Piezo-Power
Tamron-Objektive bald mit Ultraschallmotorisierung?
2006-08-01 Bei Canon, Nikon, (Konica-)Minolta bzw. Sony und bei Sigma sorgen sie schon für eine flüsterleise und – vor allem auch – atemberaubend schnelle Scharfstellung; nun dürften so genannte "Ultraschallmotoren" demnächst auch bei Tamron Einzug halten. Der japanische Fremdobjektiv-Hersteller hat jedenfalls heute angekündigt, ein Lizenzabkommen mit der amerikanischen Firma New Scale Technologies Inc. abgeschlossen zu haben, um dessen "Squiggle"-Motoren in die eigenen Produkte integrieren zu dürfen. Das erschließt interessante Perspektiven. (Yvan Boeres)
Wie Tamron in einer vom 31.07.2006 datierten Pressemitteilung mitteilt, hat das japanische Unternehmen ein Lizenzabkommen mit der US-Firma New Scale Technologies Inc. aus dem kleinen Städtchen Victor im Bundesstaat New York abgeschlossen. Bestandteil dieses Abkommens sind die so genannten "Squiggle"-Motoren, die in zukünftigen Tamron-Produkten (optische Systeme für Digitalkameras, Camcorder und Fotohandys) zum Einsatz kommen sollen.
Die bereits seit 2003 auf dem Markt erhältlichen Squiggle-Motoren von New Scale Technologies machen – wie andere Ultraschallmotor-Systeme – von Vibrationen im Ultraschallbereich Gebrauch, um auf diese Weise präziseste Bewegungen zu erzeugen. Die Squiggle-Motoren ähneln vom Aufbau und von der Funktionsweise her den Mikro-USM-Motoren von Canon, die durch Piezo-Elemente eine kreiselähnliche Rotation erzeugen. Piezo-Elemente (in diesem Fall Keramik-Elemente) besitzen u. a. die Eigenschaft, sich je nach angelegter Spannung zusammenzuziehen und danach wieder auszudehnen. Durch das abwechselnde Zusammenziehen und Ausdehnen der Piezo-Elemente können so Vibrationen erzeugt werden, die ihrerseits eine kreisende Bewegung generieren. Diese Kreisbewegung kann dann, wie bei herkömmlichen (Elektro-)Motoren zum Antrieb des Autofokussystems der Kamera bzw. des Objektivs verwendet werden.
Objektive bzw. Linsensysteme mit Ultraschallantrieb besitzen mehrere Eigenschaften. Dank sehr kurzer bzw. quasi nicht existierender Nachlaufzeiten kann eine sehr präzise Scharfstellung erfolgen; und weil es auch kaum Reibungseffekte bei dieser Antriebstechnik gibt, arbeiten Ultraschallmotoren sehr leise. Der Hauptvorteil von Ultraschallobjektiven besteht aber in der deutlich schnelleren Fokussierung (im Vergleich zu konventionellen Antriebsmethoden). Diesen Vorteil hat Canon in den 80er-Jahren als Erster erkannt und die so genannte USM-Technik (Ultra Sonic Motor) in seinen Objektiven eingeführt. Etwas später darauf folgte Nikon mit der SWM-Technologie (Silent Wave Motor); gefolgt von Minolta (SSM bzw. Super Sonic Motor) und Sigma (HSM bzw. Hyper Sonic Motor) als erster Fremdanbieter. Dank der patentierten Squiggle-Motoren von New Scale Technologies dürfte diese Antriebstechnik nun auch bald in Tamron-Objektiven Einzug halten.
Ein konkreter Zeitpunkt für die Einführung von DSLR-Wechselobjektiven mit Squiggle-Motor wird in Tamrons Pressemitteilung noch nicht erwähnt. Aber vielleicht besteht das Abkommen zwischen Tamron und New Scale Technologies ja schon etwas länger (die Bekanntmachung des Abkommens und dessen Unterzeichnung müssen nicht unbedingt zeitlich übereinstimmen), so dass man eventuell schon auf der Photokina Ende September erste Objektive mit Squiggle-Motor oder zumindest frühe Prototypen zu sehen bekommen könnte. Interessant ist die Sache allemal, ist doch Sony mit einem Aktienanteil von 11,08% zweitgrößter Aktionär bei Tamron und baut Tamron auch Objektive für solche Kamerahersteller, die noch keine Ultraschallobjektive im Programm haben (u. a. Pentax und Olympus). Demnach könnte der Objektivpark vieler Hersteller kurz- bis mittelfristig einen gehörigen Schub bekommen. Man kann nur hoffen, dass es bald so kommt.
UPDATE (Anm. der Redaktion): Mit dem Telefonanruf eines Mitarbeiters von Tamron Europe kam kurz nach der Veröffentlichung unserer Meldung die große Ernüchterung. Dessen Aussage zufolge steht eine Integrierung der Squiggle-Motoren in Wechselobjektiven der Marke Tamron bis auf weiteres nicht an der Tagesordnung; es sieht also zum aktuellen Zeitpunkt danach aus, als ob die Squiggle-Motoren vorerst nur in "geschlossenen Systemen" wie Digitalkameras mit fest eingebautem Objektiv, Camcordern und Fotohandys zum Einsatz kommen werden.