Off-the-records
Kleine "Randnotizen" zur Sony Alpha 100
2006-06-12 In einer Zeit, wo so genannte "Leaks" in Form von mehr oder weniger versehentlichen Vor-Veröffentlichungen zum Tagesgeschäft gehören, kann man sich sowohl als Journalist als auch als Leser fragen, wozu Presseveranstaltungen und -reisen überhaupt noch gut sind. Die Antwort ist einfach. Längst geht man als Pressevertreter nicht mehr zu solchen Events, um Neues zu erfahren, sondern um neue Kontakte zu knüpfen (bzw. alte Kontakte zu pflegen) und um ein paar Hintergrundinformationen zu sammeln. Wie eben auch jüngst bei der Präsentation der Sony Alpha 100. (Yvan Boeres)
Neues erfährt man heutzutage einfacher, indem man in Internet-Foren Ausschau nach solchen Leaks hält und authentisch aussehende Informationen von so genannten "Fakes" (Neudeutsch für "Enten" bzw. Bildmontagen) zu trennen lernt. Von der kürzlich stattgefundenen Europa-Präsentation der Sony Alpha 100 hat die digitalkamera.de-Redaktion in Erwartung eines ersten Tests erste kleine Hintergrundinfos mehr oder weniger offizieller Natur bzw. Anekdoten mitgebracht. Parallel dazu veröffentlichen wir auch ein mit der Alpha 100 gemachtes Beispielfoto. Die Kamera stammt wohlgemerkt noch aus der Vorserienproduktion, so dass es noch etwas zu früh für etwaige Rückschlüsse auf die zu erwartende Bildqualität ist. Doch zunächst zu unseren "Reiseimpressionen".
Interessant ist zum Beispiel die Aussage eines Sony-Mitarbeiters, dass der neue Bionz-Signalprozessor keine Weiterentwicklung des hauseigenen Real-Imaging-Prozessors (wie er u. a. in der DSC-F828 und in der DSC-R1 zum Einsatz kommt), sondern eher des Signalprozessors aus den Dynax-D-Modellen von Konica Minolta (Advanced-LSI-Chip aus der Dynax 5D und Dynax 7D) darstellt. Die Bezeichnung BIONZ steht laut Focus/MSN übrigens für "Beyond the images" und bedeutet – literarisch übersetzt – soviel wie "jenseits der Bilder".
Wie der Staubschutz bei der Sony Alpha 100 funktioniert, lässt sich in den unterschiedlichsten Berichten (Meldungen, Vorabtests, offiziellen Pressemitteilungen, Sony-Produktbeschreibungen usw.) nachlesen. In erster Instanz soll eine spezielle antistatische Beschichtung (Indium-Zinnoxid) des CCD-Schutzglases bzw. des Tiefpassfilters dafür sorgen, dass sich Staubpartikel erst gar nicht auf dem Sensor festsetzen. Die verbleibenden Staubablagerungen sollen dann durch "Rütteln" des CCD-Sensors entfernt werden. Was allerdings kaum erwähnt wird, ist die Tatsache, dass die Sony Alpha 100 im Gegensatz zu den Olympus-DSLRs keine Auffangvorrichtung für den abgeschüttelten Staub besitzt. Deshalb wurde auch allen Ernstes während der "Produkt-Workshops" empfohlen, hin und wieder das Objektiv abzunehmen und die Kamera zum Boden hin zu halten, um sich so des abgefallenen Staubes zu entledigen. Vorzugsweise aktiviert man dann die "Sensorschüttelung" noch einmal manuell (im Setup-/Grundeinstellungsmenü findet sich ein entsprechender Eintrag); die vom Schüttelmechanismus (das Super-Steady-Shot-Inside- bzw. Anti-Shake-System wird hier einfach nur ein paar Sekunden lang mit Maximalstärke gefahren) verursachten Vibrationen sind übrigens als leichtes Rütteln (ähnlich stark wie beim Vibrationsalarm mancher Handys) spürbar.
Entgegen manchen Erwartungen werden die Rohbilddaten bei der Sony Alpha 100 weder im Sony-typischen RAW-Format (an der SRF-Dateiendung erkennbar), noch im Konica-Minolta-typischen RAW-Format (mit .MRW endend) aufgezeichnet. Wer mit seiner Sony-DSLR Bilder im Rohdatenformat aufnimmt, erkennt sie an der .ARW-Endung. Wie weit das neue Dateiformat mit den früheren Formaten kompatibel ist bzw. mit welchem Vorgängerformat (SRF oder MRW) es am nächsten verwandt ist, konnten wir nicht herausfinden – aber der "Wildwuchs" an unterschiedlichen RAW-Formaten trägt nicht unbedingt zur Übersichtlichkeit bei.
- Speicherkarten-Steckplätze:
Dass die Sony Alpha 100 nicht – wie ursprünglich vorgesehen und auch so in frühen Versionen der offiziellen technischen Daten vermerkt – über zwei Steckplätze (einen für CompactFlash-Karten und einen für Memory-Stick-Duo-Medien) verfügt, ist angeblich nur darauf zurückzuführen, dass man bei Sony nicht mehr dazu kam, die Kamera entsprechend zu modifizieren. So besitzt die Alpha 100 letztendlich nur einen Speicherkarten-Steckplatz für CompactFlash-Karten (Typ I, II, II+); wer noch im Besitz von MS-Duo-Speicherkarten ist, kann diese über den mitgelieferten CF-Adapter (mit der Produktbezeichnung AD-MSCF1) in seiner Sony-DSLR verwenden.
Genügend Zeit hatte man hingegen, das Batteriefach anzupassen. Auch wenn der NP-FM55H-Akku nicht zur Kategorie der InfoLithium-Akkus gehört (und die Alpha 100 demnach auch nicht die Restkapazität bzw. -laufzeit des Akkus minutengenau anzeigen kann) und dem Konica Minolta NP-400-Akku (wie er in dem inoffiziellen Alpha-100-Vorgänger Dynax 5D zum Einsatz kam) von der D-artigen Bauform sehr ähnlich sieht, sind die elektrischen Kontakte verschieden. So besitzt der Sony NP-FM55H-Akku drei lochförmige Kontakte, während der Konica Minolta NP-400-Akku mit zwei streifenförmigen Kontaktflächen versehen ist. Ob die Stamina-Technologie von Sony aber so viel effektiver ist als die Energieverwaltung nach Art von Konica Minolta, muss sich noch auf längere Zeit im Praxisgebrauch herausstellen.
Auch wenn Sony die Frage nach einem Nachfolger für die DSC-R1 offen gelassen hat, sehen wir für die Zukunft der R-Serie (sofern man bei einem einzigen Modell von einer Serie reden kann) Schwarz. Man betonte zwar auf der Alpha-100-Vorstellung, dass die DSC-R1 ein sehr erfolgreiches Modell gewesen sei (unter vorgehaltener Hand relativierte man das aber auf den deutschen und japanischen Markt) und dass man sich bei der Produktplanung an den Kundenwünschen orientieren wolle, aber gerade diese letzte Aussage haben wir zu oft von Herstellern (u. a. Canon, Nikon und Olympus) gehört, welche sich nur noch auf Einsteiger-DSLRs konzentrieren und die Prosumer- bzw. Bridgekamera-Klasse total vernachlässigt haben…
Als wolle Sony seinen neuen Hauptkonkurrenten Canon in jeder Hinsicht übertrumpfen, wird es in der Alpha-Objektivpalette gleich zwei Prestigeserien geben. Und zwar die von Konica Minolta übernommene G-Serie und die Carl-Zeiss-Objektivserie. Vorerst sind vier Zeiss-Optiken geplant. Das sind das Planar T* 85mm F1.4 ZA, das Sonnar T* 135mm F1.8 ZA, das Vario-Sonnar T* 24-70mm F2.8 ZA sowie das Vario-Sonnar T* DT 16-80mm F3.5-4.5 ZA. Im Gegensatz zur kürzlich von Zeiss angekündigten ZF-Serie für Nikon-Kameras verfügen die ZA-Objektive über einen Autofokus-Antrieb, und nur das Planar gibt es sowohl in ZA- als auch in ZF-Ausführung. Demnach sind die meisten ZA-Linsen neu gerechnet, und was einem dabei auffällt, ist, dass – mit Ausnahme des 16-80er-Zooms – alle ZA-Objektive einen großen Bildkreis besitzen und demnach auch das Kleinbildformat abdecken können. Man kann sich schwer vorstellen, dass Zeiss solche "vollformattauglichen" Optiken entwickelt hat, um alleine die Besitzer ehemaliger Kleinbild-Spiegelreflexkameras von Konica Minolta (die das gleiche Objektivbajonett mit der Alpha 100 gemeinsam haben) zu beglücken. Deshalb wird jetzt schon darüber spekuliert, ob Sony an einer Profi-DSLR mit Vollformat-Sensor arbeitet…
Unser persönlicher Eindruck von der Sony Alpha 100 war (wir mögen uns auch irren), dass die Kamera eigentlich die Nachfolgerin der Konica Minolta Dynax 5D werden sollte und die KM-Ingenieure nur von den Ereignissen (der Aufgabe des Kamerageschäftes und Abtretung dieses Geschäftsbereiches an Sony) überholt wurden. Sprich: Wenn sie nicht als Sony Alpha 100 herausgekommen wäre und Konica Minolta noch im Rennen wäre, würde sie wohl Dynax 5s o. ä. heißen. Die Sony Alpha 100 ist jedenfalls eher als Dynax-5D-Modellpflege (was alles andere als eine Schande ist) zu verstehen statt als die "neue Art digitaler Spiegelreflexkameras", wie sie vollmundig von Sony versprochen wurde. Dafür hätte Sony schon ein etwas radikaleres bzw. wagemutigeres Neukonzept vorstellen müssen, aber wer weiß, was da noch kommt …