CCD-"Epidemie"
Hintergründe zu den jüngsten Rückrufaktionen diverser Hersteller
2005-10-11 Ähnlich der Vogelgrippe kommt uns derzeit eine andere "Seuche" aus Asien entgegen, die diesmal nicht die Tierwelt, sondern die Kamerawelt betrifft. In den vergangenen Tagen mehren sich jedenfalls die "Wartungshinweise" diverser Kamerahersteller, die auf Probleme mit einigen Digitalkameramodellen aufmerksam machen. Der Auslöser dieser "Epidemie" dürften Sparmaßnahmen bei der Fertigung von CCDs sein, wobei der Sparzwang die Konstrukteure in diesem Fall nachträglich teuer zu stehen kommt. (Yvan Boeres)
Angefangen
hat alles mit einem "Wartungshinweis" der Firma Nikon, dicht gefolgt von
weiteren Hinweisen gleicher Art der Firmen Fujifilm, Canon und
Konica-Minolta. Dabei dürfte dies erst der Anfang einer ganzen Kette von
solchen Rückrufaktionen sein, da prinzipiell noch andere
Digitalkamerahersteller betroffen sein dürften, die während eines mehr oder
weniger langen Zeitraums einen bestimmten Typ CCD-Sensoren in ihre Kameras
verbaut haben.
Auch uns war es früh aufgefallen, dass trotz z. T. unterschiedlicher
Beschreibung des "Krankheitsbildes" alle bisher veröffentlichten
Service-Notizen einen gemeinsamen Nenner aufweisen: und zwar die von
Insidern bzw. gut informierten Lesern bekannte Tatsache, dass in vielen
Markenkameras CCD-Sensoren von Sony zum Einsatz kommen. Der letzte Woche von
Sony selbst veröffentlichte Wartungshinweis bringt es dann auf den Punkt. So
sind nur Kameras bzw. CCDs betroffen, die zwischen Oktober 2002 und März
2004 hergestellt wurden (nicht zu verwechseln mit der Markteinführung). Auch
betrifft das Problem, das sich in den meisten Fällen in Form von
Bildstörungen (extreme Verzerrungen, Farbfehler) manifestiert, nicht alle
Kameras, sondern nur einige Kameramodelle.
Diversen Quellen zufolge ist die Ursache für das Problem beim
Fertigungsprozess der CCDs zu suchen. Eine mögliche Erklärung liefern unsere
Kollegen von Imaging-Resource. Demnach kann man nämlich Mikrochips mit
Keramikgehäuse (Ceramic Pin Grid Array) oder mit vergleichsweise
kostengünstigerer Kunststoff-Ummantelung (Organic Pin Grid Array) der
Schaltkreise herstellen. Neben dem geringeren Herstellungspreis zählen laut
Wikipedia die gute Isolation und die Nachgiebigkeit gegenüber mechanischen
Belastungen zu den weiteren Vorteilen kunststoffummantelter Chips. Doch
gerade diese Isolation dürfte laut Imaging-Resource bei der von Sony im
genannten Zeitraum hergestellten CCD-Produktionsserie die nun erst bekannt
gewordenen Ausfälle bzw. Fehlverhalten verursacht haben. Die betroffenen
CCDs seien offenbar nicht genug gegen Hitze, Druck und Feuchtigkeit
geschützt gewesen und würden so mit der Zeit die von den Herstellern
beschriebenen Symptome entwickeln. Da Feuchtigkeit nur langsam in das
Kunststoffgehäuse eindringe, handele es sich um einen schleichenden Prozess,
was auch erkläre, warum jetzt erst die ersten Probleme auftreten. Eine
andere Erklärung hält die asiatische News-Seite Tech-On parat. Dort erklärt
man, dass die auftretenden Defekte auf eine Umstellung des
Verdrahtungsprozesses (bei dem verschiedene Teile des CCDs mit ultrafeinen
Drähten verbunden werden) zurückzuführen sei. Ein sich zersetzender
Verbindungsstoff, der das CCD-"Fenster" und das CCD-Gehäuse zusammen hält,
habe dann die ohnehin schon schwache Drahtverbindung weiter angegriffen.
Wie dem auch sei: Das Problem scheint mittlerweile gelöst zu sein, und Sony
versichert, dass es den Fertigungsprozess seiner CCDs nun im Griff hat.
Bleibt aber eine essentielle Frage: Obwohl praktisch alle Hersteller erklärt
haben, die betroffenen Kameras auch nach Ablauf der Garantiezeit kostenlos
zu reparieren, kann man sich fragen, wie sie das konkret tun wollen. Da CCDs
heutzutage oft eine Einheit mit dem Objektiv bilden und/oder fest auf ihren
Platinen verlötet sind, werden wohl ganze Baugruppen ausgetauscht werden
müssen. Und wenn man weiß, dass schon bei der Markteinführung mancher
Kameras deren Produktion bereits eingestellt bzw. auf die
Nachfolgegeneration umgestellt ist, kann man sich ausdenken, dass der
Reparaturaufwand enorm ist. Auf die betroffenen Hersteller dürften enorme
Kosten zukommen; es heißt aber inoffiziell, dass Sony diese übernehmen
wolle. Dem Besitzer einer defekten Kamera dürften die Sorgen von Sony aber
ziemlich egal sein. Der will nur seine Kamera möglichst schnell in einem
funktionsfähigen Zustand zurückbekommen. Wichtig ist nur, dass jetzt keine
Massenpanik ausbricht und die Service-Werkstätten der Hersteller nicht mit
Reparaturaufträgen von Kunden überschüttet werden, die ihre Kamera
prophylaktisch zur Reparatur einschicken. Wir empfehlen unseren Lesern, die
Wartungshinweise der jeweiligen Hersteller genau durchzulesen und nur dann
weitere Schritte zu unternehmen, wenn entweder die Kamera auf der Liste der
betroffenen Modelle steht oder wenn sie bereits die Defekte aufweist.
Sollten jedenfalls in den nächsten Tagen und Wochen noch weitere Hersteller
mit ähnlichen Wartungshinweisen folgen, werden wir diese Meldung um die
entsprechenden Links ergänzen; es empfiehlt sich also für den besorgten
digitalkamera.de-Besucher, diese Meldung alle paar Tage wieder aufzurufen
und u. U. die Seite neu zu laden.