Top und Flop nah beieinander
Triple-Kamera des Huawei P20 Pro auf Bildqualität getestet
Seite 2 von 2, vom 2018-05-15, aktualisiert 2018-06-08 (Autor: Benjamin Kirchheim)Zur Seite 1 wechseln
Bei der Auflösung zeigt die Triple-Kamera also ein sehr ambivalentes Bild. Im Weitwinkel ist sie wirklich sehr gut, wenn auch nicht so ein Überflieger, wie der reine Blick auf die Labormessdaten vermuten lässt. Auch beim Zweifachzoom ist die Kamera erstaunlich gut. Beim Dreifachzoom jedoch wendet sich das Bild, die Kamera ist nun plötzlich "grottenschlecht". Die Telekamera hätte Huawei sich wirklich sparen können.
Die Telekamera zeigt selbst bei ISO 100 kaum Details, die feine Holzmaserung ist kaum zu erkennen. [Foto: MediaNord]
Aber da war doch noch etwas: Neben der Auflösung spielen natürlich das Bildrauschen, der Dynamikumfang und die Farben eine wichtige Rolle. Hier gibt es jedoch eher Überraschungen der negativen Art, zumindest in der Praxis. Doch zunächst zu den trockenen Laborwerten: Der Signal-Rauschabstand bewegt sich zwischen ISO 50 und 3.200 auf ausreichendem Niveau von 35 bis 40 dB, nur bei ISO 6.400 sinkt er darunter. Das Helligkeitsrauschen steigt bis ISO 400 kontinuierlich an und wird leicht sichtbar, sinkt dann aber bei ISO 800 ab, um danach wieder anzusteigen und bei ISO 6.400 etwas stärker sichtbar zu werden. Farbrauschen spielt hingegen keine Rolle. Auch die Texturschärfe ist erstaunlich gut. Bis ISO 400 sind die Bilder sehr detailreich, darüber gibt es einen abrupten Abfall des Messwerts, aber die Details sind weiterhin so gerade noch ausreichend bis ISO 3.200.
Der Blick auf die angefertigten Testbilder bringt etwas mehr Klarheit: Die Bildaufbereitung greift wieder sehr stark ein, was man spätestens ab ISO 400 zu sehen beginnt. Linien fangen an auszufransen, was in der gezoomten Detailansicht künstlich wirkt. Bis ISO 400 kann das P20 Pro aber tatsächlich auch feinste Details bewahren, während Bildrauschen nur schwach in Erscheinung tritt. Oberhalb von ISO 400 zeigt sich aber, dass auch Huawei nur mit Wasser kocht. Die Bilder werden deutlich weicher. Jedoch tritt ein ganz anderes, äußerst unschönes Phänomen auf, das wir nur aus den frühen Jahren der Digitalkameras kennen und eigentlich für ausgestorben hielten: Das Bildrauschen weist starkes Banding auf! Je höher die Empfindlichkeit wird, desto stärker werden horizontal verlaufende Linien im Bild sichtbar.
Stellt man die Kamera im Weitwinkel auf zehn Megapixel zurück, so wirken die Bilder glatter und rauschfreier, aber auch detailärmer. Das Banding jedoch wird oberhalb von ISO 400 eher sogar stärker sichtbar. Richtig gruselig sehen hingegen die Aufnahmen bei aktiviertem Dreifachzoom aus. Plötzlich wirken die Bilder verwaschen und detailarm aus, auch die Farben sind etwas blasser. Das Rauschen ist stärker, Banding tritt hingegen immerhin nicht auf. Was auch immer für eine 80mm-Festbrennweite Huawei da verbaut hat: Sie hätten es lassen sollen. Man fühlt sich regelrecht in die Anfangszeit der Smartphonefotografie zurückversetzt.
Das Banding des Huawei P20 Pro ist im 10-Megapixel-Modus der 40-Megapixel-Hauptkamera besonders gut zu sehen, hier bei ISO 3.200. [Foto: MediaNord]
Zurück zu den weiteren Messwerten der 40-Megapixel-Kamera, denn hier scheint wieder die Sonne: Die Eingangsdynamik pendelt bis ISO 800 um den Wert von elf Blendenstufen herum, damit braucht sich das P20 Pro nicht hinter ausgewachsenen Digitalkameras zu verstecken. Die starke Bildaufbereitung zeigt sich hingegen beim Tonwertumfang: Er bewegt sich zwar über einen großen Empfindlichkeitsbereich auf gutem bis befriedigendem Niveau, macht aber kleine Höhenflüge. Die Farbtreue ist im Mittel gut, nur wenige Farben weisen etwas stärkere Abweichungen auf. Vor allem im Lila-Bereich ist die Sättigung zu hoch, während Rot Richtung Orange, Orange Richtung Gelb und Gelb Richtung Gelbgrün etwas verschoben ist. Insgesamt aber kann sich die Farbwiedergabe wirklich sehen lassen, zumal über einen großen Empfindlichkeitsbereich eine hohe Farbtiefe von vier bis beachtlichen acht Millionen Farbnuancen erreicht wird.
Fazit
Bei der Kamera des Huawei P20 Pro liegen Licht und Schatten nahe beieinander. Huawei hat es geschafft, gleichzeitig die beste und schlechteste Kamera der Flaggschiff-Smartphones der letzten Jahre zu verbauen. Die Bildqualität im Weitwinkel bei 40 Megapixeln Auflösung ist wirklich beeindruckend. Optische Fehler sind vernachlässigbar und die Auflösung zeigt sehr viele Details. Die Eingangsdynamik ist hoch und die Bilder beinhalten einen großen Farbreichtum. Auch bei mittleren Empfindlichkeiten bleibt die Bildqualität hoch. Bis ISO 400 ist das Bildrauschen gering und der Detailreichtum für ein Smartphone außergewöhnlich hoch, sodass man schon eine ziemlich gute "echte" Digitalkamera braucht, um hier deutlich bessere Ergebnisse zu erzielen.
Aber wehe, man nutzt höhere Empfindlichkeiten oder gar das Zoom. Bei hohen ISO zeigt sich ein sehr unschönes Banding, bei mehr als zweifachem Zoomfaktor nimmt die Auflösung drastisch ab. Bei dreifachem Zoom werden zudem die Farben etwas blasser. Was sich Huawei dabei gedacht hat, eine so grottenschlechte Telekamera einzubauen, kann man sich nicht vorstellen. Die 40-Megapixel-Kamera ist aus Fotografensicht ein wirklich guter Kaufgrund für das Huawei P20 Pro, die Telekamera hingegen nicht. Am besten betreibt man die Kamera also bei 40 Megapixeln, dann kann man ohnehin nicht zoomen, und nutzt im Zweifel Ausschnittsvergrößerungen, die sich bei niedrigen ISO-Empfindlichkeiten wirklich sehen lassen können. Die guten Ergebnisse des DxO-Mark-Tests jedenfalls können wir nur für die 40-Megapixel-Kamera und auch nur für niedrige Empfindlichkeiten nachvollziehen.