Ein Drama in drei Akten
Forgents Besitzansprüche an JPEG und dessen Folgen
2002-07-29 Die in Austin, Texas ansässige Firma Forgent Networks will Geld sehen. Das auf Video-Netzwerke spezialisierte US-Unternehmen sieht sich in Besitz eines Patentes, auf dem das JPEG-Kompressionsverfahren in wesentlichen Teilen beruht und will nun Lizenzgebühren u. a. bei den Digitalkameraherstellern einkassieren. Sony soll in diesem Zusammenhang bereits 15 Millionen US-Dollar an Forgent bezahlt haben. Doch das ist nur der erste Teil eines Dramas in (vorläufig) drei Akten.
Erster Akt: In einer Pressemitteilung vom 11. Juli dieses Jahres
verlautet die US-Firma Forgent Networks im Besitz eines Patentes zu sein, das
einen nicht unwesentlichen
Bestandteil des in JPEG verwendeten Kodierungsverfahrens beschreibt und kündigt
an, alle Hersteller von Digitalkameras, Scannern und Drucker (aber auch von PDAs,
Mobiltelefonen, Browsern, Camcordern mit Standbild-Funktion u. ä.) die das
JPEG-Verfahren in ihren Geräten zur Bildkompression anwenden, künftig zwecks
Lizenzgebühren zur Kasse zu bitten. Es geht um das US-Patent 4,698,672, das
Forgent Networks, damals noch als VTEL Corporation bekannt, 1997 bei der Übernahme
der Firma CLI (Compression Labs Incorporated) automatisch mit erworben hatte.
Zweiter Akt: Das JPEG-Komitee will die Sache nicht
so auf sich sitzen lassen und sucht nach einer Art "Präzedenzfall".
Schließlich geht es um eine Menge Geld. Der Elektronik-Riese Sony musste
offenbar schon tief in die Tasche greifen und Forgent 15 Millionen US-Dollar an
Lizenzgebühren zahlen. Sony dürfte dabei nur der erste einer Vielzahl von
Digitalkameraherstellern sein, auf die ähnliche Kosten zukommen. Sollte das im
Mittelpunkt des Patentfalles stehende Kodierungsverfahren (Run Length Encoding)
bereits in irgendeiner Form vor dem besagten Patent 4,698,672 angewandt worden
sein, gäbe es Chancen, dass die Lizenzansprüche von Forgent Networks vor
Gericht als nichtig erklärt werden. Das JPEG-Komitee sieht auch die Gefahr,
dass andere Firmen (u. a. Philips und Lucent Technologies) dem Beispiel von
Forgent Networks folgen und ebenfalls Lizenzansprüche an Teilen des
JPEG-Verfahren anmelden. Das JPEG-Komitee hat also jedes Interesse daran, dass
alles so bleibt wie es früher war. Zu diesem Zweck will das JPEG-Komitee demnächst
eine spezielle Website ins Netz stellen, wo solche "Präzedenzfälle"
aufgelistet werden und jeder durch seine aktive Mithilfe zum Widerstand gegen
Forgent & Co. aufgerufen wird.
Dritter (und vorläufig letzter) Akt: Die
internationale Organisation für Standardisierung ISO (International Standard
Organisation) will auch ihr Wörtchen mitreden und erwägt, JPEG den Status
eines Standards zu entziehen. Sollte dieser Fall eintreten, wäre das ein Schlag
ins Gesicht für das JPEG-Komitee und für den Endverbraucher eine wahrlich
schlechte Nachricht. Dies würde Forgent Networks entgegenkommen und
Trittbrettfahrern wie eben Philips und Lucent das Tor für unzählige
Lizenzansprüche öffnen. Die Kosten, die da auf die Hersteller und folglich auf
den Verbraucher zukommen würden sind nicht einzuschätzen. Es muss aber davon
ausgegangen werden, das sich die Kosten für die Lizenzen in irgendeiner Weise
auf den Preis der Kameras niederschlagen.
Andererseits
könnte durch die ganze Geschichte der JPEG-Nachfolgestandard JPEG2000 endlich
Auftrieb erhalten. Dieser basiert auf einer ganz anderen Kompressionstechnik und
kollidiert und damit vermutlich nicht mit dem besagten Patent. Es bleibt abzuwarten, wie die Hersteller auf die
Lizenzforderungen von Forgent reagieren werden.