EOS-RT-Reloaded
Kommt mit der EOS-1Di der feststehende Spiegel wieder?
2008-10-21 1989 brachte Canon die EOS RT heraus; eine (analoge) Spiegelreflexkamera, die sich durch extrem kurze Auslösezeiten und demzufolge auch schnelle Bildfrequenz im Serienmodus auszeichnete. Gerüchten zufolge will der Branchenprimus dieses Kamerakonzept demnächst in digitaler Form neu aufleben lassen. Die Neue soll EOS-1Di heißen und mit Hilfe eines feststehenden Spiegels mit elektronisch gesteuerter Teildurchlässigkeit neue Geschwindigkeitsrekorde brechen sowie ein paar andere nicht zu verachtende Vorteile mit sich bringen. (Yvan Boeres)
Die Gerüchte-Website CanonRumors.com will ein internes Canon-Dokument zugespielt bekommen haben, in dem von einer EOS-1Di die Rede ist. Wenn die Gerüchte stimmen, wäre dies in gewisser Weise die digitale "Neugeburt" der EOS RT bzw. EOS-1n RS. Die EOS RT war zu ihrer Zeit (anno 1989) ein sehr interessantes Kamerakonzept. Während bei konventionellen Spiegelreflexkameras (egal ob analog oder digital) der so genannte Schwingspiegel das vom Objektiv eingefangene Bild in den Sucher umleitet und bei der Auslösung hochklappt, um – für die kurze Zeit, während der der Verschluss geöffnet ist – den Weg zum Film bzw. Bildsensor frei zu geben, rührte sich bei der EOS RT der Spiegel nicht von der Stelle. Dieser war nämlich fest eingebaut; durch eine teildurchlässige Spiegeloberfläche (die das Licht etwa zu 70 Prozent absorbierte und zu 30 Prozent reflektierte) konnten die Bild formenden Lichtstrahlen ganz ohne Spiegelbewegungen gleichzeitig in den Sucher und auf den (Kleinbild-)Film gelenkt werden.
Eine solche Konstruktion hatte gleich mehrere Vorteile. So fielen keine (Mikro-)Vibrationen durch den Spiegelschlag an (was vor allem bei Langzeitbelichtungen zu minimalen Verwacklungsunschärfen führen kann) und eine so genannte Sucher-Dunkelphase, bei der für den Bruchteil einer Sekunde wegen des hochgeklappten Spiegels nichts im Sucher zu sehen ist (was aber manchmal ausreicht, um das Motiv z. B. beim Mitziehen der Kamera aus den Augen zu verlieren) gab es auch nicht. Außerdem beschränkte sich das Auslösegeräusch auf das Verschlussgeräusch – was aus der EOS RT eine sehr geräuscharme Kamera machte. Der größte Vorteil war aber die drastisch verkürzte Auslöseverzögerung. Die EOS RT löste mit einer Auslöseverzögerung von nur 0,008 Sekunden quasi in Echtzeit aus (das RT in der Produktbezeichnung stand – bezeichnend dafür – für "Real Time") und erreichte eine für damalige Verhältnisse relativ schnelle Bildfrequenz von fünf Bildern pro Sekunde im Serienbildmodus. Die EOS RT war dabei weder die erste noch die letzte Canon-Kamera mit feststehendem, teildurchlässigem Spiegel. Ihr voran gingen die Pellix (1965), die Pellix QL (1966), die F-1 High Speed (1972) sowie die New F-1 High Speed (1984), und ihr folgte 1995 noch die EOS-1n RS (mit einer Auslöseverzögerung von 0,006 s und bis zu 10 Bildern/s). All diese Kameras hatten aber auch mit einigen inhärenten Nachteilen zu kämpfen. So verlor man wegen des teildurchlässigen Spiegels auch ca. 2/3 Blenden bei der Belichtung, der Sucher fiel vergleichsweise düster aus, man hatte verstärkt mit Staubproblemen zu kämpfen, und die Kameras waren auch verhältnismäßig teuer. Olympus brachte mit den ersten E-Modellen (E-10, E-20P usw.) die ersten Digitalkameras mit ganz ähnlicher Architektur heraus – nur mit dem Unterschied, dass hier ein Glasprisma den teildurchlässigen Spiegel ersetzte.
Während Olympus zusammen mit Panasonic dabei ist, den Schwingspiegel beim Micro-FourThirds-System komplett aus den "Spiegelreflexkameras" (die de facto dann keine mehr sind) zu verbannen, könnte es bei Canon in ein paar Wochen zu einer "Renaissance" der Spiegelreflexkameras mit feststehendem Spiegel kommen. Sollten sich die von CanonRumors.com kolportierten Gerüchte als wahr herausstellen, wird Canon am 4. November die EOS-1Di offiziell präsentieren. Sie wäre sozusagen mit der "elektronischen" Version des teildurchlässigen Spiegels ausgestattet; wohl anhand von Flüssigkristalltechnik (so vermuten wir es) wäre der feststehende Spiegel in der Lage, fast augenblicklich vom reflektierenden in den transparenten Zustand zu wechseln. Die Vorteile liegen auf der Hand: extrem kurze Auslöseverzögerung, kein Spiegelschlag mehr usw. Sogar die bisher bekannten Nachteile feststehender, teildurchlässiger Spiegel würden der Vergangenheit angehören. Dadurch, dass der Spiegel auch als (Hochgeschwindigkeits-)Verschluss fungieren könnte, würde die EOS-1Di nicht nur geräuscharm, sondern total geräuschlos arbeiten können und eine kürzeste Verschlusszeit von sagenhaften 1/128.000 Sekunden erreichen. Durch Erreichen einer quasi vollständigen Lichtdurchlässigkeit bei der Aufnahme gäbe es auch keinen Lichtverlust bei der Belichtung. Man wolle sogar das Staubproblem gelöst haben und ein Videomodus sowie ein Liveview-Modus wären ebenfalls mit von der Partie.
Durch die neue Technik würde die EOS-1Di im Serienbildmodus (bei dem der Sucher durch Regelung der Teildurchlässigkeit des elektronischen Spiegels nur etwas an Helligkeit verlieren würde) bei bis zu 320 JPEG-Large-Bildern bzw. 100 RAW-Bildern in Folge eine Bildfrequenz von 22 Bildern pro Sekunde erreichen. Und das bei einer Bildauflösung von 8,2 Megapixeln und einer Rechentiefe von 16 bit bei der Analog/Digital-Wandlung (was für feinere Farbverläufe und einen erweiterten Tonwertumfang steht)! Eine solche Auflösung mag so manchem vielleicht zu Zeiten zweistelliger Auflösungswerte (die kürzlich angekündigte EOS 5D Mark II kommt auf 21,1 Megapixel) mickrig vorkommen, aber man muss sich mal die Datenmengen vorstellen, die die Kamera in sehr kurzer Zeit zu bewältigen hat. Aus diesem Grund soll die EOS-1Di auch in einer Art "freiwilligen Selbstbeschränkung" von einem kleinen Bildsensor (APS-C-Formfaktor wie bei der EOS 450D & Co.) und einem dualen DiGIC-4-Prozessor (also entweder zwei getrennte Chips oder ein Prozessor mit zwei Kernen) Gebrauch machen. Weitere besondere Merkmale der EOS-1Di: die gleiche lückenlose Mikrolinsen-Struktur wie bei der neuen EOS-50D, ein Lichtempfindlichkeitsstufenbereich von entspr. ISO 25 bis 12.800, keine feste Blitzsynchronzeit mehr, keine AF-Justierungsprobleme mehr, UDMA-Unterstützung und ein 45-Punkt-AF (19 Kreuzsensoren + 26 Hilfssensoren). Und das Beste noch zum Schluss: ein halbwegs bezahlbarer Preis von 2.999 US-Dollar.
Ob es sich bei der EOS-1Di um eine Ente bzw. einen Scherz handelt, oder ob die Kamera wirklich im November vorgestellt wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht klar. Die üblichen Canon-Leaks werden schon dafür sorgen, dass sich die Gerüchte entweder verdichten oder in (heiße) Luft auflösen. Spätestens am 04.11. wird man Bescheid wissen; wenn die Wiedergeburt des feststehenden Spiegels sich nur als Wunschtraum entpuppen sollte, war es wenigstens kein unschöner Traum!