2019-02-01 Bereits auf der Photokina 2018 zeigte Panasonic Mockups eines neuen spiegellosen Kamerasystems mit Kleinbild-Vollformatsensoren, das das auf dem Micro-Four-Thirds-Standard basierende Lumix-G-System ergänzen soll. Nun sind die beiden 24 und 47 Megapixel auflösenden Vollformatmodelle Lumix DC-S1 und DC-S1R fertig entwickelt, so dass Panasonic alle technischen Daten, Preise und den Markteinführungstermin nennt. (Benjamin Kirchheim)
Die 24 Megapixel auflösende Panasonic Lumix DC-S1 gleicht von außen der höher auflösenden Schwester S1R wie ein Ei dem anderen. Nur das rote "R" fehlt. [Foto: Panasonic]
Die Panasonic Lumix DC-S1R ist mit 47 Megapixeln die aktuell höchstauflösende spiegellose Vollformatkamera. [Foto: Panasonic]
Wie auch bei anderen Herstellern (etwa Pentax oder Fujifilm) geht der Trend zum spiegellosen Zweitsystem. Mit den Modellen S1 und S1R will Panasonic andere Zielgruppen ansprechen, die mehr Auflösung und andere Leistungsdaten brauchen, mit denen das kompakte Micro-Four-Thirds-System nicht punkten kann. Ganz klar aber ist das Statement, dass es im Laufe des Jahres auch Kamera- und Objektiv-Neuigkeiten im Micro-Four-Thirds-System geben wird und dieses entgegen anderslautenden Vermutungen selbstverständlich weitergeführt wird, da es gegenüber einem Vollformatsystem auch Vorteile bietet.
Ähnlich wie bei Sony oder auch Nikon bringt Panasonic mit der S1 und S1R gleichzeitig zwei unterschiedlich auflösende Modelle auf den Markt. Während die S1 sich mit 24 Megapixeln (ohne Tiefpassfilter) und maximal ISO 51.200 besser für Video- und Low-Light-Anwendungen eignen soll, bietet die S1R mit 47 Megapixeln (ebenfalls ohne Tiefpassfilter) bei maximal ISO 25.600 die bisher höchste Auflösung des gesamten spiegellosen Vollformatmarktes. Statt einem rückwärtig belichteten Sensor kommen beim Sensor der S1R eine neue, dünnere und effektivere Mikrolinsenschicht mit asphärischen Linsen sowie verbesserte Lichtwellenleiter zum Einsatz, die das Licht effektiver zu den Fotodioden leiten sollen. Zudem lassen sich die neuen Sensoren doppelt so schnell auslesen, da die Analog-Digital-Wandlung parallel zum Auslesen statt seriell hinterher arbeitet. Das ermöglicht höhere Bildwiederholraten, vermindert ebenfalls das Rauschen und reduziert den Rolling-Shutter-Effekt.
Aber auch bei anderen Punkten setzt Panasonic neue Bestmarken: So lösen etwa die OLED-Sucher beider Modelle mit 5,76 Millionen Bildpunkten höher auf als alle bisherigen elektronischen Sucher, bieten aber dennoch mit 0,005 Sekunden eine sehr geringe Verzögerung und mit wahlweise 60 oder 120 Bildern pro Sekunde ein sehr flüssiges Sucherbild. Der 0,78-fache Vergrößerungsfaktor ist hingegen marktüblich. Übrigens kann man im Sucher verschiedene Größen wählen (0,74x und 0,7x), was insbesondere für Brillenträger interessant ist. So wird zwar nur eine Teilfläche des Sucherdisplays benutzt, aber man kann ihn auch mit Brille komplett überblicken.
Die große Panasonic Lumix DC-S1 und S1R bieten auf der Rückseite viel Platz für den Daumen, zahlreiche Bedienelemente wie etwa den Fokusjoystick oder den mit 5,76 Millionen Bildpunkten äußerst hochauflösenden elektronischen Sucher. [Foto: Panasonic]
Der rückwärtige 3:2-Bildschirm der Panasonic Lumix DC-S1 und DC-S1R lässt sich nicht nur um gut 100 Grad nach oben klappen. [Foto: Panasonic]
Auch Über-Kopf-Aufnahmen gelingen dank des um 45 Grad nach unten klappbaren Touchscreens der Panasonic Lumix DC-S1 und DC-S1R problemlos. [Foto: Panasonic]
Für Hochformataufnahmen lässt sich das 8,1 Zentimeter große Display der Panasonic Lumix DC-S1 und DC-S1R auch seitlich ausklappen. Der Mechanismus ist deutlich robuster als ein seitliches Schwenk- und Drehgelenk, wie man es sonst von Panasonic kennt. [Foto: Panasonic]
Interessanterweise ist die Serienbildgeschwindigkeit beider Modelle mit maximal neun Bildern pro Sekunde identisch. Mit Autofokus-Nachführung sind es sogar nur sechs Bilder pro Sekunde. Sport- und Actionfotografen spricht Panasonic also nicht unbedingt an, hier setzen andere Hersteller auf viel höhere Bildfrequenzen. Immerhin erreicht die S1 deutlich längere Aufnahmeserien. Der Puffer der S1 fasst bis zu 999 JPEGs oder 90 Raws (70 Bilder Raw+JPEG), bei der S1R sind es "nur" 50/40/35 Bilder.
Der mechanische Verschluss ist bis zu 1/8.000 Sekunde schnell (der elektronische Verschluss bis zu 1/16.000 Sekunde) und für 400.000 Auslösungen ausgelegt, also sehr langlebig und robust. Er arbeitet so leise und sanft, wie bei keiner anderen spiegellosen Vollformatkamera. Darüber hinaus erlaubt der Verschluss die schnellste Blitzsynchronisationszeit des Marktes: 1/320 Sekunde.
Das mit rund 15 x 11 x 10 cm recht groß geratene und mit knapp über einem Kilogramm betriebsbereit recht schwer ausfallende Gehäuse der S1 und S1R bietet einen ergonomischen Handgriff. Es ist aus einer Magnesiumlegierung gefertigt und gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet. Selbst bei Frost bis -10 °C sollen die S1 und die S1R noch einwandfrei arbeiten und selbst eine Stoßfestigkeit attestiert Panasonic seinen beiden Vollformat-Boliden, ohne allerdings konkrete Standards zu nennen. Für eine bessere Bedienung wurde das Menü überarbeitet, konkret ist die zweite Menüebene nun nicht mehr in Seitennummern unterteilt, die man lange durchscrollen musste, sondern in Unterregisterkarten mit aussagekräftigeren Symbolen. Ein frei belegbares Mein-Menü fehlt ebenfalls nicht und auch das Quick-Menü wurde neu gestaltet und ist nun individualisierbar.
Der mit 24 Megapixeln etwas niedriger auflösende Bildsensor der Panasonic Lumix DC-S1 ist auf Videoaufnahmen spezialisiert und erlaubt zudem eine höhere ISO-Empfindlichkeit als der 47-Megapixel-Sensor der S1R. [Foto: Panasonic]
Die Bildsensoren der Kameras sind zur Bildstabilisierung beweglich gelagert, bis zu 5,5 Blendenstufen längere Belichtungszeiten sollen damit aus der Hand möglich sein. Als einziger Hersteller im Vollformatsektor bietet Panasonic zudem einen Dual-IS, der die Bildstabilisierung nochmals verbessert und bis zu sechs Blendenstufen längere Belichtungszeiten ermöglicht. Dabei arbeitet der Objektiv-Stabilisator zusätzlich zum Kamera-Stabilisator und ersetzt nicht, wie bei anderen Herstellern, die Stabilisierung auf bestimmten Bewegungsachsen. Stabilisiert werden vom Sensor fünf Achsen, nämlich das Verschwenken und Verkippen sowohl horizontal, als auch vertikal sowie Drehbewegungen als fünfte Achse. Sobald der Stabilisator seine Arbeit aufnimmt, wirkt das Sucherbild wie festgenagelt. Sehr praktisch ist dabei die neue Indikatoranzeige für den Bildstabilisator. Zwei rote Kreise symbolisieren den Bereich der Verwackelungskorrektur, während ein wandernder grüner Punkt darin anzeigt, wie weit der Stabilisator aktuell eine Bewegung ausgeglichen hat. So kann man sehr gut abschätzen, wie gut der Stabilisator in der aktuellen Aufnahmesituation arbeitet.
Auch beim Autofokus will Panasonic führend sein, obwohl die Bildsensoren ohne integrierte Phasen-Autofokuspunkte auskommen. Panasonic setzt dabei auf zwei "Standbeine": Einerseits wird der Sensor 480 mal in der Sekunde ausgelesen und genauso häufig mit dem Objektiv kommuniziert. Zum anderen kommt der so genannte DFD-Autofokus zum Einsatz: Anhand zweier unterschiedlich fokussierter Bilder errechnet die Kamera anhand der Objektivcharakteristik, wo die Schärfeebene liegen sollte und kann diese blitzschnell anfahren. So wird das Prinzip eines Phasenautofokus quasi nachgeahmt, denn auch der erkennt, wie weit der Fokus ungefähr verstellt werden muss. Die Feinjustage übernimmt dann der Kontrastautofokus. Innerhalb von 0,08 Sekunden sollen die S1 und S1R mit diesem System fokussieren können, und das übrigens auch bei bis zu -6 EV, wenn ein F1,4 lichtstarkes Objektiv verwendet wird.
Doch der Autofokus kann viel mehr, als einfach nur auf eines der 225 Fokusfelder scharfzustellen. Die Panasonics erkennen Gesichter, Augen und Pupillen und nun sogar ganze Körper und auch Tiere wie Katzen, Hunde und Vögel, Wölfe, Löwen etc. Das geht sogar so weit, dass die Kamera im AF-C-Betrieb die typischen Bewegungen der Tiere kennt und entsprechend vorausahnend reagieren kann. Dank der Körpererkennung kann die Lumix selbst dann, wenn kein Gesicht erkannt wird, auf einen Menschen fokussieren. Unscharfe Personenaufnahmen sollten damit endgültig der Vergangenheit angehören. Bei der Gesichts-, Körper- und Augenerkennung ist es übrigens möglich, einfach per Acht-Richtungs-Joystick zwischen mehreren erkannten Gesichtern, Körpern und Augen zu wechseln.
Auf der Oberseite besitzen die Panasonic Lumix DC-S1R und S1 ein großes, informatives LC-Display. [Foto: Panasonic]
Das 24-105mm-Zoom gibt es optionale für 900 Euro Aufpreis als Standardobjektiv im Set mit der Panasonic Lumix DC-S1 und S1R. Einzeln kostet das Objektiv hingegen 1.400 Euro. [Foto: Panasonic]
Der rückwärtige Bildschirm besitzt mit 2,1 Millionen Bildpunkten ebenfalls eine hohe Auflösung. Er lässt sich um gut 100 Grad nach oben und 45 Grad nach unten sowie 60 Grad seitlich klappen, was Aufnahmen aus bodennahen oder hohen Perspektiven sowohl im Hoch- als auch im Querformat erlaubt. So einen Mechanismus kennt man bereits von Fujifilm. Panasonic setzt ihn ein, weil er wesentlich robuster ist, als ein seitliches schwenk- und Drehgelenk, wie man es sonst von Panasonic kennt. Es ist kein Problem, die Kamera samt Objektiv (zusammen über zwei Kilogramm) am Display hochzuheben, auch wenn das natürlich im Alltag eigentlich nicht vorkommt. Selbstverständlich handelt es sich beim 8,1 Zentimeter großen LCD um einen Touchscreen, der eine Fingerabdruck-abweisende Beschichtung besitzt. Dank der RGBW-Subpixel (neben Rot, Grün und Blau auch mit weißen Subpixeln) ist er zudem sehr hell und kontrastreich. Ebenfalls nicht fehlen darf das monochrome Statusdisplay auf der Kameraoberseite. Es lässt sich, wie auch fünf Tasten (Q-Menü, Zurück, Play, Display und Löschen), beleuchten.