Slim-Fast Wellenreiter

Wavelet-Kompression als Zukunftsverfahren?

2000-02-14 Wie kriegt man so viele Informationen wie möglich auf kleinstem Platz unter? Bei der Digitalfotografie und im Internet ist diese Frage fast zum Leitmotiv für die Entwicklung modernster Kompressionsverfahren geworden. Wie sieht denn der aktuelle Stand der Technik aus?  (Yvan Boeres)

Gerade jetzt befinden wir uns in einer Übergangszeit: Alteingesessene Dateiformate wie TIFF, JPEG oder GIF haben immer mehr Mühe, der Flut an Bildinformationen Meister zu werden; die Ablösung durch moderne Kompressionsverfahren läßt aber auf sich warten. Erste Ansätze erscheinen recht vielversprechend, das Zauberwort heißt fast unisono "Wavelet-Kompression". In Abwartung eines Standards (siehe Meldung vom 14. Januar 2000 über JPEG-2000) bieten einige Hersteller selbstgebastelte Lösungen an, die einem den Vorgeschmack auf die Bildkompression der Zukunft geben. Denn der Bedarf existiert bereits: Die aktuellen Bilddatenformate ohne Qualitätsverlust (entweder mit verlustfreier Bildkompression oder ganz ohne Kompression) liefern zu große Datenmengen – Dateien, die einem verlustbehafteten Bildkomprimierungsverfahren wie JPEG unterzogen wurden, sind zwar schlank, der Qualitätsverlust wird jedoch schnell sichtbar.

   Ausschnitt eines Testbildes im Standard-JPG-Format [Foto: Medianord]
   Ausschnitt eines Testbildes im Wavelet-Format [Foto: Medianord]

Das Wavelet-Kompressionsverfahren soll die Vorteile beider Welten vereinigen. Bei gleichem Kompressionsfaktor wie JPEG soll der Qualitätsverlust deutlich geringer sein. Die berüchtigten Artefakte, die beim Vergrößern eines JPEG-komprimierten Bildes als 8 x 8 große Pixelblöcke auftreten gehören hier der Vergangenheit an. Anstatt das Bild in solche Blöcke zu unterteilen, wird es in einem kontinuierlichen Strom "beschrieben". Darunter vermag man sich kaum etwas vorzustellen. Grob kann man die Wavelet-Kompression mit dem Prinzip der russischen Puppen vergleichen: Das ursprüngliche Bild wird in immer kleiner werdenden Kopien von sich selbst beschrieben.

Dabei wird das Bild analysiert, um grobe und feine Details voneinander zu trennen. Dies erfolgt mit einem Hoch- und Tiefpaßfilter und geschieht abwechselnd horizontal und vertikal. Die daraus resultierenden Frequenzen, die das Bild beschreiben, bilden kleine, kontinuierliche Wellen – daher auch der Name "Wavelet". Das hört sich schon komplex an und ist doch nur der Ansatz einer sehr groben Beschreibung der Wavelet-Kompression. Wer glaubt, das nötige Fachwissen zu haben, um den gesamten Vorgang verstehen zu können kann dies zum Beispiel auf der entsprechenden Internet-Seite der Fachhochschule Jena nachlesen. Wichtiger als die Funktionsweise ist der konkrete Nutzwert dieser Technik. Das ist zunächst der geringere Qualitätsverlust: Besonders bei hoher und mittlerer Kompression sehen die Bilder besser aus als bei gleich stark komprimierten JPEG-Bildern. Im Internet oder in Digitalkamera-Speichern ist der Platz immer knapp; mit der Wavelet-Kompression gewinnt man Platz, ohne daß die Qualität sichtbar darunter leidet. Da zudem bei Digitalkameras noch die Auflösung und folglich die Datenmenge überproportional zur Entwicklung von größeren Speichermedien steigt, sind solche schlanken Dateien gekoppelt mit geringem Qualitätsverlust sehr wünschenswert.

Zu den Vorteilen der Wavelet-Kompression kommt noch, daß diese schnell arbeitet und relativ tolerant ist – die Wavelet-Kompression ist meistens unabhängig von der Farbtiefe des Bildes. Auch kann man den Kompressionsfaktor stufenlos bis Faktoren von 200:1 einstellen (auf Wunsch sogar kompressionsfrei); die Dekodierung erfolgt hingegen progressiv, das Bild wird zuerst grob dargestellt und stufenweise in höherer Qualität angezeigt. Auf dem Markt gibt es bereits einige Werkzeuge, die Bilder nach dem Wavelet-Verfahren komprimieren. Und da stehen die deutschen Anbieter in der Weltrangliste ganz vorne: Einen weltweiten Erfolg konnte die Berliner Firma Luratech mit seiner Lurawave-Software verbuchen, aber auch andere deutsche Anbieter stehen in den Startlöchern bzw. sind schon im Rennen. Dazu gehören die Firmen MeVis Technology aus Bremen und Infosolutions in Mindelheim, um nur die kommerziellen Anbieter zu nennen. Diverse Fachhochschulen und Universitäten in Deutschland, wie die Fachhochschule für Technik und Wissenschaft in Berlin, die Uni Potsdam und die Uni Rostock forschen ebenfalls eifrig in diesem Bereich. Auf nennenswerte Software-Lösungen von jenseits des Atlantiks sind wir bei unseren Recherchen nicht gestoßen, eine Übersicht davon gibt es auf der Homepage des Astrophysikers Amara Graps.

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