First Look
Erste Eindrücke von der Canon EOS M
2012-07-24 Auf einer Canon-Presseveranstaltung zum 25-jährigen Jubiläum des EOS-Systems hatten wir gestern Abend die Gelegenheit, einen ersten Blick auf erste funktionsfähige Prototypen der neuen spiegellose Systemkamera von Canon, die EOS M, zu werfen. Ebenfalls dort auszuprobieren waren die beiden angekündigten Objektive (22-Millimeter-Festbrennweite und 18-55-Millimeter-Standard-Zoom), der Adapter für die bestehenden EOS-Objektive und der neue kleine Aufsteckblitz. (Jan-Markus Rupprecht)
Die technische Eigenschaften der EOS M zählen wir hier nicht noch einmal alle auf. Diese sind in unserer gestrigen Ankündigung der Kamera enthalten (siehe weiterführende Links). Ein (Vorab-)Test ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, denn Kameras hatten noch keine finale Firmware. Das Finish der auf der Veranstaltung gezeigten Kameras, Objektive, Blitzgeräte und Objektivadapter war aber tadellos und sah durchaus nach Serienfertigung aus.
Wie schon seinerzeit beim (recht späten) Einstieg in die Digitalfotografie hat Canon als Marktführer im Fotobereich auch beim Thema „spiegellose Systemkameras“ erst einmal die Konkurrenz den Markt bereiten lassen und steigt als letzter großer Hersteller in dieses zukunftsträchtige Segment ein. Als „Entschuldigung“ mag man gelten lassen, dass Canon den Spiegelreflex-Bereich in allen Preisklassen gut abdeckt und diesem Bereich natürlich nicht sehr gern Konkurrenz im eigenen Haus machen möchte. Andererseits könnten einige potenzielle Käufer einer kleinen, leistungsfähigen Kamera mit DSLR-Bildqualität mittlerweile bei Panasonic, Olympus, Samsung, Sony, Pentax, Fujifilm oder Nikon glücklich geworden sein.
Gleichwohl muss man wohl sagen, dass Canon bei der nun vorgestellten „EOS-Systemerweiterung“ in Form von zunächst einer Kamera (in vier Farben), zwei Objektiven, einem Objektivadapter und einem Blitzgerät vieles richtig gemacht hat. Vor allem ist man unglaublich pragmatisch an die Sache herangegangen. Warum einen neuen Blitzschuh und ein ganzes neues Blitzsystem entwickeln, wenn man doch ein etabliertes, gutes Blitzsystem aus der EOS-Spiegelreflex-Linie im Sortiment hat? Konsequenterweise besitzt die EOS M einfach den bewährten Blitzschuh. Warum auf eine andere Sensor-Größe zurückgreifen, wo das doch nur Einschränkungen gegenüber dem bestehenden Spiegelreflex-System bedeutet? Wie Sony nutzt Canon die gleiche Sensorgröße (APS-C mit 1,6-facher Brennweitenverlängerung gegenüber Kleinbild) wie seit Jahren in seinen Spiegelreflexkameras (mit Ausnahme der Kleinbild-Vollformat-Kameras). So lassen sich dann auch alle in den letzten Jahren speziell für diese Sensorgröße entwickelten Objektive mit dem Objektivadapter wie gewohnt verwenden. Der Vorteil eines solch großen Sensors sind die möglichen hohen Auflösungen (bis ca. 24 oder auch 30 Megapixeln hätte man immer noch relativ vernünftige Pixelgrößen auf dem Sensor) und die mögliche geringe Schärfentiefe bei Offenblende und dem damit verbundenen Bildeindruck bei Portrait- oder stimmungsvollen Sachaufnahmen. Ganz ohne Nachteil ist der große Sensor aber natürlich auch nicht. Er setzt doch immer auch eine gewisse (größere) Gehäusegröße voraus und vor allem lassen sich auch die Objektive nicht wesentlich kleiner entwickeln als die speziell für APS-C-Sensoren entwickelten Objektive für DSLR-Kameras. Den Effekt sieht man sehr gut beim den spiegellosen Systemkameras von Sony: Dort hängt an einem minimal kleinen (vor allem flachen) Kameragehäuse immer ein ziemlich stattlich großes Objektiv. Der einzige Ausweg sind optisch relativ einfach aufgebauten (deshalb aber nicht schlechte), recht flache „Pancake“ Festbrennweiten-Objektive, wie das nun von Canon vorgestellte 22-Millimeter-Objektiv (resultierende Kleinbild-Brennweite 35 Millimeter). So richtig, richtig klein ist dies aber auch nicht und die Lichtstärke mit F2,0 zwar ordentlich, aber auch nicht aufsehenerregend. Und das Standard-Zoom mit 18 bis 55 Millimeter Brennweite (29 bis 88 Millimeter Kleinbildbrennweite) ist zwar im Durchmesser schlanker, aber nicht kürzer als andere APS-C-Standard-Zooms. Sehr vielen Anwendern sind aber Bildqualität (Auflösung und Rauschverhalten) und Bildeindruck (mögliche geringe Schärfentiefe) wichtiger als sehr kleine Objektive. Deshalb ist die Entscheidung von Canon für den APS-C-Sensor klug.
Wer sich von dem Canon-Einstieg ins Segment der spiegellosen Systemkameras (das „M“ der EOS M steht übrigens auch für „Mirrorless“, also spiegellos) echte Innovationen versprochen hat, ist womöglich enttäuscht. Die Kamera basiert technisch auf der neuesten Canon Spiegelreflex-Kamera, der EOS 650D und bietet darüber hinaus einen interessanten Hybrid-Autofokus und eine sehr konsequente Touch-Bedienung über den großen, exzellenten Monitor. Alles super, aber alles auch schon anderswo zu finden. Andere interessante Sachen wie GPS und Kompass (zur Aufzeichnung von Aufnahmeort und Richtung), WiFi (zur Bildübertragung ans Smartphone und zur Fernsteuerung) oder einen Anschluss für einen Video-Aufstecksucher gibt es bei der Konkurrenz, aber nicht bei Canon. Womöglich hat man sich die Verkaufszahlen für solches Zubehör bei der Konkurrenz angeschaut und festgestellt, dass davon nur sehr wenig verkauft wird (wir kommen später noch auf das Thema zurück) und wollte auch den Preis und die Gehäusegröße der EOS M nicht weiter nach oben treiben. Dass man andererseits kein konventionell designtes „Höcker-Modell“ mit eingebautem Videosucher (wie etwa die Panasonic G5) herausgebracht hat, ist angesichts des bestehenden Spiegelreflexkamera-Sortiments nachvollziehbar. Das Design der EOS M musste natürlich in Richtung Kompaktkamera gehen. Manch einer wünscht sich aber in dieser Preisklasse einen (wie etwa bei der Sony NEX-7) geschickt ins Gehäuse integrierten Video-Sucher.
Sehr pragmatisch ist Canon auch bei der Farbwahl vorgegangen. Zwar bietet der Hersteller die Gehäuse der EOS M in vier verschiedenen Farben an, verzichtet aber wie viele andere Hersteller darauf, deshalb auch Objektive oder gar Blitzgeräte in mehreren Farben vorzuhalten. Der Trick dabei: Die EOS-M-Objektive sind nicht schwarz, wie man von den Fotos her leicht vermuten könnte, sondern „Gun Metal Grey“, also metallisch dunkelgrau. Das passt zur schwarzen Version der EOS M genauso gut wie zu der silbernen, der roten oder der weißen Variante. Der Metall-Tubus beider Objektive sieht sehr hochwertig aus. Besonders das Zoomobjektiv mit den edel gerändelten Griffbereichen am Zoom-Ring und Fokus-Ring ist eine Augenweide und fühlt sich exzellent an. Auch die Mechanik dreht sehr sauber und hochwertig. Dazu passend haben die Objektive (und natürlich auch die Kamera) ein Metall-Bajonett. Mit einem Plastik-Kit-Objektiv, wie man es als „Beigabe“ von günstigen Spiegelreflex-Kameras kennt, hat so ein edles Stück nichts gemein. Das muss man berücksichtigen, wenn man den nicht gerade niedrigen Kit-Gesamtpreis der EOS M bewertet. Wir hoffen natürlich, dass die haptisch edlen Objektive später auch im Messlabor gute Ergebnisse liefern.
Der Blitz ist einfach „plastikschwarz“ und passt irgendwie zur Kamera oder auch nicht (immerhin findet findet man schwarzes Kunststoff in geringem Umfang ja auch an der EOS M). Eigentlich kann man nicht sagen, dass sich dieser irgendwie besonders an das Design der EOS M anlehnt. Warum auch? Er wird sowieso nur selten auf der Kamera stecken und meist in der Fototasche oder gar zu Hause in der Schublade liegen. Dafür ist er aber ein ganz normaler, vollwertiger kleiner EOS-Blitz mit eigener Spannungsversorgung (über zwei Stück AAA/Micro-Zellen), der auch einzeln erhältlich ist und sich beispielsweise ideal als preisgünstiger, kleiner Master-Blitz fürs drahtlose TTL-blitzen im EOS-System anbietet, egal ob an der EOS M oder einer Canon-Spiegelreflexkamera. Das Gehäusematerial der EOS M konnten wir übrigens auf der Canon-Veranstaltung nicht einwandfrei identifizieren, denn alle Modelle in der Vorführung waren naturgemäß mehr als handwarm und die üblichen Tests auf „kaltes Metall“ funktionierten an dem Abend nicht. Auch die Canon-Mitarbeiter waren sich hinsichtlich des Materials nicht sicher, laut Pressemitteilung kommen beim Gehäuse Stahl, Polycarbonat und eine Magnesiumlegierung zum Einsatz. Das Gehäuse wirkt aber durchaus hochwertig. Die schwarze Version ist mit mattschwarzem Strukturlack lackiert, wie man ihn zum Beispiel von der Canon PowerShot G-Serie kennt. Die silberne Ausführung scheint gebürstetes Aluminium zu sein. Die weißen und roten Ausführungen sind hochglanzlackiert.
Der Objektivadapter bildet sowohl funktional als auch optisch einen nahtlosen Übergang zu den bestehenden Objektiven des EOS-Systems. Der Adapter hat keine optischen Elemente, sondern überbrückt einfach den erforderlichen Abstand vom geringen Auflagemaß der EOS M auf das konventionelle Auflagemaß der Canon-Spiegelreflex-Kameras. Alle elektrischen Kontakte werden einfach 1:1 durchgeschleift. An dem Adapter sieht man auch schön die beiden Durchmesser: Das neue auf den APS-C-Sensor optimierte Bajonett ist ein gutes Stück kleiner als das etablierte Canon-EOS-Bajonett. Daraus kann man ableiten, dass es niemals einen Kleinbild-Vollformat-Sensor in einem Nachfolgeprodukt der EOS M geben wird. Das Bajonett wäre dafür zu klein. Sehr erfreulich ist der von Canon angepeilte, recht niedrige Preis von ca. 130 EUR für den Objektivadapter; die Konkurrenz nimmt für ihre entsprechenden Adapter gerne das Doppelte. Eine super Sache ist übrigens die abnehmbare Stativschelle. Mit dieser lassen sich dann auch größere EOS-Objektive gut auf einem Stativ befestigen und zerren nicht samt Adapter an dem Bajonett der zierlichen Kamera. Wer kein Stativ nutzt, schraubt die Stativschelle einfach ab und das Ganze liegt dann wieder super in der Hand und sieht formschön aus. Nebenbei angemerkt: Das Stativgewinde der EOS M ist aus Metall und sitzt ideal exakt in optischer Linie zum Objektiv.
Interessant ist übrigens die Betrachtung des intern Accessment-Faktor genannten Wertes, der beim Canon EOS-System bei 1,6 liegt und angibt, wie viele Objektive ein Canon-Spiegelreflex-Fotograf durchschnittlich besitzt. Das heißt, dass Canon über all die Jahre 1,6-mal so viele Objektive wie Kameras verkauft hat. Anders gesagt: Nur durchschnittlich etwas mehr als die Hälfte der Besitzer einer Canon Spiegelreflex-Kamera kaufen überhaupt ein zweites Objektiv von Canon hinzu. Zwar muss man dabei natürlich auch noch die erheblichen Mengen an Fremdhersteller-Objektiven (insbesondere von Sigma, Tamron und Tokina) berücksichtigen, andererseits besitzen etliche Amateurfotografen eine umfangreiche Objektiv-Ausstattung und treiben damit den Schnitt deutlich nach oben. Im Ergebnis muss man sagen, dass gerade im Einsteigerbereich meist das mitgekaufte Kit-Objektiv für immer auf der Kamera verbleibt, was jeder leicht bestätigt findet, der an üblichen touristischen Sehenswürdigkeiten einmal die Fotoausrüstungen der dort fotografierenden Touristen anschaut (auf einem Fotoclub-Treffen, sieht das natürlich anders aus). Warum schreiben wir dies? Man darf sich bei Kameras, die sich auch schwerpunktmäßig an Einsteiger richten, dies durchaus einmal bewusst machen, bevor man nach eine „Objektiv-Roadmap“ und zahlreichen weiteren Zoom-Objektiven und Festbrennweiten ruft. Das alles muss für den Hersteller ja irgendwie wirtschaftlich zu betreiben sein. Und der Vorteil der spiegellosen Systemkameras ist ja gerade die Kompatibilität mittels Adapter zu bestehenden Objektiven desselben Herstellers.
Wer also ist die Zielgruppe für die Canon EOS M? Natürlich zum einen wie überall die Aufsteiger aus dem Kompaktkamera-Segment, die sich eine bessere Bildqualität, eine Available-Light-Fähigkeit (fotografieren ohne Blitz bei wenig vorhandenem Licht) sowie den Bildeindruck mit geringer Schärfentiefe wünschen. Konsequenter als alle anderen Hersteller (von Pentax einmal abgesehen) hat Canon mit der EOS M aber die bereits existierenden EOS-Fotografen im Visier, die mit der EOS M eine tolle Zweitkamera bekommen, die sich nahtlos ins bestehende System einfügt. Das geht so weit, dass ein bereits vorhandenes Canon-Blitzgerät nicht nur auf der EOS M betrieben werden kann, sondern dasd der mit der EOS M mitgekaufte Blitz auch an der vorhandenen DSLR als Steuer-Blitz für entfesseltes TTL-Blitzen dient. Wie man hört, überlegt Canon sogar ein Kit mit dem Pancake-Objektiv und dem Objektiv-Adapter (und dem Blitz, der immer bei der Kamera mit dabei ist) anzubieten, das genau die bestehenden EOS-Fotografen ansprechen könnte.
Zu den Einzelpreisen der Objektive und des Blitzgerätes ist bislang noch nichts bekannt. Beim 18-55-Millimeter-Standard-Zoom kann man sogar davon ausgehen, dass dieses wahrscheinlich gar nicht einzeln erhältlich sein wird. Die Markteinführung wird voraussichtlich nicht wie zunächst kommuniziert im September, sondern erst Mitte Oktober sein. Welche weiteren Kit-Kombinationen es zu welchen Preisen geben soll, wird später bekanntgegeben.