Couch-Potatoe oder Bildbearbeitungsprofi?

Wacom Cintiq 12WX im Praxistest der digitalkamera.de-Redaktion

2008-04-03 Fotos direkt auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm zu bearbeiten, ist eine Wunschvorstellung vieler Anwender. Damit könnten auf einfache Weise Schatten wie mit dem Bleistift in die Bilder gezeichnet und Konturen für Freisteller intuitiv markiert werden. Das 21 Zoll große und zehn Kilogramm schwere Wacom Cintiq 21UX war die bisher einzige Lösung. Seit kurzem bietet Wacom mit dem Cintiq 12WX jedoch eine handlichere und für Heimanwender preislich erschwingliche Alternative an. Grund genug, das Gerät einem Praxistest zu unterziehen.  (Torsten Kieslich)

Wacom Citiq 12 WX [Foto: Wacom] Das Cintiq ist im Prinzip eine Kreuzung aus LCD-Monitor und Grafiktablett und erlaubt es, alles das direkt auf dem Bildschirm zu tun, was man sonst mit der Maus gemacht hat. An die Stelle einer – zumindest im Falle des Testers – nicht immer perfekten Hand-Auge-Koordination tritt bei der Wacom-Lösung das unmittelbare Werkzeug des Stiftes. Der Nachteil des bisherigen 21-Zoll-Tabletts lag darin, dass es aufgrund seines Gewichts nicht "auf der Couch" nutzbar war, um rasch ein paar Bilder zu bearbeiten. Denn es ist kaum vorstellbar, dass jemand ein Tablett vom Gewicht eines Wohnzimmertisches auf den Knien balanciert. Gerade für Anwender, die häufig mit dem Laptop arbeiten, ist daher die etwas mobilere Lösung sehr angenehm, die es erlaubt, auf das "klassische" Touchpad zugunsten einer Stifteingabe zu verzichten. Das neue Cintiq 12WX kommt also wie gerufen, ein Tablett, das ebenso gut funktioniert wie sein 21-Zoll-Pendant, mit seinem 12-Zoll-Display aber deutlich handlicher ausfällt – auch beim Preis, der mit rund 1.190 EUR deutlich moderater ist als die knapp 3.000 EUR, die für das 21UX aufgerufen werden. Mit einem Gewicht von knapp unter zwei Kilo kann man mit dem Cintiq 12WX dann auch durchaus mehrere Stunden bequem arbeiten.

Nach dem Auspacken überwiegt erst einmal die Begeisterung für das mit rund 17 mm wunderbar flache Bildschirmchen mit seinen griffgünstigen, wenn auch unbeschrifteten Tasten. Mit einem kleinen Bügel lässt sich das Tablett auch bedienungsfreundlich schräg aufstellen – natürlich in verschiedenen Winkeln. Legt man es flach auf den Tisch, lässt es sich auf einem kleinen Kunststoffnippel bequem hin- und herdrehen, so wie man es auch beim Zeichnen mit einem Skizzenblock tun würde.

Wacom Citiq 12 WX [Foto: Wacom] Die Ausrichtung des Bildschirms über die mitgelieferte Software ist in wenigen Augenblicken vollzogen – man markiert lediglich mit dem Stift zwei Eckpunkte auf dem Bildschirm, an denen die Software die individuelle Stifthaltung erkennt. Damit wird die Cursorpositionierung am Bildschirm mit der Stiftposition abgestimmt. Ein notwendiger Schritt, da die stabile Glasauflage des Tabletts je nach Blickwinkel für eine gewisse Brechung sorgt. Danach ist das Arbeiten wirklich intuitiv und sehr direkt möglich.

Nach der ersten Begeisterung fallen aber auch einige Nachteile des Cintiq 12WX auf: So ist das Tablett nicht wirklich mobil, denn neben dem Tablett benötigt man noch eine Konverterbox, die auf der einen Seite mit zwei Kabeln (USB und DVI bzw. VGA) mit dem Rechner verbunden wird, mit einem weiteren Kabel Netzstrom tankt und auf der anderen Seite wiederum per Kabel zum Tablett führt. Damit ist die Lösung durch das entstehende Kabelgewirr schon eher etwas für eine Festinstallation am Arbeitstisch. Auch der Stift verschwindet in Ruhephasen nicht etwa im Tablett, sondern in einem mitgelieferten Ständer, der dem ganzen die Anmutung eines Federkiels im Tintenfass gibt.

Der tatsächlich größte Hinderungsgrund, um das Cintiq 12WX in aller Ruhe auf der Couch zu benutzen, während der Laptop abseits als Datenschleuder auf dem Wohnzimmertisch wartet, ist jedoch die für Photoshop enorm kleine Bildschirmdiagonale. 12 Zoll sind nicht wirklich üppig, und so schreit das Gerät danach, nur das Bild auf dem Cintiq zu bearbeiten, während alle Menüs und Werkzeuge auf dem zweiten Bildschirm aktiviert werden. Der dazu notwendige Wechsel zwischen den Monitoren klappt jedoch mit den ExpressKeys des Tabletts reibungslos.

Beim Arbeiten mit Photoshop ist das Tablett trotz der Größeneinschränkung fantastisch – der Stift erlaubt ein intuitives Arbeiten, und auch komplexe Schritte wie das Auswählen von Konturen, Freistellen von Haaren etc. gelingen auf Anhieb sehr gut. Durch die Druckempfindlichkeit von 1.024 Stufen ist es geradezu ein Vergnügen, mit Pinseln Schatten hinzuzufügen oder Retuschen durchzuführen, da die Strichdicke dem Druck angepasst wird, der mit dem batterie- und kabellosen Zeichenstift ausgeübt wird.

Die ExpressKeys des Cintiq  [Foto: MediaNord] Wirklich knifflig wird die Arbeit mit dem Cintiq nur, wenn Tastatureingaben gefordert sind – hier muss man entweder auf die Tastatur des Rechners zurückgreifen, was den Arbeitsfluss unterbricht, oder – da die Software keine eigene On-Screen-Tastatur enthält – die kleine Bildschirmtastatur des Betriebssystems benutzen. Diese ist, zumindest bei dem zum Test verwendeten Macintosh, für ein effizientes Arbeiten aber zu klein. Ein deutlicher Pluspunkt des Cintiq ist die mitgelieferte Software, die es erlaubt, nahezu jede Taste am Stift oder auf dem Tablett nach eigenen Vorstellungen zu konfigurieren. Beispielsweise können die rechte Maustaste auf die untere Tastenwippe des Stiftes gelegt oder die Touchstrips genannten berührungsempfindlichen Streifen des Tabletts zum Scrollen des Bildes genutzt werden. Bei Photoshop CS3 können die Touchstrips etwa dazu genutzt werden, um den Bildschirmbereich auszuwählen, der vergrößert oder verkleinert werden soll.

Die Tasten des Tabletts, die so genannten ExpressKeys, lassen sich über die Cintiq-Software mit Kurzbefehlen und Menüfunktionen belegen. Der oberste ExpressKey ist dabei von Hause aus mit der Bildschirm-Umschaltfunktion "Display Toggle" belegt und ermöglicht das zum flüssigen Arbeiten notwendige schnelle Umschalten zwischen mehreren Bildschirmen. An der Darstellung des Cintiq 12WX gibt es nichts zu mäkeln. Mit 1.280 × 800 Pixeln erhält man eine angenehme Darstellungsgröße. Auch die Farben sind einwandfrei, zumal sich das Tablett wie ein Monitor kalibrieren lässt. Nach etwa zehn Minuten mit einem Spyder3 hat man hier eine wirklich gute Farbtreue erreicht. Hinzu kommt, dass der Betrachtungswinkel des Tabletts mit gut 170° groß genug ist, um bequem in den unterschiedlichsten Winkeln mit dem Tablett arbeiten zu können, ohne sich selbst verbiegen zu müssen.

Fazit Das Cintiq 12WX ist im Zusammenspiel mit einem großen Monitor ein erstklassiges Arbeitsgerät, das leider aufgrund der Verkabelung etwas an Mobilität vermissen lässt. Die etwas magere Bildschirmdiagonale von 12,1 Zoll und die fehlende Bildschirmtastatur erlauben es nicht, das Tablett durchgängig als Bildschirmersatz zu nutzen, obwohl die Darstellungsqualität es durchaus hergeben würde. Hier wäre zu wünschen, das sich Wacom zu einem 15- oder 17-Zoll hinreißen ließe, denn prinzipiell hinterlässt das Cintiq 12WX trotz des Preises von knapp 1.200 EUR einen deutlichen Kaufanreiz.

Kurzbewertung

  • Gute Bildschirmdarstellung
  • präzises, intuitives Arbeiten
  • Qualitativ hochwertig
  • Darstellung mit 12 Zoll für Fotobearbeitung etwas klein
  • Kabelsalat schränkt Mobilität ein
  • hoher Preis

Artikel-Vorschläge der Redaktion