Generationswechsel
Wacom "Graphire4" im Praxistest
2006-03-14 Die japanische Wacom Co. Ltd., 1983 gegründet als Entwickler und Hersteller innovativer Werkzeuge für den PC, führt ihren Namen auf das japanische Wort "wa" (Harmonie) und "com" als Abkürzung für Computer zurück. Die Firmengründung verfolgte von Anbeginn den Zweck der besseren Verständigung durch verständlichere Benutzeroberflächen und hatte ihren Ursprung in einer Tokioter Zeitungsredaktion. Dort wurde ein schnelles und effizientes System benötigt, um den Schriftsatz der rund 300.000 Schriftzeichen umfassenden Kanji-Schrift zu erleichtern. Daraufhin wurde schon im Gründungsjahr das erste Tablett mit einem kabellosen, induktiv operierenden Zeigergerät (einem Stift) auf den japanischen Markt gebracht. Fünf Jahre später, im Jahr 1988, wurden Wacom-Produkte erstmals auch in Europa vorgestellt und hoben sich deutlich von den etablierten High-End-Systemen ab, welche zwar druckempfindlich waren, aber immer noch ein Verbindungskabel benötigten. Durch den 1989 vorgestellten Macintosh-Treiber wurden die kabel- und batterielosen Stift-/Tablettlösungen auch für den DTP-Bereich interessant. Heute werden viele Softwarelösungen schon mit Funktionsunterstützung für Wacom-Stifttabletts geliefert, so z. B. Adobes Software-Flaggschiff Photoshop. (Harm-Diercks Gronewold)
Wacom bietet in Europa verschiedene Stifttablettlösungen in unterschiedlichen Größen an, angeführt von der "Oberklassen"-Serie Cintiq, wobei es sich um TFT-Monitore mit "Tablett"-Oberfläche handelt. Die professionellen Tabletts der "Intuos3"-Serie setzen die Palette mit USB-Tabletts für CAD- und DTP-Zwecke fort; diese werden in sechs verschiedenen Größen (von A6 bis A3 Wide) angeboten, besitzen eine Druckempfindlichkeit von 1.024 Stufen und sind neigungsempfindlich. Nach der professionellen Intuos-Serie folgt die semiprofessionelle Serie "Graphire" nun schon in der vierten, erneut verbesserten Modell-Generation in den Formaten DIN A5 und A6. Das Graphire4 in der Version Studio XL im Format DIN A5 lag uns für unseren Praxistest vor.
Das Wacom Graphire4 Studio XL wird in einem voluminösen Karton geliefert und beinhaltet neben dem eigentlichen Tablett einen Stift, eine Treiber-CD-Rom, Adobe Photoshop Elements 3 OEM für Mac und Windows und Nik Color Efex Pro 2.0 als Standard-Version, welche 19 Effektfilter als Plugin für Photoshop und andere Bildbearbeitungsprogramme anbietet.
Das Tablett besteht aus drei Teilen, zum einen aus dem eigentlichen Tablett, welches aus einem abtrennbaren, transparenten Oberteil und dem "aktiven" Tablett darunter mit Anschlusskabel besteht, und dem Stift. Das transparente Oberteil – der so genannte Photoframe – ist mit einer mattierten Fläche versehen, diese zeigt die aktive Fläche des Graphire4 an. Der Grund dieser Trennbarkeit ist simpel und praktisch, zum einen wird die aktive Fläche geschützt, und zum anderen kann man eine Vorlage verrutschsicher darunter platzieren, um sie besser "abpausen" zu können. Hierbei ist zu erwähnen, dass der Photoframe nicht einfach "aufgeclippt", sondern mit vier Riegeln an der Unterseite des aktiven Pads gehalten wird. Im oberen Teil des Tabletts befindet sich mittig eine breite Walze, welche zwischen zwei Tasten, den so genannten "ExpressKeys" platziert ist. Die "ExpressKeys" wurden aus der Intuos-Serie übernommen und sind frei programmierbar. Die Walze bietet die Möglichkeit, das Bild hinauf oder herunter zu scrollen und in Kombination mit einer entsprechenden Voreinstellung der "ExpressKeys" hinein bzw. heraus zu zoomen.
Der Stift mit einem benutzerfreundlichen Schwerpunkt hat eine gummierte Ummantelung und ist mit zwei unterschiedlich großen Tasten versehen – ein neues Feature bei dieser Serie. Die Stiftspitze ist der eines Kugelschreibers ähnlich, und am oberen Ende des Stiftes sitzt eine etwas wackelig wirkende Halbkugel, die Geräusche abgibt, wenn man den Stift schüttelt.
Das Tablett wird per USB mit dem Computer verbunden und erkannt, es muss allerdings vorher ein Treiber installiert werden, sonst würde die Position des Stiftes als relativ angesehen (so wie bei einer Maus), tatsächlich sollte seine Position jedoch absolut definiert sein. Der Treiber beinhaltet ein Dienstprogramm, welches die individuelle Belegung der verschiedenen Tasten erlaubt. Auch kann der Bildschirmbereich verändert werden, den das Tablett abdecken soll; so ist es möglich, eine variable Fläche zu bestimmen oder bei Dual-Monitor-Betrieb einen Monitor auszuwählen bzw. beide. Photoshop ist grundsätzlich für den Einsatz von Wacom Stifttabletts eingerichtet, und so stehen unter dem "Pinsel"- Reiter etliche neue, erweiterte Funktionen bereit. Da der Stift druckempfindlich ist (512 Stufen), kann durch Druckvariation z. B. die Pinseldicke oder – je nach Voreinstellung – auch die Flussstärke bzw. die Rundung des Pinsels beeinflusst werden.
Die Umstellung von der Maus zum Stift als Eingabegerät ist zuerst alles andere als einfach. Zum einen darf man, um den Zeiger (Coursor/Pinsel) zu bewegen, den Stift nicht auf der Oberfläche bewegen, sondern darüber (in ca. 1 cm Abstand), ansonsten wird das aktive Werkzeug benutzt; somit entspricht die Berührung des Tabletts mit dem Stift einem linken Mausklick. Die größere von beiden Stifttasten ist standardgemäß mit der rechten Maustaste belegt, was auch Sinn macht, da man so bequem Kontextmenüs etc. aufrufen kann. Wird der Stift um 180° gedreht, kann der hintere Aufsatz (die schon erwähnte Halbkugel) wie ein Radiergummi benutzt werden und ist ebenfalls drucksensitiv. Leider wird auch bei der Graphire4-Version – wie schon bei den Vorgängern – keine Neigung des Stiftes erkannt wie etwa bei der Intuos-Serie.
Wer lange Zeit mit der Maus seine Bilder bearbeitet hat, wird zunächst denken, dass er sich nie an ein Tablett gewöhnen könnte. Doch spätestens nach dem zweiten oder dritten Einsatz – so unsere Erfahrung –, wenn man die absolute Positionierung des Coursers verinnerlicht hat, geht die Bearbeitung wesentlich einfacher von der Hand. Funktionen wie Maskieren, Freistellen, Pfade anlegen oder Retuschieren bekommen eine ganz andere Präzisionsdimension, da das Tablett bis zu 2.000 dpi verarbeiten kann.
Fazit: Wacom hat wieder einmal bewiesen, dass eine erfolgreiche, als ausgereift erachtete Produktserie durchaus noch verbesserbar ist. Die Features des Wacom Graphire4 Grafiktabletts sind folglich optimal auf die Bedürfnisse ambitionierter Amateure und Semiprofis angepasst. Die Ergonomie ist tadellos, lediglich die mittige Platzierung der Walze und der "Expresskeys" ist etwas störend, offenbar jedoch notwendig, damit auch Linkshänder sie sinnvoll nutzen können. Die Verarbeitung des Graphire4 ist sehr hochwertig, und der Stift liegt bequem in der Hand, der "Photoframe" hält darunter gelegte Vorlagen verrutschsicher fest, und das Softwarepaket rundet den Lieferumfang angenehm ab. Alles in allem ist das Graphire4 Studio XL Paket von Wacom eine sinnvolle Ergänzung und Arbeitserleichterung für den Workflow bei Bildbearbeitung, Grafik und DTP, bedingt auch bei CAD.