Die dritte Kolonne
Freie JPEG-Arbeitsgruppe bringt eigenen JPEG-Nachfolgestandard
2006-06-14 Wenn Microsoft etwas ankündigt, dann lässt das kaum jemanden kalt. So hat auch die Ankündigung des Redmonder Unternehmens, dem etablierten JPEG-Format Konkurrenz machen zu wollen, nicht nur bei den Endanwendern für Unruhe gesorgt, sondern auch Bewegung in die Sache um einen offizielleren Nachfolger für das JPEG-Format gebracht. Denn bei der Independent Joint Photographic Expert Group arbeitet man auch an einer effektiveren JPEG-Variante – und das müsste diejenigen beruhigen, die schon Microsofts WMP/WDP-Format das JPEG-Format ablösen sahen. (Yvan Boeres)
Lange Zeit war es um einen Nachfolger für das JPEG-Format ruhig gewesen – und das nicht ohne Grund. Wenn Projekte ins Stocken geraten, dann liegt das oft an internen Streitigkeiten bzw. Meinungsverschiedenheiten zwischen den an der Entwicklung beteiligten Personen oder Gruppen. So auch innerhalb des JPEG-Gründerkomitees. Ursprünglich aus Mitgliedern bzw. Vertretern der ISO (International Standards Organisation) und der ITU (International Telecommunication Union) zusammengesetzt, kam es innerhalb der Joint Photographers Expert Group schnell zu Divergenzen, als es darum ging, sich auf einen gemeinsamen Nachfolgestandard für das JPEG-Bildformat festzulegen. Während man auf Seiten der ISO mit JPEG2000 ein Bildformat durchsetzen will, das mit dem ursprünglichen JPEG-Format kaum noch etwas gemeinsam hat, bevorzugt man bei der ITU eine Weiterentwicklung des JPEG-Standards.
Dass JPEG2000 nicht das Zukunftsformat schlechthin darstellt, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Es hat sich nämlich ziemlich schnell herausgestellt, dass bei JPEG2000 das Verhältnis zwischen Rechenaufwand und Bildqualität zumindest bei der Anwendung in Digitalkameras nicht stimmt. Die Signalprozessoren der Kameras hätten ganz schön viel arbeiten müssen (was sich negativ auf den Stromverbrauch, das thermische Rauschen und die Reaktionszeiten ausgewirkt hätte) um Bilder zu liefern, die sich letztendlich kaum von normalen JPEG-Aufnahmen unterscheiden (da JPEG2000 seine Qualitätsvorteile erst bei sehr starken Komprimierungsfaktoren ausspielt). Jedenfalls konnte sich das JPEG2000-Format bisher nicht auf dem Kameramarkt durchsetzen.
Über Microsofts Versuch, dem JPEG-Standard ein eigenes Format entgegenzusetzen, haben wir bereits berichtet (siehe digitalkamera.de-Meldung vom 30.05.06 via den weiterführenden Links). Doch nun gibt es auch von offiziellerer Seite wieder Bewegung in der JPEG-Sache. Anlässlich des 20. Geburtstages von JPEG hat die Telekommunikationssparte der ITU (ITU-T) zusammen mit der Independent Joint Photographic Expert Group (die IJG ist eine unabhängige, aber sehr aktive JPEG-Arbeitsgruppe) die Alpha-Version einer Software herausgegeben, die von einer erweiterten JPEG-Version Gebrauch macht. Statt – wie Microsoft oder die ISO-Gruppe – ein neues Bilddatenformat zu entwickeln, wurde dem Standard-JPEG (Codename T.81) einfach nur eine alternative Komprimierungsroutine aufgesetzt. Der neue JPEG-Aufsatz ITU-T Recommendation T.851 verwendet den so genannten Q15-Arithmetikkode, der Bilder bzw. Fotos nicht nur effizienter komprimieren soll (geringere Dateimengen bei gleichem Qualitätsniveau im Vergleich zum Standard-JPEG), sondern auch die lang ersehnte 16-Bit-Unterstützung beim Umgang mit den Farben verspricht. Der bisher im JPEG-Standard vorgesehene Arithmetikkode konnte wegen Belastung mit Patentansprüchen Dritter nicht frei verwendet werden. Der neue Kode wurde von diesen Hindernissen befreit und außerdem für schnelleres Arbeiten modifiziert (sowohl bei der Komprimierung als auch bei der Dekomprimierung bzw. Bildwiedergabe).
Die Arbeit am neuen Komprimierungsalgorithmus soll bereits 2004 begonnen haben. Mit der Veröffentlichung der o. g. Software bzw. deren Quellcodes werden Entwickler freier Software und andere Interessierte dazu aufgerufen, die Weiterentwicklung und Verbreitung des neuen JPEG-Standards durch Erfahrungsaustausch sowie durch Implementierung der neuen JPEG-Routinen in diverseste Software-Projekte zu fördern. Wenn die ITU/IJG-Version des zukünftigen JPEG-Formates sich durchsetzt, dann sind auch die Chancen groß, dass die Kamerahersteller den neuen JPEG-Standard adoptieren.