Unspektakuläre Nachfolgerin
Vergleich Nikon D70/D70s
2005-06-29 Schon als auf der Website von Nikon vor der Markteinführung für kurze Zeit "versehentlich" die Handbücher der neuen Modelle D70s und D50 erschienen, löste dies einiges an Erstaunen und teilweise Enttäuschung aus. Bot doch die Nachfolgerin der sehr erfolgreichen D70 auf den ersten Blick bis auf die Namenserweiterung keine besonderen Änderungen. Im Vergleich zu den Mitbewerbern vermisste man größere Pixelzahl, eine neue Sensorgeneration oder erweiterten Signalumfang. Damit stellt sich auch sofort die Frage: Lohnt sich ein Wechsel von der Vorgängerin zum aktuellen Modell, ist die Neue leistungsfähiger, oder sollte man lieber nach einem günstigen Abverkauf der Alten sehen? (Anders Uschold)
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Natürlich fallen offensichtliche Veränderungen bei neuen Kameramodellen
wie Pixelzahl, mehr AF-Sensoren oder ISO-Erweiterung sofort auf und machen
auch einen guten Eindruck. In der digitalen Technik bestimmt sich die
Leistungsfähigkeit einer Kamera indessen aus der Wahl der technischen
Komponenten und deren effizienter Nutzung und Abstimmung untereinander. Die
interne Software hat daher einen gravierenden Stellenwert. Ein gutes
Beispiel dafür ist der Bildsensor-Hersteller Sony, dessen Sensoren sich bei
nahezu jedem großen Kamera-Hersteller wieder finden. Trotzdem zeigen Modelle
desselben Sensortyps deutlich unterschiedliche Ergebnisse, da Firmware und
Software zur Signalverarbeitung der Sensordaten von den Anbietern
unterschiedlich abgestimmt und leistungsfähig sind.
Nikon hat erst kürzlich mit der D2x belegt, dass eine effiziente
richtungsunabhängige Detailaufbereitung die Gesamtauflösung deutlich
verbessern kann. Wie viel besser die Ergebnisse der "zweiten D70" nun sind
und wem sie nützen, betrachten wir im Folgenden genauer: Ebenso wie die D70
ist die D70s in ihrer Detailaufbereitung sehr offensiv abgestimmt. Dies
beginnt beim Low-Pass-Filter des Sensors, der sehr hohe Frequenzen bzw.
feinste Strukturen des vom Objektiv projizierten Bildes durchlässt. Damit
liegt er im Trend der Zeit, der einer hohen Grenzauflösung den Vorzug gibt,
auch wenn dies bei feinen Bildstrukturen deutliche Störungen und Artefakte
erzeugen kann. Blau-Gelbe Farbartefakte und Helligkeitsmoiré bei
waagerechten und senkrechten Strukturen treten bei beiden Modellen in
deutlichem Maße auf. Die nachfolgende Farbinterpolation bzw. das Demosaicing
ist ebenfalls sehr hochfrequent ausgelegt und kompensiert Artefakte nicht.
Dies kann zu deutlichem magenta-grünem Farbmoiré bei diagonalen Strukturen
führen. Beide Modelle zeigen so Einschränkungen, die z.B. in der
Reproduktion von Texturen und Schraffuren kritisch werden können. Auf der
anderen Seite erhalten die Aufnahmen eine enorm hohe Auflösung, die bei
einzelnen Linien und chaotischen Strukturen positiv wirkt.
Nun ist die Auflösung aber keine Frage des Sensors alleine, sondern auch
des verwendeten Objektivs. Bis auf ganz seltene Ausnahmen zeigt ein Objektiv
einen relevanten Abfall von Auflösung und Kontrast von der Bildmitte zum
Rand. Der Vorteil digitaler Kameras gegenüber analogen liegt darin, dass
Erstere mit aufwändigen Softwareverfahren den Detailkontrast des Bildes von
der Bildmitte zum Rand anheben und damit dem optischen Verlust entgegen
wirken können. Die Kunst hierbei liegt darin, nur den real entstehenden
Verlust anzugehen, da es sonst zu einer überplastischen Darstellung am
Bildrand kommen kann und Bildstörungen bei zuviel Kompensation massiv
zunehmen. Die optischen Verluste variieren aber nicht nur von Objektiv zu
Objektiv, sondern auch für jedes einzelne bezüglich seiner Brennweiten- und
Blendeneinstellung. Hier ist eine leistungsfähige Firmware der Kamera
gefragt. Am höchsten und variabelsten sind der Randabfall des Objektivs und
seine Interaktion mit dem Sensor bei hochlichtstarken Objektiven und starken
Weitwinkeln. Beim Wechsel von der D70 zur D70s kann man eine interessante
Veränderung der bildhöhenabhängigen Kontrastanhebung ausmachen: Die D70
zeigte mit Weitwinkelobjektiven öfters einen ungewöhnlichen
Auflösungsanstieg bei halber Bildhöhe oder gar bis zum Bildrand. Außerdem
streute die Auflösungscharakteristik manchmal merklich mit der
Zoomeinstellung. Hier liefert die D70s deutlich homogenere Werte und ist
damit für Anwendungen, bei denen es auf die sehr gleichmäßige Wiedergabe
ankommt – wie etwa in der technischen Reproduktion – besser geeignet. In der
Portrait-, Action- oder Pressefotografie ist dieser Vorteil nicht so
wichtig.
Auch wenn manche Hersteller es als besondere Funktion herausstellen – die
kamerainterne Randabdunklungskorrektur (corner-shading-compensation) ist bei
allen digitalen Kameras üblicher Alltag. In der digitalen Fotografie
verursacht nicht nur die stets vorkommende optische Randabdunklung Verluste,
sondern zusätzlich der schräge Lichteinfall auf dem Sensor und die
winkelabhängige Interaktion der Strahlenbüschel des Objektivs mit den
Mikrolinsen des Sensors. Um die so erhöhte Randabdunklung auf ein gewohntes
Maß zu reduzieren, verwenden die Kameras einen Trick: Das Bild wird von der
Bildmitte zum Bildrand mit quasi steigender ISO-Empfindlichkeit berechnet,
so dass das geringere Licht am Bildrand verstärkt wird. Damit steigt aber
auch das Rauschen und fällt die Dynamik zum Bildrand hin. So ist eine starke
Randabdunkelungskorrektur nur bei Kameras sinnvoll, deren Bildqualität bei
hohen ISO-Werten nicht zu stark abfällt. Vergleichbar zum oben genannten
Kontrastverlust ist auch die Randabdunklung von Objektiv, Brennweite und
Blendeneinstellung abhängig und stellt sehr hohe Anforderungen an die
Kamerafirmware. Bei der Randabdunkelungskorrektur ist ein Unterschied
zwischen der D70 und der D70s feststellbar: Die neuere D70s zeigt bei vielen
Objektiven eine niedrigere Randabdunklung, offenbar ist die Firmware
optimiert und ihre Randabdunklungskorrektur stärker eingestellt.
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Beim Rauschen spielt die interne Signalaufbereitung eine enorme Rolle.
Bei der eigentlichen Rauschglättung kann die Stärke, ihr Einfluss auf Kanten
und feine Bildstrukturen und die unterschiedliche Wirkung auf Farbrauschen
oder Helligkeitsrauschen beeinflusst werden. Zusätzlich wird das Rauschen
von anderen Bildaufbereitungsfunktionen beeinflusst, wie durch
Scharfzeichnung, Tonwertwiedergabe, Weißabgleich, Randabdunkelungskorrektur
oder Komprimierung. Bei der D70 findet man in den mittleren ISO-Werten ein
niedriges Rauschen, bei hohen ISO-Einstellungen zeigt sich stärker das
Farbrauschen. Die D70s hat hingegen überwiegend Helligkeitsrauschen, das
dafür insgesamt stärker ausgeprägt ist und bereits bei den mittleren
ISO-Werten auftritt; im Bereich Rauschen ist die D70 ihrer Nachfolgerin
überliegen.
In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Rauschen findet sich die
Eingangsdynamik. Mittlerweile verwenden Hersteller eine tonwertselektive
Rauschunterdrückung, die das Rauschen in den dunklen Bildpartien besonders
abschwächt. Dies ermöglicht bei nahezu allen Berechnungsmethoden der
Eingangsdynamik bessere Ergebnisse, denn für diese Verfahren wird die Stärke
des Schattenrauschens als mathematische Basis verwendet. Beide Nikon-Modelle
dämpfen das Rauschen in den Schattenpartien vergleichbar ab und haben eine
sehr ähnliche präzise Tonwertwiedergabe. Die D70s zeigt wegen ihres
insgesamt stärkeren Rauschens eine etwas niedrigere Eingangsdynamik als die
D70, weil Schattenpartien unruhiger und damit weniger differenziert
wiedergegeben werden.
Bei der Scharfzeichnung hebt man den Kontrast einzelner Linien und Kanten
an ihrem Rand lokal an, um einen höheren visuellen Schärfeneindruck zu
erhalten. Sorgfältig dosiert kann man damit Schwächen des Objektivs
ausgleichen und die Wiedergabe visuell ansprechender gestalten.
Problematisch wird Scharfzeichnung, wenn sie zu Artefakten führt. Eine zu
hohe Scharfzeichnung lässt ein Bild ins Überplastische, Montageartige
kippen. Ist die Kontrastanhebung auf der hellen und dunklen Seite einer
Kante nicht symmetrisch, so wirkt das Bild auch im Ungleichgewicht und
künstlich. Ist die Scharfzeichnung in hellen und dunklen Bildbereichen zu
stark, so können einzelne Pixel oder ganze Linien auf den Minimalwert
Schwarz abgesenkt oder auf den Maximalwert Weiß angehoben werden. Dies
bezeichnet man als Signalclipping, einzelne Bereiche an der Kante brennen
aus oder saufen ab. Die beiden Nikon-Kameras zeigen in etwa die gleiche
Verteilung der Scharfzeichnung, ihre Scharfzeichnung findet überwiegend in
mittleren bis hellen Bildbereichen statt, helle Seiten werden leicht
asymmetrisch angehoben, und es entsteht Weiß-Clipping an kontrastreichen
hellen Kanten. Insgesamt ist die D70s aggressiver abgestimmt und schärft
etwas stärker nach als die D70.
Ein sehr angenehmer Aspekt der D70s war im Labor festzustellen: Sie
besitzt sehr hohe AF-Genauigkeit und Trefferquote bei feinstrukturierten
Motivvorlagen; dabei ist sie der D70 etwas überlegen.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die D70s mit gleichen Objektiven
weniger Randabdunklung und eine bessere Auflösungsverteilung hat. Bei der
Scharfzeichnung ist sie etwas offensiver, was je nach Anwendung – ob
shoot-to-print oder Bildbearbeitung – von Vorteil oder Nachteil ist. Das
Rauschen der D70s ist deutlich farbneutraler, aber höher als das der D70.
Folglich ist die Eingangsdynamik und damit die Fähigkeit, kontrastreiche
Motive zu meistern, bei der D70 etwas besser. Absolute Auflösung und
Artefaktverhalten sind bei beiden Kameras extrem hoch. Die Veränderung der
D70s zu ihrer Vorgängerin mag nicht spektakulär sein. Sie findet jedoch
vielschichtig statt und liefert dem Anwender zwei Modelle unterschiedlicher
Abstimmung und jeweils optimaler Einsatzbereiche.