Digital Imaging
Kodak klotzt digital
2004-11-03 Vor etwa einem halben Jahr noch hatten die Auguren unter den Wirtschaftsexperten und Aktienanalysten Kodak, dem "Gelben Riesen" aus Rochester/USA, das baldige Ende vorausgesagt. Der weltweite Marktführer auf dem klassischen Fotomarkt war nämlich – nach 74 Jahren ununterbrochener Repräsentanz im Dow Jones – aus dem US-Standardwerte-Index (vergleichbar dem deutschen DAX) ausgeschlossen worden. Das war eine direkte Folge der zu geringen Marktkapitalisierung der Eastman Kodak-Aktie und dies wiederum ein Ergebnis des zu zögerlichen Kodak-Engagements auf dem Gebiet der digitalen Fotografie. In den vergangenen Wochen hat das inzwischen 103 Jahre alte Unternehmen Kodak der Branche allerdings seine offenbar ungebrochene Dynamik demonstriert und neue Entwicklungen und strategische Allianzen auf diesem Wachstumsmarkt vorgelegt. (Jan-Gert Hagemeyer)
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Erst im September 2003 hatte Kodak sich selbst nach langem Abwarten eine
digital orientierte Wachstumsstrategie verordnet. Daraufhin wurde etwa die
Herstellung und der Vertrieb analoger Kameras gänzlich einstellt. Darüber
hinaus forcierte das Unternehmen mit Fertigungsstätten in Australien,
Brasilien, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Kanada, Mexiko,
Russland und den USA verstärkt seine Angebote auf dem Gebiet des "Info-Imaging".
Darunter versteht man bei Kodak die Verwendung von Bildern als
Informationsträger, ein Ansatz, mit dem die Kommunikation zwischen Kunden
und Unternehmen entscheidend verändert werden kann. Darüber hinaus setzt das
Unternehmen auf Photo-Kiosks und Minilabs, wo die User von Digital-Kameras
ihre Fotos (auch auf Fotopapier von Kodak) entwickeln lassen können. Auf der
vergangenen Photokina, der weltgrößten Fotofachmesse in Köln, präsentierte
Kodak auf dem mit über 8.000 qm größten und imposantesten Stand unter dem
Motto "Anytime. Anywhere." seine neue, höchst ambitionierte
Digitalstrategie. Sie soll es dem Verbraucher ermöglichen, mehr aus und mit
seinen Bildern zu machen – sowohl zuhause als auch über Online-Anwendungen
und im Handel. Wichtige strategische Partnerschaften unterstrichen Kodaks
neues Ziel, alle fotografischen Anwendungen – digital, analog und mobil – zu
einer neuen Systemwelt zu bündeln.
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Zu den wichtigsten Partnerschaften auf dem Sektor des Info-Imaging, die
in Köln bekannt gegeben wurden, gehört das ImageLink Printsystem – ein
Industrieabkommen mit führenden Kameraherstellern wie Konica Minolta, Nikon,
Olympus, Pentax, Ricoh und Sanyo, wonach künftige Kameras dieser Hersteller
kompatibel zu Kodaks EasyShare-Druckerstationen sein werden, von denen das
Unternehmen seit 2003 weltweit bereits mehr als eine Million Stück
ausgeliefert hat und in Australien, Großbritannien und in den USA bereits
Marktführer ist. In der neuen EasyShare-Generation genügt es, die
Digitalkameras der kooperierenden Hersteller auf die kleinformatigen
Fotodrucker aufzustecken und den Print-Knopf zu betätigen; in weniger als 60
Sekunden werden Digitalfotos im Format 10 x 15 cm ausgegeben. Für die nötige
Kompatibilität sorgt ein 26-poliger Verbindungsstecker, den sowohl Kamera
als auch EasyShare-Drucker besitzen. Erste Digitalkameras und Fotodrucker
mit den neuen ImageLink-Spezifikationen werden für das 1. Quartal 2005
erwartet. Rainer Dick, Geschäftsführer von Kodak in Deutschland, zur
künftigen Digitalstrategie seines Konzerns: "Die digitale Fotografie wird
sich zu einem Massenmarkt entwickeln. Es ist unsere Verpflichtung als
Marktführer und Pionier der Fotografie, Produkte und Serviceleistungen zu
entwickeln, die das kommende digitale Zeitalter prägen sollen." Der
Marktführer hat offenbar erkannt, dass sich die Welt der Fotografie rasant
verändert hat. Bilder sind omnipräsent und stehen immer und überall zur
Verfügung, aber am Ende sieht Kodak nicht das virtuelle Bild auf PC oder
Handy, sondern stets wieder "Bilder zum Anfassen" (so Rainer Dick),
letztlich also Prints, wo Kodak sich seit mehr als 100 Jahren auskennt.
Zu weiteren Initiativen von Kodak im Digital Imaging gehört auch die
Gründung der PASS-Gruppe. PASS ist die Abkürzung für "Picture Archiving and
Sharing Standard" und stellt die gemeinsame Entwicklung eines offenen
Standards bei der Archivierung und dauerhaften Erhaltung von digitalen
Bildern und Filmen auf CDs, DVDs oder anderen Datenträgern dar. Daran
beteiligen sich zunächst außer Kodak auch Fujifilm und Konica Minolta. Sie
wollen – unter Verwendung und Harmonisierung von bereits vorhandenen
Standards – einfache Speicher-, Organisations-, Druck- und
Weitergabemöglichkeiten schaffen, die auch für künftige Generationen
geeignet sind. "Das Prinzip ist ganz einfach", meint Ben Gibson,
Cheftechniker im Bereich Digital & Film Imaging bei Eastman Kodak, "die
Verbraucher sollen ihre Bilder nicht nur heute, sondern auch in Zukunft
betrachten können."
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Zusammen mit IBM hat Kodak zudem die gemeinsame Entwicklung neuer
Bildsensoren für Digitalkameras und Kamerahandys angekündigt. In dem von den
beiden Partnern angepeilten Massenmarkt soll das Spitzen-Know-how von Kodak
in der Herstellung von CCD-Bildsensoren (Charged Coupled Device), wo Kodak
weltweiter Marktführer ist, und dasjenige von IBM auf dem Gebiet
komplementärer Metalloxid-Halbleiter (CMOS) zusammengeführt werden. Ziel ist
dabei eine neue Generation von CMOS-Bildensoren, die gegenwärtige CIS-Geräte
in Bildqualität und innovativer Funktionalität übertreffen sollen. Dabei ist
vor allem an strom- und kostensparende CMOS-basierte Sensoren mit hoher
Integration gedacht. Ferner ist die Eastman Kodak Company zusammen mit der
Leica Camera AG dabei, ein digitales Rückteil für die anlogen
Leica-Spiegelreflexkameras R8 und R9 mit Bildsensoren zu entwickeln, so dass
es mithilfe des vollständig abnehmbaren digitalen Rückteils Leica
Digital Modul R möglich sein wird, erstmals mit einer SLR sowohl analog als
auch digital zu fotografieren. Der neue CCD-Bildsensor (effektive Bildfläche
26,4 x 17,6 mm, Brennweitenverlängerungsfaktor 1,37) mit der Bezeichnung
Kodak KAF-10010CE wird – bei einer 6,8-µm-Pixelarchitektur – eine Auflösung
von 10 Megapixel aufweisen, bei gleichzeitig hoher Bildqualität und
vermindertem Rauschen.
Schon knapp ein Jahr nach Kodaks später Attacke auf den digitalen
Imaging-Bereich konnte Konzernchef und Chief Executive Officer Daniel A.
Carp verkünden, dass sich die Sache gelohnt hat: "Erstmals seit der
Präsentation unserer digital orientierten Wachstumsstrategie im September
2003," so der Kodak-Chairman, "hat das Unternehmen seine Gewinnerwartungen
wieder erfüllt, indem es im traditionellen Geschäft vorsichtiger operiert,
weiterhin Kosten in der Organisation eingespart und einen Wachstumskurs im
digitalen Geschäft gesteuert hat. Kodaks digitale Umsätze etwa stiegen im
dritten Quartal 2004 um 39 Prozent, wobei im traditionellen Geschäft ein
Rückgang um 13 Prozent hingenommen werden musste." Für die kommenden Jahre
prognostiziert der Konzern ähnlich steigendes Wachstum im digitalen und noch
drastischeren Geschäftsrückgang im Consumer-Filmbereich für die gesamte
betroffene Industrie – weltweit um nochmals 20 Prozent bis 2005 und in den
USA sogar um 30 Prozent. Ob und wann die Traditionsaktie der Eastman Kodak
Company wieder unter die Standardwerte des Dow Jones Index eingereiht werden
wird, hat der Kodak-Boss nicht vorausgesagt.