Marken-Buyout
Polaroid wieder mal verkauft
2005-01-19 Im jahrelangen Verwirrspiel um die traditionsreiche und ehedem erfolgreiche Polaroid Corporation mit Hauptsitz in Waltham im US-Bundesstaat Massachusetts wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen. Nach der Aufhebung eines Gläubigerschutzes im Jahr 2002 durch den U.S. Bankruptcy Court wurde die Aktienmehrheit (53 %) des angeschlagenen Unternehmens zunächst von dem privaten Investmentfond One Equity Partners LLC (OEP), New York, übernommen. Die weltweite Lizenz-Verwertung des durch seine Innovationen auf dem Foto- und Optik-Sektor gewachsenen Traditionsunternehmens hatte vor allem die in Hongkong ansässige World Wide Licenses Ltd. an sich gezogen. Anfang dieses Jahres gab nunmehr die in Minneapolis/USA ansässige Investmentfirma Petters Group ein Übernahmeangebot für alle Polaroid-Anteile bekannt. Der Deal soll im 2. Quartal 2005 abgeschlossen werden, und er wird vermutlich auch Lizenznehmer und Polaroid-Partner in Deutschland betreffen. (Jan-Gert Hagemeyer)
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Das Kapital der 1937 von dem amerikanischen Erfinder Edwin H. Land und
seinem Harvard-Professor George Wheelwright III als Partner gegründeten
Polaroid Corporation bestand vor allem in den Erfindungen und Entwicklungen
des Physikers Land. Er erkannte und realisierte als Erster das technische
Potenzial polarisierender Filter, z. B. für Fahrzeugscheinwerfer,
Sonnenbrillen, Fotokameras und militärische Zwecke. Schon im Jahr 1939
wurden über eine Million Polaroid Sonnenbrillen verkauft. Im zweiten
Weltkrieg wurde Lands Vectograph – eine Kombination aus Polarisation und
Fotografie – für die Luftaufklärung erfolgreich eingesetzt. Als ihn seine
dreijährige Tochter auf einer Urlaubsreise nach Santa Fe Weihnachten 1943
beim Knipsen von Familienfotos fragte: "Papa, warum kann ich das Bild nicht
gleich sehen?" machte sich Vater Land sogleich ans Werk. Nur vier Jahre
später hatte er die Sofortbildfotografie produktionsreif entwickelt und
präsentierte sie der Optical Society of America. Ein weiteres Jahr später,
am 26. November 1948, wurde in einem Bostoner Supermarkt die erste
Polaroid Land Camera, Modell 95, zum Kauf angeboten, und nur acht Jahre
danach, 1956, verließ die millionste Polaroid Land Camera das Montageband.
Insgesamt hat der Physiker und Geschäftsmann Dr. Edwin H. Land zeitlebens
mehr als 500 Patente beim U.S. Patent Office angemeldet. Nur ein Amerikaner
war noch erfindungsreicher als er: Thomas Edison.
Tatsächlich hatte sich der kommerzielle Erfolg der Polaroid Corporation
mehr als sieben Jahrzehnte lang vor allem auf ihren Innovationen begründet.
Das Polaroid Dia-System gehört dazu, ebenso der seinerzeit höchst
empfindliche Film mit 3000 ASA (Typ 47 aus dem Jahr 1959), der Land Film Typ
55 P/N, der ein Sofortpositiv und ein weiter verwendbares Negativ liefert,
sowie der erste farbige Sofortfilm. Sogar eine frühe Digitalkamera PDC 2000
mit einem 1 Megapixel CCD-Sensor wurde auf der CeBit 1996 von Polaroid
vorgestellt.
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Nach dem Tod des Polaroid-Gründers Edwin H. Land im Jahr 1991 operierte
das High-Tech-Unternehmen mit Vertretungen und Niederlassungen in
134 Ländern unter wechselnden CEOs eher glücklos. Es setzte mehr auf
Marketing-Maschen als auf technologischen Fortschritt. Eine nach der
Pop-Gruppe benannte Sofortbildkamera "SpiceCam" war ein Flop, und auch "JoyCams"
, "Tweety", "Bugs Bunny" und "Barbie", allesamt Sofortbildkameras auf der
Basis des so genannten i-zone-Instantfilms mit Sofortbildentwicklung, hatten
im beginnenden Digital-Zeitalter keine Chance mehr, obwohl sie über
Wal-Marts und andere Handelsriesen vertrieben werden. Viele von Lands
Patenten und darauf basierende Polaroid-Entwicklungen wurden von seinen
Nachfolgern weltweit verwertet. Aber auch der Markenname "Polaroid" selbst
wurde vermarktet und ziert seitdem Produkte, die nichts mit dem ehemaligen
Polaroid-Unternehmen zu tun haben. Die US-Firma Concord Camera Corp. etwa
erwarb die Rechte an Polaroids analogen Film-Kameras. Die in Hongkong
ansässige World Wide Licences, Ltd. (WWL) verwendet den Markennamen Polaroid
für selbst entwickelte und hergestellte Digitalkameras und hat dafür ein
Vertriebsabkommen mit der US-Investmentfirma Petters Group. World Wide Licenses
selbst ist soeben dabei, eine Digitalkamera unter dem Markennamen
"Polaroid x530", ausgestattet mit einem Foveon-X3-Bildsensor, auf den
Weltmarkt zu bringen. In Deutschland, Österreich, Belgien und der Schweiz
steht für den Vertrieb dieser technologisch interessanten Consumer-Kamera
die Plawa-Feinwerktechnik GmbH & Co. KG mit Sitz im württembergischen
Uhingen bereit. Die bereits mehrfach (zuletzt zur Photokina 2004)
angekündigte Kamera lässt jedoch auf sich warten, denn offenbar hat WWL als
Hersteller noch Probleme mit der Kalibrierung des 3-fach-Zoomobjektivs (von
Ricoh) mit dem X3-Bildsensor (von Foveon) und der kamerainternen eigenen
Software. WWL-Vertriebspartner Plawa gibt inzwischen nur ungern noch
Einführungsprognosen für die Polaroid x530 ab; die eher vorsichtige Aussage
der Uhinger Marketingabteilung unter Annemarie Mergenthaler lautet daher:
"In diesem Jahr, vielleicht schon zur CeBIT."
Tatsächlich wird die Unsicherheit über die Polaroid-Zukunft vermutlich
noch bis Mitte dieses Jahres anhalten. Denn die nunmehr an der
Komplettübernahme der börsennotierten Polaroid Holding Company interessierte
Petters Group hat zunächst nur eine Übernahmevereinbarung mit dem
Investmentfond One Equity Partners LLC, der zwar eine 53-prozentige
Aktienmehrheit an Polaroid besitzt, und in dessen Portfolio sich auch
Beteiligungen an deutschen Unternehmen wie der Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft AG
und der Brühler Mauser-Werke GmbH Co. befinden. Die übrigen Polaroid-Anteile
indes sind weitestgehend in Streubesitz und sollen zu einem Preis von
12,08 US-Dollar erst eingesammelt werden. Gelingt dies in einem
Gesamtvolumen von ca. 426 Millionen USD, so will der neue Eigentümer Tom Petters
Polaroid gänzlich von der Börse nehmen und das Unternehmen zu einem
"weltweiten Führer bei Imaging- und Consumer-Elektronik" ausbauen und, so
Petters, "die Kraft der global hoch geschätzten Marke Polaroid für die
Einführung innovativer neuer Produkte für das digitale Zeitalter" einsetzen.