Mehr Frust als Lust

Tintenpatronen-Vergleichsstudie lässt Fremdtinten alt aussehen

2007-08-25 HP hat beim Bremer Testinstitut "Innovationstechnik" eine Studie erstellen lassen, in der die vier bei HP meist verkauften Tintenpatronen in einem großen Dauertest mit denen von Fremdanbietern und von Wiederbefüllungsdienstleistern verglichen werden. Über 1.200 Schwarzweiß- und Farb-Druckpatronen wurden dabei auf 650.000 Blatt Normalpier leergedruckt und Erfahrungen mit den Druckergebnissen sowie beim Handling mit den wiederbefüllten Patronen protokolliert.  (Jan-Markus Rupprecht)

Wie bei einer solchen Studie fast zu erwarten, kommen die Fremdtinten darin schlecht weg. Aber selbst wenn man einwenden mag, dass von einem Druckerhersteller bezahlte Studien immer einen gewissen Beigeschmack haben, sind die Ergebnisse des unabhängigen Testinstituts interessant und müssen zu denken geben. Das Ergebnis der Studie für den deutschen Markt lässt sich von der unter weiterführenden Links angegebenen Seite als PDF-Datei herunterladen, so dass wir an dieser Stelle nur das Wichtigste daraus näher betrachten und kommentieren möchten. Die Studie für den deutschen Markt ist übrigens Teil einer Untersuchung für den gesamteuropäischen Markt, an der auch Produkte, die in Deutschland nicht erhältlich sind, und Wiederbefüllungsdienstleister aus anderen europäischen Ländern teilnahmen. 700 der 1.200 leergedruckten Patronen entfielen dabei allein auf die Studie für den deutschen Markt.

Testlabor bei der Innovationstechnik GmbH mit den Druckern für die HP-Vergleichsstudie über Nachfülltinten [Foto: MediaNord] Die vier untersuchten Patronen sind keine Neuentwicklungen aus der aktuellsten Druckergeneration, sondern laut Herstelleraussage die von HP derzeit meist verkauften Typen. Alle vier werden seit Jahren in zahlreichen HP-Druckern eingesetzt und erzeugen deshalb konstant eine riesige Nachfrage. Das Besondere bei diesen Patronen ist, dass Druckkopf und Tintentank eine Einheit bilden. Es handelt sich bei diesen "Patronen" also nicht um einen simplen Tintenbehälter, sondern um ein relativ komplexes technisches Produkt, das zudem noch einer gewissen Alterung bzw. einem Verschleiß unterliegt. Zudem sind die Druckköpfe von HP für eine begrenzte Lebensdauer konzipiert (die eigentlich nicht wesentlich über der zum Verdrucken der erstmalig enthaltenen Tintenmenge liegen muss). Sie eignen sich also prinzipiell eher nicht für häufiges Wiederbefüllen. Auch unterliegen sie diversen Patenten, so dass die Patronen nicht nachgebaut werden dürfen. Alle Fremdanbieter liefern also in durchaus professioneller Verpackung tatsächlich keine Neuware, sondern gebrauchte Original-HP-Patronen, die sie zum Preis von wenigen Euro pro Stück in großen Mengen von so genannten Patronen- (und Laserkatuschen-)Brokern erwerben. Diese sammeln die Patronen wiederum gegen einen kleinen Obolus pro Stück bei Händlern und bei gewerblichen Nutzern sowie bei Privatkunden ein. Auch liegt den Patronen in der Regel eine Rücksendetasche bei, mit der man die Patrone nach dem Leerdrucken wiederum in den Kreislauf des Fremdanbieters zurückführen kann. Die Rücksendung, die HP vorgeblich aus Umweltgesichtspunkten kostenlos anbietet, funktioniert tatsächlich natürlich anders: Nach Rücksendung an HP werden die Patronen fachgerecht in Metalle, Flüssigkeiten, Elektronikschrott und Kunststoff zerlegt und umweltgerecht recycelt (und damit ein für alle Mal aus dem Verkehr gezogen).

Berücksichtigt man die Tatsache, dass es sich bei allen Patronen – außer den HP-Patronen – um bereits mindestens einen Zyklus lang benutzte Druckkopfpatronen handelt, werden die haarsträubenden Ergebnisse der Studie glaubhaft:

  • Durchschnittlich 16,1 % aller wiederbefüllten Patronen waren bereits direkt bei Inbetriebnahme defekt ("Dead on Arrival"), hierbei lagen die Fremdanbieter mit 16,5 % und die Nachfüll-Shops mit 15,8 % fast gleichauf. Hierzu kam es unter anderem durch ausgelaufene Patronen, einen Farbmix (ineinander gelaufene bzw. vertauschte Farben) auf mindestens 10 aufeinander folgenden Seiten oder einen Ausfall der Patrone innerhalb der ersten 50 Seiten.
  • Durchschnittlich 11,1 % aller wiederbefüllten Patronen fielen vorzeitig aus, d. h. sie erreichten weniger als 75 % der normalerweise üblichen Seiten. Hierbei schlugen sich die Fremdanbieter mit 4,4 % Ausfällen gegenüber den Refill-Shops (16,5 %) wesentlich besser.
  • Summiert man beide Zahlen, so ergeben sich immerhin 27,2 % problembehaftete Patronen (20,9 % bei den Fremdanbietern und 32,4 % bei den Nachfüll-Shops), was selbst für private Anwender ein schwer zu tolerierender Wert sein dürfte.

Interessant erscheint uns, dass offenbar nicht die Alterung der Druckköpfe das hauptsächliche Problem ist – sonst müssten die vorzeitigen Ausfälle der Fremdanbieter-Patronen höher sein. Häufige Problemursache bei den Fremdanbietern ist offenbar ein nicht richtiges Abdichten der Patronen bzw. der Druckköpfe, wodurch die Patronen auslaufen und/oder austretende Farbtropfen der einen Farbe durch Kapillarwirkung durch die Düsen des Druckkopfes in die benachbarten Farbtanks gelangen und sich dort zu Fehlfarben vermischen. Bei den Nachfüll-Shops wurden Farbkammern mit falschen Farben befüllt (Dead on Arrival) oder die Patronen offenbar zu wenig betankt (kein Erreichen der erwarteten Seitenzahl).

Streifiger Ausdruck der Digagnoseseite während der HP-Vergleichsstudie über Nachfülltintenpatronen [Foto: Innovationstechnik GmbH] [Foto: MediaNord]

Über alle für die auf dem deutschen Markt agierenden Anbieter war die Seitenreichweite von Original-HP-Patronen 93,4 % besser als der Durchschnitt, wobei der Unterschied gegenüber den Fremdtinten-Anbietern mit 57 % nicht so drastisch ausfiel wie zu den Nachfüll-Shops mit 140,3 % (Einzelergebnisse siehe Studie). Hierbei wurden auch die Dead-on-Arrivals mit Null Seiten mit herangezogen, was bei einem Besuch des Testinstituts im Rahmen einer HP-Veranstaltung zwischen Journalisten und Testern durchaus kontrovers diskutiert wurde. Zwar wäre es einem Kunden möglich, diese bei seinem Händler oder dem Nachfüll-Shop zu reklamieren (und im Erfolgsfall mehr Seiten erfolgreich zu drucken), aber über den Ausgang eines solchen Reklamations-Versuchs weiß man schließlich nichts, und in jedem Fall ist die Sache für den Anwender ärgerlich, denn ihm entsteht dadurch zusätzlicher Aufwand (Arbeitszeit/Freizeit sowie durch Fahrtkosten oder Versand), der in einem sehr ungünstigen Verhältnis zu den relativ niedrigen Patronenpreisen steht.

Interessant waren übrigens auch die Marktzahlen, die HP im Rahmen der Veranstaltung präsentierte. Demnach scheint es – unter anderem basierend auf Erhebungen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) – so zu sein, dass der Anteil von Fremdanbieter-Tinten (für Drucker sämtlicher Hersteller) im Handel ziemlich konstant nur bei 15 bis 16 Prozent liegt. Über den Anteil der bei Nachfüll-Shops wiederbefüllten Patronen weiß man nichts Genaues, dieser wird jedoch in ähnlich niedriger Dimension vermutet. Insgesamt fällt also auf, dass die "gefühlte" Bedeutung von Nachfüll-Shops (nicht zuletzt durch typische Existenzgründer-Berichte in der Tagespresse nach der geförderten "Ich-AG"-Welle) und der Fremdtinten weitaus größer ist, als es in der Realität der Fall zu sein scheint.

Kommen wir zur wichtigen Frage, ob sich das Ergebnis der Studie auf andere Patronen von HP und auf andere Hersteller übertragen lässt. Generell scheinen sich Druckkopf-Patronen aufgrund der beschriebenen Probleme nicht gut zum Wiederbefüllen zu eignen, so dass Untersuchungen ähnlicher Patronen vermutlich auch ähnliche Ergebnisse bringen würden. Andere Hersteller gehen hier jedoch einen anderen Weg mit langlebigen Druckköpfen und austauschbaren Tintentanks, oft sogar separat für jede Farbe. Selbst HP ist bei neueren Modellen von dem jahrelang propagierten Weg der integrierten Druckkopf-Tintentank-Einheiten abgewichen. Insbesondere bei Single-Ink-Systemen stellen sich viele Probleme nicht, insbesondere nicht die Dead-on-Arrival-Probleme. So erscheint es kaum vorstellbar, dass ein Mitarbeiter eines Nachfüll-Shops eine separate transparente, gelbe Patrone beispielsweise mit Magenta-Tinte befüllt, während ein solcher Fehler bei den getesteten, schwarzen Mehrkammerpatronen natürlich viel eher denkbar und im Test ja auch tatsächlich erkannt worden ist. Auch ist vermutlich die Abdichtung einer einzelnen Farbpatrone viel einfacher, und selbst wenn dies nicht vollständig gelingt und eine kleine Farbmenge austritt, vermischt sich diese bei separat verpackten Patronen nicht gleich mit anderen Farben und macht die gesamte Mehrfarbpatrone unbrauchbar.

Insgesamt muss also vermutet werden, dass das Nachfüllen von Single-Ink-Systemen ungleich leichter und besser gelingt als das Wiederbetanken integrierter Druckkopf-Patronen. Während es allerdings in der vorliegenden Studie primär um die Ergiebigkeit ging und gemischte Dokumente auf Standard-Papier gedruckt wurden, würden Digitalfotografen ganz andere Anforderungen stellen. Insbesondere bei Fotodruckern spielt neben der Qualität des Druckergebnisses direkt nach dem Druck auch die Lichtbeständigkeit und die Langzeithaltbarkeit eine große Rolle. Außerdem wird es bei den komplexen Fotodruckwerken mit fünf, sechs oder noch mehr Farben natürlich für einen Fremdtintenhersteller immer schwieriger, für jede Farbe die richtige Ersatztinte zu entwickeln. Insofern dürfte das Wiederbefüllen von Single-Ink-Patronen eher im Office-Bereich mit großem Druckdurchsatz eine Rolle spielen als im qualitätskritischen Fotodruck.

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