec auf den Stand der Technik vor 16 Jahren hin: Apple Quicktake 100, der Macintosh Quadra 950 und Photoshop 2.5. Aus dem Publikum war deutliches Gelächter zu vernehmen.
Ist man nach den amerikanischen Visionen auf der Suche nach amerikanischen Produkten, so stößt man neben den auch in Europa identischen Portfolios der großen Hersteller auf viele kleine Anbieter mit typischen US-Produkten. Wenn man Stereotypen bemühen möchte, so könnte man behaupten, der Amerikaner sei dem Kitsch mehr zugeneigt als der Deutsche. Dass dies nicht ganz so weit hergeholt ist, kann man beispielsweise am Angebot der Hochzeitsbücher und Studioaccessoires erkennen. Pinkfarbene "Princess"-Glitzerschriften und gigantische Bilderrahmen mit Schnörkeln für das Hochzeitsbild kann man in Deutschland bestimmt ausgraben, in New York sind sie "all over the place". Allerdings sind auch diese Produkte nicht unbedingt das, was Fotografen suchen. Ein Hochzeitsfotograf gestand ein, dass er sich damit befassen muss, die Alben aber jedes Jahr die gleichen sind. Interessanter sind für ihn vielmehr die Softwarelösungen, die für Fotografen präsentiert werden: sowohl für die Zusammenstellung von Hochzeitsbildern als auch für den Gesamtauftritt eines Fotografen. So bietet www.livebooks.com für einmalige $ 3.900, 1.900 oder 950 (je nach Features) plus $ 90 Hosting-Gebühr pro Jahr eine professionelle Online-Plattform, in der Fotografen ihr Portfolio präsentieren. Entwickelt wurde das Konzept in enger Zusammenarbeit mit Art Direktoren und Bildredakteuren, deren einstimmige Meinung war, dass sie schnell Bilder sehen möchten und das groß und in guter Qualität. Diesen Ansprüchen kommt livebooks.com nach und konnte damit auch schon einige namhafte deutsche Fotografen gewinnen. Auch ein paar französische und englische Fotografen sind an Bord und eine Ausdehnung des Services in andere Sprachen ist nicht ausgeschlossen. Neben diesen wirklich interessanten Lösungen wie livebooks.com gibt es noch weitere Firmen, die versuchen, ihre Produkte nach Europa zu vertreiben. Dazu gehören Lehrvideos über Modelling und die perfekte Studiobeleuchtung von Elitefoto und Mary Duprie, eine brandneu erfundene Halterung zum Schießen von Selbstportraits namens PixPal, die wie ein verlängerter Arm funktioniert , ein Kugelschreiber mit dem Bild des Enkels oder das eigene Hochzeitsbild als Wandbehang, Teppich oder Sofakissen. Diese Produkte finden in den USA immer begeisterte Abnehmer, im Falle der Wandbehänge von www.portraitweavers.com sogar so viele, dass am Samstag kein Informationsmaterial und keine Visitenkarten mehr da waren. Deutsche Distributoren finden sich aber keine. Die sind sich einig, dass das "Zeug" in den Staaten bleiben kann, da das keiner braucht und, vor allem, in Deutschland keiner kauft.
Beliebtere Exportartikel sind beispielsweise die Gorillapods von Joby oder die Kameramonitor-Abdeckungen von Hoodman. Deren neue HoodLoupe Professional fand auf der Photokina begeisterte Anhänger: "The Germans went crazy about the new HoodLoupe" berichtet Bob Schmidt, Vice President Sales bei Hoodman. Die HoodLoupe sieht aus wie eine Lupe und wird an einer Kordel um den Hals getragen. Man setzt sie auf den Kameramonitor und betrachtet diesen wie durch eine Lupe. Allerdings wird das Bild nicht vergrößert, sondern das Umgebungslicht komplett abgeschirmt. So erhält man ein unverfälschtes Ergebnis ohne von Sonnenstrahlen getäuscht zu werden. Neben den Exportartikeln finden sich natürlich auch viele Importartikel "Made in Germany". So ist Metz im Vertrieb von Bogen Imaging USA, und das erste Produkt, das einem entgegen gestreckt wird, ist der neue Mecablitz 58 AF-1 digital. Good Quality! Das wissen auch die Deutschen und so beklagt Quantum, amerikanischer Anbieter von Studiobeleuchtungen im Vertrieb bei Bogen Imaging Deutschland, den schwierigen Stand in Deutschland. Für sie ist am Platzhirsch Metz schwer vorbeizukommen. Bei Zeiss USA freut man sich ebenfalls an der hervorragenden Verarbeitung der Zeiss-Objektive, obwohl diese zum großen Teil in Japan bei Cosina gefertigt werden. Die Entwicklung und Produktüberprüfung findet aber immer noch in Oberkochen statt. "Zeiss seems to be a magical name here," freut man sich am Stand von Zeiss. Was in Deutschland oft nicht mehr so auf Händen getragen wird, erstrahlt in den USA in neuem Glanz. Das Gleiche gilt für Schneider Kreuznach und Leica. Deren nicht besonders großer Stand war rund um die Uhr belagert von amerikanischen Leica-Fans, die unbedingt die neue M8 in die Hand nehmen wollten. Das Personal am Leica-Stand war entsprechend gut beschäftigt. Etwas unauffälliger war die Präsenz von Kaiser Fototechnik, die ihre Produkte über HP Marketing vertreiben und an deren Stand zu finden waren. Hans-Peter Hübschen von Kaiser ist nach fünf Jahren mal wieder extra für die Expo angereist, um nach dem Rechten zu sehen. Er packt mit an am Stand und zeigt dem US-Importeur, dass der amerikanische Markt wichtig ist und wahrgenommen wird. Für ihn ist es eine gute Gelegenheit, den amerikanischen Markt besser kennen und verstehen zu lernen. Auch bei Kaiser Fototechnik wird vorwiegend nach Produkten aus der eigenen deutschen Produktion gefragt wie beispielsweise den in den USA sehr beliebten Repro-Stativen. Aber nicht nur "Made in Germany" steht hoch im Kurs bei den Amerikanern. "Made in USA" ist mindestens ebenso wichtig. Taschenhersteller Tamrac ist sogar soweit gegangen, einen Teil der Taschen wieder in den USA produzieren zu lassen. Mit dem Label wird kräftig die Werbetrommel gerührt, aber es scheint zu funktionieren. Es gibt in den USA mittlerweile eigene Läden, die nur Waren mit dem Label "Made in USA" akzeptieren. Dort werden diese Taschen angeboten. Der deutsche Importeur Hapa-Team hat diese Taschen bisher nur teilweise ins Programm genommen, das US-Verkaufsargument zählt in Deutschland nicht viel.
Eine Messe wie die PhotoPlus Expo ist kein Muss für den deutschen Fotografen. Wer aber über den europäischen Tellerrand blicken oder seine Bilder international verkaufen möchte, der findet in New York eine optimale Plattform. Und da die Amerikaner ein offenes fröhliches Völkchen sind, ist die Atmosphäre im Jacob Javits Convention Center stets angenehm, und man findet bei der chaotischen Beschilderung immer einen freundlichen Helfer, der einen zwischen den etlichen Marathonläufern, die die Stadt gleichzeitig mit den Photo-Geeks heimsuchten, wieder auf den rechten Weg leitet.