Luftblase oder Durchbruch?
Neue Memjet-Technologie will den Druckermarkt revolutionieren
2007-03-27 Die Geschwindigkeit und die Qualität von Laserdruckern mit den (verhältnismäßig) geringen Kosten und der einfachen Bedienung von Tintenstrahldruckern kombinieren: Das ist das ehrgeizige Ziel der australischen Firma Silverbrook Research, die das mit der von ihr entwickelten Memjet-Technologie erreichen will. Zumindest in der Theorie hört sich die neue Drucktechnik dabei so simpel wie spannend an. Werden wir vielleicht bald Tintenstrahldrucker sehen, die bis zu 30 Ausdrucke im 10x15cm-Format pro Minute in Fotoqualität ausgeben oder nicht? (Yvan Boeres)
In einer Zeit, wo schon so manches Unternehmen Bahn brechende neue Technologien angekündigt hat und es letzten Endes dann doch bei den schönen Versprechungen blieb, ist die ganze Sache immer mit Vorsicht zu genießen, wenn eine Firma einmal wieder in die Welt heraus posaunt, in irgendeinem Technologiebereich den großen Durchbruch geschafft zu haben bzw. den Markt revolutionieren zu wollen. Genau das aber verspricht die australische Firma Silverbrook Research mit der von ihr entwickelten Memjet-Technologie. Die Idee hinter dieser neuen Drucktechnik ist dabei im Grundsatz ganz einfach: Statt dass, wie bei gewöhnlichen Tintenstrahldruckern, ein Druckkopf über das Papier fährt, ist bei der Memjet-Technologie der Druckkopf so breit wie das Papier und braucht demnach nicht bewegt zu werden.
Bei der Memjet-Technologie setzt sich der Druckkopf aus einer durchgehenden Reihe von 2 cm breiten "Chips" zusammen. Jeder Chip bringt insgesamt 6.400 Düsen unter, die Tintentröpfchen mit einer Größe von nur gut 1 Pikoliter (= 0,000000000001 Liter) aufs Papier "spritzen". Der Druckkopf eines Kleinformat-Druckers würde so bei einer Papierbreite von 10 cm (für 10x15cm-Fotos) aus 5 Chips bestehen und die Tinte mit rund 32.000 Düsen aufs Papier bringen; bei einem A4-Drucker (Papierbreite: 21 cm) bräuchte man einen Druckkopf mit 11 Chips, der dann 74.400 Düsen aufweisen würde. Die Ansteuerung des Druckkopfes und der einzelnen Chips soll bei der Memjet-Technologie ein spezieller Steuerbaustein übernehmen, der in der Lage sein soll, bis zu 900 Millionen Druckpunkte pro Sekunde zu berechnen. Aus den vielen Druckpunkten soll dann ein Bild bzw. Ausdruck mit einer maximalen Druckauflösung von 1.600 x 1.600 dpi entstehen – und das bei einer Druckgeschwindigkeit von bis zu 30 Seiten pro Minute bei Fotos im typischen 10x15cm-Format (60 Seiten/min bei Dokumenten im A4-Format und 90 Seiten/min in Entwurfs-Qualität).
Aus dem "Trick" mit dem festen Druckkopf sollen sich neben dem hohen Drucktempo noch andere Vorzüge ergeben. Das Problem der Streifenbildung wegen schlecht ausgerichteter Druckköpfe dürfte mit der Memjet-Technologie der Vergangenheit angehören und der Lärmpegel beim Drucken u. a. wegen fehlender Vibrationen gen Null tendieren. Der Papierzuführungsmechanismus könnte drastisch vereinfacht werden – was sich wiederum auf den Preis der Drucker niederschlagen würde. Silverbrook Research bzw. Memjet stellt einen Preis von unter 300 US-Dollar für einen 60-Seiten-Bürodrucker in Aussicht und verspricht auch, beim Tintenpreis neue Maßstäbe (hoffentlich nach unten) zu setzen. Außerdem brauchen Drucker mit Memjet-Technologie (und Tintenstrahldrucker im Allgemeinen) im Gegensatz zu Laserdruckern keine Aufwärmzeit, die Tinten sollen in weniger als 1 Sekunde trocknen und dank dem modularen Konzept des Memjet-Druckkopfs kann – durch Aneinandereihen entsprechend vieler Chips – vom Miniaturdrucker für Handys und Digitalkameras bis hin zum Großformatdrucker jede erdenkliche Druckergröße gebaut werden.
Auf der kürzlich stattgefundenen Global Ink Jet Printing Conference in Prag (einer internationalen Tagung zum Thema Tintenstrahldruck) soll man bereits erste Prototypen von Memjet-Druckern in Aktion haben sehen können. Wie schnell die sind, wird auch in einem im Internet veröffentlichten Video (siehe weiterführende Links) ziemlich eindrucksvoll gezeigt. Seinen Erfindern zufolge soll die Memjet-Technologie auf eine Entwicklungszeit von mehr als 10 Jahren zurückblicken und durch nicht weniger als 1.400 US-Patente (2.000 weitere US-Patente stehen noch aus) abgedeckt sein. Alleine im vergangenen Jahr soll Silverbrook Research im Zusammenhang mit der Memjet-Technologie 452 Patente vom US-Patentamt erteilt bekommen haben. Entsprechende Patentanträge in anderen Ländern sollen ebenfalls noch laufen oder bereits genehmigt worden sein. Die wichtigste Frage bleibt aber offen: Wann die Memjet-Technologie marktreif ist bzw. für Lizenznehmer zur Verfügung steht, wird in der offiziellen Pressemitteilung lediglich mit "soon" beantwortet. Es bleibt also zu hoffen, dass der Memjet-Technologie nicht das gleiche Schicksal widerfährt wie z. B. der digitalen Filmpatrone (dem ominösen E-Film) von SiliconFilm oder der chemielosen Filmentwicklung von ASF (Applied Science Fiction); ob es Silverbrook Research tatsächlich gelingt, den Druckermarkt zu revolutionieren, wird die – hoffentlich nicht zu ferne – Zukunft zeigen.