Aus dem digitalkamera.de-Testlabor

Nokia Lumia 1020 im Bildqualitätstest

2013-10-13 Mit rund 41 Megapixeln Auflösung schlägt das Nokia Lumia 1020 jede Digitalkamera und selbst Profi-DSLRs spielend – zumindest was die reine Pixelzahl angeht. Doch auch bei der Sensorgröße verlässt Nokia die ausgetreten Wege anderer Smartphone-Hersteller und wartet mit einem 2/3"-Modell auf, größer als Smartphone-Sensoren und sogar die von vielen Digitalkameras. Die schiere Pixelzahl nutzt Nokia zur Realisierung eines Digitalzooms ohne Interpolation – dass selbst dafür 41 Megapixel nicht viel sind, zeigt die Tatsache, dass mit dem 2,75-fach-Zoom gerade einmal 5 Megapixel übrig bleiben. Wie es um die Bildqualität der Auflösungskönigin bestellt ist, haben wir im digitalkamera.de-Labor getestet.  (Benjamin Kirchheim)

In einem ersten Versuch testeten wir bereits 2012 das Smartphone Samsung Galaxy S3 auf Bildqualität. Zum Start unseres Schwestermagazins digitalEyes.de rücken nun alle relevanten Smartphones, die von sich behaupten, eine herausragende Bildqualität zu besitzen, in den Fokus des digitalkamera.de-Testlabors. Nicht zuletzt weil diese Geräte auch für eingefleischte Fotografen interessant sein können – denn wenn die richtige Digitalkamera schon nicht dabei ist, so sollte wenigstens das Smartphone eine akzeptable Bildqualität liefern. Nokia hat bei seinen Smartphones allerdings ein wesentliches Manko: Die Brennweite, weder die physikalische noch die kleinbildäquivalente, wird nicht in die EXIF-Daten der Fotos eingetragen, was die übliche automatisierte Testdatenverarbeitung unseres Labor-Workflows empfindlich stört. Auf den Test des Digitalzooms mussten wir daher verzichten und konzentrierten uns auf die Weitwinkelaufnahmen in voller Dateigröße. Diese beträgt im 4:3-Format rund 38 Megapixel. Das Lumia 1020 speichert bei jeder Aufnahme das Originalbild in voller Auflösung sowie ein weiteres mit fünf Megapixeln. Je nach Digitalzoomstellung handelt es sich bei dem Fünf-Megapixel-Bild um ein in der Auflösung herunter gerechnetes und/oder einen digitalen Ausschnitt. Selbst bei vollem Zoom wird also immer zusätzlich die Originalaufnahme mit 26 Millimeter Weitwinkel in der vollen Auflösung von 38 Megapixeln gespeichert. Diese Tatsache erwies sich im Labortest ebenfalls als sehr praktisch.

Der Autofokus des Nokia arbeitet mit rund einer Sekunde (inklusive Auslöseverzögerung) nicht nur sehr langsam (egal ob als Smartphone oder Digitalkamera betrachtet), sondern auch recht ungenau. Die meisten Digitalkameras mit Kontrastautofokus, einen solchen verwendet das Nokia Lumia 1020 naturgemäß auch, fokussieren normalerweise genauso gut wie eine manuelle Fokussierung. Die Aufnahmen der Testcharts mit Autofokus waren beim Nokia Lumia 1020 für die Auflösungsmessung hingegen schlicht nicht zu gebrauchen. Zwar bietet die Nokia Pro Cam App eine manuelle Fokussierung, eine löbliche Ausnahme unter den Smartphones, jedoch mangelt es ihr an jeglichen Fokussierhilfen. Keine Lupe, keine Hervorhebung von Kontrastkanten, keine Entfernungsskala geben Aufschluss darüber, wie scharf das Bild wird. Auch der 4,5 Zoll (rund 11,4 Zentimeter Diagonale) große Monitor taugt mit seinen 1.280 x 768 Pixeln (2,95 Millionen Bildpunkte beziehungsweise 0,98 Echtfarb-Megapixel) nicht zur ausreichenden Schärfekontrolle bei 38 Megapixeln Aufnahmeauflösung. Hier kam nun das Digitalzoom ins Spiel: Da das Nokia Lumia 1020 immer auch das Originalbild im Weitwinkel mit voller Auflösung parallel speichert, konnten wir digital gezoomt ausreichend genau manuell fokussieren. Die reine Auslöseverzögerung von knapp 0,2 Sekunden nach erfolgter Fokussierung zeugt ebenfalls nicht von einer ausgesprochenen Reaktionsfreude. Einige richtige Digitalkameras sind hier sogar inklusive automatischer Fokussierung noch schneller. Eine andere Tatsache kam unserem Labortest sehr entgegen: Zum Lumia 1020 gibt es einen passenden Camera Grip mit Zusatzakku, Auslöser und vor allem einem Stativgewinde. So musste keine wackelige Klemmstativlösung verwendet werden, bei der die Gefahr besteht, dass der Bildausschnitts zwischen den Aufnahmen verrutscht.

Nun sollte man meinen, bei 41 beziehungsweise 38 Megapixeln sei ausreichend Auflösung für alle Belange vorhanden. Doch die Schärfemessung über das Bildfeld von der Bildmitte bis zum Bildrand bezogen auf ein 20 mal 30 Zentimeter (etwa DIN A4) großes gedrucktes Foto offenbart einen leichten Schärfeabfall zum Rand hin. Nichts tragisches, aber ein kleiner Hauch von leichter Unschärfe lässt sich in den äußersten Ecken durchaus ausmachen. Auch die reine Auflösungsmessung bei 50 Prozent Kantenkontrast zeigt keine neuen Rekordwerte. Solide 43,5 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) erreicht das Nokia im Bildzentrum. Hier liegt beispielsweise das Sony Xperia Z1 als einziges Smartphone, allerdings mit deutlich kräftigerer Kantennachschärfung als das Nokia, darüber. Aber auch gute Digitalkameras mit weit weniger Megapixeln übertrumpfen das Lumia 1020. Zum Bildrand hin sinkt die Auflösung um gut 45 Prozent auf 23,6 Linienpaare pro Millimeter, was zusammen mit der sehr zurückhaltenden Nachschärfung letztlich zu den weicheren Bildrändern auch in der Schärfemessung führt. Positiv hervorzuheben ist die geringe Nachschärfung aber insofern, dass praktisch keinerlei Schärfungsartefakte als Bildstörungen auftreten.

Sowohl die Verzeichnung als auch die Abdunklung zu den Bildrändern hat Nokia wunderbar im Griff. Farbsäume hingegen treten zumindest an den Bildrändern mit einem Maximum von 2,5 Pixeln durchaus sichtbar auf, bleiben aber im Mittel mit unter 0,5 Pixeln unsichtbar. Dass das Nokia Lumia 1020 beim Signal-Rauschabstand keine besonders gut Figur machen würde, ahnten wir angesichts der sehr hohen Auflösung und der großen Pixeldichte beziehungsweise des geringen Pixelpitch von 1,19 µm (Mikrometer) schon, was sich im Test bestätigte. Eine gerade noch ausreichender Signal-Rauschabstand von 35 dB wird nur bei ISO 100 und 200 erreicht, bei ISO 400 liegt das Nokia bereits knapp darunter. Bei höheren Empfindlichkeiten (ISO 800 bis 4.000) sinkt der Wert sogar rapide ab. Das Helligkeitsrauschen hat Nokia bis ISO 400 noch im Griff, darüber nimmt es stark zu. Das unangenehmere Farbrauschen hingegen wird erst bei ISO 3.200 und 4.000 leicht sichtbar. Erfreulich ist aber die sehr geringe Korngröße des Rauschens. Es liegt bei rund zwei Pixeln, angesichts der hohen Auflösung bleibt es auf einem 20 x 30 Zentimeter großen Druck damit unsichtbar. Dass Nokia das Rauschen trotz der hohen Auflösung so einigermaßen im Griff hat, liegt an einer starken Rauschunterdrückung, die auch feinste Details aus den Fotos entfernt. Bei keiner Empfindlichkeit kann das Lumia als knackscharf beziehungsweise sehr detailreich bezeichnet werden. Bei ISO 100 und 200 wirken die Bilder bei genauem Betrachten leicht verwaschen, bei höheren Empfindlichkeiten gehen deutlich mehr Details verloren. Da ab ISO 800 aber das Helligkeitsrauschen stark sichtbar wird, fällt der Detailverlust subjektiv nicht so sehr auf. Die fehlenden Details werden einfach durch "Rauschpixel" ersetzt und man empfindet den Verlust an Details weder als dramatisch, noch wirken die Bilder wächsern, aquarellartig oder glattgebügelt.

Auch bei der Fähigkeit, kontrastreiche Motive adäquat auf das Bild zu bringen, macht das Nokia nicht die allerbeste Figur. Bei ISO 100 und 200 werden immerhin rund 8,5 Blendenstufen erreicht, ein befriedigender Wert. Die 7,7 Blendenstufen bei ISO 400 kann man (mit Auge zudrücken) noch als ausreichend durchgehen lassen, bei höheren Empfindlichkeiten ist die Eingangsdynamik schlecht. Bei kontrastreichen Motiven, etwa mit von der Sonne beschienenen Bereichen mit Schatten führt dies dazu, dass Motivdetails in den Schatten völlig untergehen und in den hellen Bereichen ebenfalls nicht mehr auszumachen sind. Wie schon bei der Nachschärfung arbeitet das Nokia auch bei der Tonwertwiedergabe sehr zurückhaltend. Die Kurve verläuft fast linear, Mittentöne werden nur ganz leicht kontrastreichen wiedergegeben. Das kann mitunter als leichter "Grauschleier" auf den Bildern wahrgenommen werden, sie wirken nicht so brillant. Für eine neutrale Wiedergabe oder die Bildbearbeitung ist das jedoch durchaus zu begrüßen. Trotz der flachen Tonwertkurve ist das Nokia jedoch nicht in der Lage, besonders viele Helligkeitsstufen zu differenzieren. Die acht Bit pro Farbkanal bei JPEG geben 256 Stufen her, das Lumia nutzt kaum die Hälfte davon. Die Folge: Richtig weiche Helligkeitsverläufe können nicht so gut dargestellt werden. Ab ISO 800 nutzt das Nokia sogar weniger als ein Viertel der möglichen Tonwertstufen.

Etwas besser schlägt sich das 1020 bei der Farbdifferenzierung. Von 16,7 Millionen möglichen Farben werden gut über zwei Millionen bei ISO 100 dargestellt, bei ISO 200 und 400 liegt das Nokia knapp unter zwei Millionen, bei ISO 800 und 1.600 bei rund einer Million. Erst darüber wird es schlecht. Das Lumia 1020 hat ein ganz andere Problem bei den Farben: Der automatische Weißabgleich arbeitet bei Laborbedingungen miserabel, eine manuelle Einstellmöglichkeit bietet das Nokia nicht, obwohl die Pro Cam App eigentlich überraschend viele Einstellungen zulässt (etwa manuellen Fokus oder manuelle Belichtungszeit). Die Abweichungen des Weißabgleichs sind so deutlich, dass sie sogar mit dem bloßen Auge erkennbar sind. Besonders dramatisch: Je nach gewählter Empfindlichkeit wandert der sichtbare Farbstich auch noch in verschiedene Farbrichtungen. Eine konstante Abweichung könnte man wenigstens als warm oder kalt bezeichnen, das Nokia ist mal so, mal so. Entsprechend stark sind auch die Abweichungen bei anderen Farben, selbst wenn man den Weißabgleich korrigiert.

In der Summe kommt das Nokia Lumia 1020 bei aller harter Kritik bei den Objektiv- und Auflösungswerten durchaus an eine ausgewachsene Kompakt-Digitalkamera der Einsteigerklasse heran, liegt beim Bildrauschen nur einen Hauch dahinter, die Unterschiede sind nicht dramatisch. Anders sieht es aus, wenn man eine bessere Digitalkamera mit größerem Sensor verwendet, die Edelkompakten sowie Systemkameras- und DSLRs brauchen also (noch) keine Konkurrenz zu fürchten. Auch die 41 Megapixel hören sich bahnbrechend an, schlagen sich aber nicht in besseren Laborwerten etwa bei Auflösung und Schärfe nieder. Wohl aber genügt das Nokia vollkommen für Schnappschusse, die im Internet gezeigt werden sollen oder allenfalls im kleinen Format ausgedruckt werden. Anderen Smartphones ist das Nokia ohnehin überlegen, allenfalls das Sony Xperia Z1 hält einem Vergleich auf Augenhöhe stand. Sein größtes Manko zeigt das Nokia aber bei der Farbwiedergabe, was vor allem am "springenden" Weißabgleich liegt. Der "schreckliche" Laborwert muss jedoch in der Praxis nicht so sehr zutage treten, da man je nach Motiv die Abweichung mit dem bloßen Auge nicht sieht, etwa ein Grünstich bei einer Landschaftsaufnahme, die ohnehin von grünem Gras und Bäumen dominiert wird oder einen Blaustich am Meer, das ohnehin blau ist. Auch kommt das Lumia mit "echtem" Tageslicht beziehungsweise kälteren Farbtemperaturen besser klar.

Neben dem messwertorientierten Labortest nehmen wir seit jüngster Zeit auch ein Testbild auf, das eine Beurteilung der Bildqualität subjektiv durch den Betrachter an einem Standardmotiv, ebenfalls im Labor, ermöglichen soll. Das Testbild wird bei verschiedenen Empfindlichkeiten, aber bei konstantem Licht fotografiert. Obwohl es sich bei dem Licht (Tageslichtneonröhren) um eine andere Lichtquelle handelt als bei der Farbmessung im Labor (Halogenlampen mit Tageslichtfilter), fällt hier als erstes beim Vergleich der Bilder unterschiedlicher ISO-Zahl der springende Weißabgleich auf, auch die Belichtung bleibt nicht konstant. Von einen Grünstich über einen Rosastich bis zu einem Cyanstich ist alles dabei, die Aufnahme bei ISO 400 ist zu hell, die bei ISO 1.600 etwas dunkler, die bei ISO 3.200 und 4.000 sind sehr dunkel. Zoomt man in die Bilder hinein, so machen sich gerade bei niedrigen Empfindlichkeiten die vielen Bildpixel bemerkbar und erlauben durchaus das Lesen kleinerer Schriften als beispielsweise bei einer acht Megapixel auflösenden Aufnahme (zu erkennen an der Optiker-Sehtest-Karte im Bildzentrum). Ebenfalls zu sehen ist das zunehmende Helligkeitsrauschen bei höheren Empfindlichkeiten, das den Verlust an Bilddetails durch die Rauschunterdrückung, die diesen gewissen Anteil an Helligkeitsrauschen bestehen lässt, für das menschliche Auge nahezu kaschiert. Ebenfalls interessant: Betrachtet man die Bilder im Vollformat am Monitor, so verschwindet aufgrund der hohen Auflösung, die der Monitor nicht darstellen kann und aufgrund der geringen Korngröße das Rauschen nahezu, das man bei einer auf 1:1 gezoomten Aufnahme (ein Bildpixel entspricht einem Monitorpixel) viel deutlicher sieht. Achtet man aber beispielsweise auf die Haare der Puppen, so sieht man, wie diese bei höheren Empfindlichkeiten (besonders ab ISO 800) jegliche echte Struktur verlieren. Sie verschmelzen zu einer mit Rauschpixeln durchzogenen Masse.

Nokia Lumia 1020

Auflösung MTF

Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.


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