Marktanalyse

Kompaktkameras – die aussterbende Spezies?

2024-10-12 Im Zuge unserer regelmäßigen Datenbank-Pflege haben wir überprüft, welche Kompaktkameras – also Kameras mit fest angebautem Objektiv, egal ob groß oder klein – aktuell noch neu lieferbar sind. Dabei haben wir heute auf einen Schlag 9 weitere Kompaktkameras als "nicht mehr lieferbar" geflaggt, darunter etliche eigentlich attraktive Geräte. In diesem Artikel verraten wir, welche Hersteller den Markt noch bedienen und welche Kompaktkameras von "A-Marken" es noch neu zu kaufen gibt.  (Jan-Markus Rupprecht)

Das "Sterben" der Kompaktkameras der A-Marken-Hersteller läuft schon eine ganze Weile. Neue, attraktive Modelle werden nur noch höchst selten vorgestellt. Alte Modelle, die noch lieferbar waren, konnte man fast schon als "historisch" bezeichnen. Vermutlich hatten die Hersteller häufig einfach noch größere Lagerbestände, die über die Jahre langsam abverkauft wurden, wobei die Preise durchaus nach oben statt nach unten gehen konnten. Wenn wir einmal schauen, welche Modelle in 2023 und 2024 vom Markt verschwanden und welche Strategie die einzelnen Hersteller dabei fahren, kann man das nach Marken sortiert im Prinzip wie folgt zusammenfassen (die jeweils fett markieren Typenbezeichnungen sind die Kameras, die es noch gibt).

Canon hat sich aus dem Markt der Kameras mit festem Objektiv komplett zurückgezogen. Lediglich die Superzoom-Kamera Canon PowerShot SX70 HS von 2018 haben wir als einzige noch auf "lieferbar" stehen. Sie ist momentan noch bei Amazon und einigen Fotohändlern erhältlich. Der Preis liegt mittlerweile über der ehemaligen unverbindlichen Preisempfehlung.

Fujifilm ist mit der X100-Baureihe weiterhin aktiv, mit jeweils einer aktuellen Hybrid-Sucher-Kamera mit Bildsensor in APS-C-Größe. Die Serie ist so erfolgreich, dass sie oft lange Lieferzeiten hat. Aktuelles Modell ist die Fujifilm X100VI. Man wundert sich, dass andere Hersteller, wie z. B. Canon, diesen Markt nicht bedienen möchten.

Leica ist noch aktiv, hat sogar mit Kooperationspartner Panasonic mit der Leica D-Lux 8 eine modifizierte Neuauflage der D-Lux 7 (die nahezu baugleich zur Panasonic DC-LX100 II war) herausgebracht. Auch im High-End-Kompaktkamera-Bereich ist Leica als mittlerweile einziger Hersteller vertreten und hat dort die sündhaft teuren Vollformat-Festbrennweiten-Kompaktkameras Leica Q3 (mit 28 mm Brennweite) und Leica Q3 43 (mit 43 mm Brennweite) im Programm sowie die Leica Q2 Monochrom.

Nikon hat theoretisch noch 2 Superzoom-Kameras im Programm, die Nikon Coolpix P950 (mit 83,3x-Zoom) und die Nikon Coolpix P1000 (mit 125x-Zoom). Letztere ist immer wieder nicht lieferbar, Internet-Händler nennen Lieferzeiten bis Frühjahr 2025. Das ist so allerdings schon länger immer wieder der Fall, sodass man daraus nicht automatisch schließen kann, dass die Kamera ausläuft.

OM System (vormals Olympus) hat seit Jahren jeweils nur eine wasserdichte Outdoor-Kamera im Programm. Aktuell ist die OM System TG-7, die gegenüber dem Vorgängermodell Olympus TG-6 mit einer zeitgemäßen USB-C-Schnittstelle ausgestattet wurde. Ansonsten hat es seit der Olympus TG-5 von 2017 keine nennenswerten technischen Veränderungen gegeben.

Panasonic hielt den Kompaktkameras lange Zeit die Treue, aber auch dort scheint jetzt Schluss zu sein. Die Liste der (zumindest nach unserer Beobachtung) in 2023 und 2024 ausgelaufenen Panasonic-Kompaktkameras umfasst nicht weniger als 12 Modelle. Das noch Ende 2022 von der TZ202 zur TZ202D modifiziertes Travelzoom-Spitzenmodell (kleines Gehäuse, 1-Zoll-Sensor, 20x-Zoom) ist nach nicht einmal 1,5 Jahren schon wieder Geschichte. Man munkelt, dass auch die gerade erst vorgestellte, von der FZ82 zur FZ82D modifizierten Superzoomkamera dasselbe Schicksal, allerdings noch viel schneller, ereilen wird.

Darüber hinaus ist noch weiterhin die Superzoom-Kamera mit 1-Zoll-Bildsensor Panasonic DMC-FZ2000 erhältlich. Kenner ersehen aus dem "DMC" (für Digital Media Camera), dass dieses Modell steinalt ist. Seit vielen Jahren nutzt Panasonic die modernere Abkürzung "DC", schlicht für Digital Camera. Tatsächlich ist die FZ2000 von 2016 die derzeit dienstälteste Kompaktkamera auf dem Markt.

Ricoh bzw. Pentax (zwei Marken, ein Hersteller) ist seit Jahren mit zwei Produktlinien im Markt. Einerseits mit einer Vielzahl wasserdichter Outdoor-Kameras, andererseits mit der hochwertigen GR-Serie mit Bildsensor in APS-C-Größe. Was bei den Outdoor-Kameras noch aktuell ist und was nicht, lässt sich schlecht sagen. Entscheidend ist für uns dabei, ob die Kameras im Handel noch in nennenswerten Stückzahlen erhältlich sind. Das war und ist bei der Ricoh G900 und Ricoh G900SE nie der Fall, weil diese Spezialmärkte bedienen und gar nicht breit im Handel sind.

Darüber hinaus gibt es 2, beziehungsweise neuerdings theoretisch sogar 3 "Consumer-Linien". Die höherwertige Braureihe hat eine einstellige Typenbezeichnung. Aktuell ist die Ricoh WG-8, die in Europa auf die WG-6 folgte (die WG-7 kam in Europa nicht auf den Markt). In der preisgünstigeren zweistelligen Baureihe ist die Pentax WG-90 das aktuelle Modell, das ohne nennenswerte technische Änderungen auf die weiterhin gut im Markt verfügbare Ricoh WG-80 folgte (Achtung: Markennamen-Wechsel). Noch preislich darunter hat der Hersteller die Pentax WG-1000 positioniert. Insgesamt hat Pentax/Ricoh gleichzeitig 7 Outdoor-Kameras im Markt, die aus unserer Sicht alle noch mehr oder weniger lieferbar sind.

Ricoh bekommt hier noch einen weitren Absatz, für die oben schon kurz erwähnte GR-Serie. Die Ricoh GR III folgte 2019 auf die GR II und bekam 2021 mit der Ricoh GR IIIx ein Schwestermodell. Beide GR-III-Modelle haben einen Bildsensor in APS-C-Größe mit Sensor-Shift Bildstabilisator in einem sehr flachen Gehäuse verbaut (leider aber keinen Sucher). Der Unterschied zwischen beiden Modellen besteht in ihrem Festbrennweiten-Objektiv. Das der GR III hat eine umgerechnete Kleinbildbrennweite von 28 mm (Weitwinkel), das der GR IIIx beträgt umgerechnet 40 mm (also Normalbrennweite). Die Kameras haben nach wie vor eine große Fangemeinde. Sie sind mit Abstand die kleinsten (vor allem flachsten) Kameras mit recht großem Sensor.

Sony als ehemaliger Pionier der 1-Zoll-Bildsensor-Klasse hatte lange Jahre ein sehr umfangreiches Programm an hochwertigen Kameras der kleinen RX100-Serie und der größeren (Bridge-Kamera-) RX10-Serie. Nie günstig, aber immer gut, kann man sagen. Auch Sony hat das Kompaktkamera-Angebot in letzter Zeit sehr ausgedünnt. Die Kameras mit kleinem Sensor (kleiner als 1 Zoll) sind alle weg, aber auch die RX100-Baureihe schrumpft kontinuierlich zusammen. Übriggeblieben sind aktuell von ehemals sieben Modellen nur noch zwei: Die Sony DSC-RX100 VA ist das 2018 leicht modifizierte Nachfolgemodell der RX100 V (ohne A). Das ist eigentlich das letzte verbliebene, und aufgrund der guten Bildqualität durchaus populäre klassische 3-fach-Zoom-Modell (genauer gesagt 2,9-fach-Zoom), aber auch diese Kamera scheint gut informierten Kreisen zufolge auszulaufen. Wer eine solche Kamera noch neu kaufen möchte, sollte sich beeilen. Noch gut verfügbar ist hingegen die Sony DSC-RX100 VII mit ihrem 8,3-fach-Zoom. Der große Zoombereich kostet allerdings ein bisschen Bildqualität.

Schon von 2017, aber weiterhin im Programm, ist die große, massive, edle 25x-Zoom-Bridgekamera Sony DSC-RX10 IV als einziges Modell aus der RX10-Baureihe – viele Kunden bedauern, dass Sony diese Serie nicht weiterpflegt. Darüber hinaus hat Sony im Kompaktkamera-Segment nur noch Vlogger-Kameras. Von denen ist allerdings nur die Sony ZV-1 – bis auf den fehlenden Sucher – uneingeschränkt fototauglich. Um Grunde ist die ZV-1 eine RX100 VA minus Sucher plus hochwertiges Mikrofon und ihr Monitor ist dreh/schwenkbar. Ihre Schwestermodelle sind aufgrund von Einschränkungen bei der Belichtungszeit nicht uneingeschränkt fototauglich, sondern hauptsächlich Videokameras. Dasselbe gilt für die winzige Sony RX0, die eher in Richtung Actioncam tendiert.

Ende 2024 nur noch 12 Kompaktkameras der großen Kameramarken erhältlich

Wenn man die ganzen Outdoor-Kameras und die verbliebenen Superzoom-Kameras mit kleinen Bildsensoren mal weglässt und ebenso mit den für Fotos nur eingeschränkt nutzbaren Vlogger-Kameras verfährt, dann bleiben aktuell folgende Kompaktkameras mit mindestens 1-Zoll-Bildsensor, mit denen man hochwertige Fotos machen kann, übrig. Festbrennweiten-Varianten haben wir in einer Zeile zusammengefasst. Dann sind aktuell noch sage und schreibe 10 hochwertige Kompaktkameras am Markt, von denen eine wahrscheinlich auch schon ein Auslaufmodell ist:

  1. Fujifilm X100VI
  2. Leica D-Lux 8
  3. Leica Q2 Monochrom
  4. Leica Q3 / Leica Q3 43
  5. Panasonic Lumix DMC-FZ2000
  6. Ricoh GR III / Ricoh GR IIIx
  7. Sony ZV-1
  8. Sony DSC-RX100 VA (vermutlich Auslaufmodell)
  9. Sony DSC-RX100 VII
  10. Sony DSC-RX10 IV

Wir als digitalkamera.de-Redaktion müssen ehrlich sagen, dass uns diese Situation gar nicht gefällt und vielen unserer Leser geht es offenbar ähnlich. Nach wie vor zählt unser E-Book "Kaufberatung Premium-Kompaktkameras" zu unseren meistverkauften Bezahlinhalten. Das E-Book haben wir im Frühjahr, statt es immer weiter und weiter auf die wenigen verbliebenen Modelle zu reduzieren, um alle früheren Premium-Kompaktkameras und damit auf "Neu und gebraucht!" erweitert. Denn der Gebraucht-Markt wird zunehmend zur einzigen Quelle, wenn man eine hochwertige Kompaktkamera kaufen möchte.

B-Marken übernehmen den Markt

Übrigens ist es nicht so, dass es überhaupt keine preisgünstigen Kompaktkameras mehr gibt, sondern es sind jetzt andere Hersteller, die diesen bedienen. Alte Marken wie Agfaphoto, Kodak oder Rollei, aber auch Händler wie Pearl sind in diesen Markt eingetreten und haben Kameras im Programm, wie man sie zu Boom-Zeiten der Digitalkameras von den A-Kameraherstellern kannte. Überwiegend also mit kleinen Bildsensoren, gerne mit großen Zoombereichen. Solche Kameras sind teilweise konsequent auf ein Posten-Geschäft ausgelegt oder für bestimmte Vertriebskanäle. Digitalkameras von Rollei findet man beispielsweise nicht einmal im sonst gut sortierten Online-Shop der Marke, sondern z. B. bei Amazon oder Media Markt.

Dass wir auf digitalkamera.de solche Geräte aussparen, ist kein böser Wille, sondern wir haben uns schon zu Boom-Zeiten beschränken müssen: Offiziell in Europa erhältlich war das eine Kriterium. Ein "richtiger Hersteller", eine sogenannte A-Marke, war das zweite Kriterium. Nicht immer war die Trennung ganz klar und ganz einfach, aber um die "NoNames" haben wir immer einen Bogen gemacht. Dies allein schon aus dem einfachen Grund, weil es da oft gar nicht möglich ist, offizielle Fotos und ausreichende technische Daten zu bekommen. Zudem sind solche Kameras teilweise sehr kurzlebig. Bis man sie getestet hat, sind sie als Postenware mitunter schon wieder vom Markt verschwunden.

Was bleibt, ist der Gebraucht-Kauf

Eine gute Quelle für den Kauf hochwertiger Kompaktkameras, außer den wenigen verbliebenen neu erhältlichen Kameras, ist natürlich ein riesiges Gebraucht-Angebot solcher Kameras bei spezialisierten Gebraucht-Händlern wie MPB, bei Fotohändlern wie Calumet oder Mundus und natürlich einschlägigen Plattformen wie eBay oder Kleinanzeigen.de. Deshalb werden wir das Kompaktkamera-Segment weiterhin nicht links liegen lassen, sondern unser E-Book "Kaufberatung Premium-Kompaktkameras" weiterhin pflegen.

Für die Travelzoom-Kameras haben wir übrigens auch ein Kaufberatungs-E-Book, das wir seit 2020 nicht mehr aktualisiert haben, weil seitdem keine neue Reisezoom-Kamera mehr erschienen ist. Für Gebraucht-Käufer ist dieses E-Book weiterhin nützlich, zumal wir darin die fünf Favoriten der Redaktion nennen, die damals wie heute die besten Travelzoom-Kameras sind – auch gebraucht gekauft.


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