Nachgemessen
Wie gut sind 4- und 5-Megapixel-Digitalkameras wirklich?
2002-03-06 Der letzte Auflösungssprung bei Digitalkameras verlief ruhiger als die früheren. Zum einen sind viele Anwender bereits mit 2- und 3,2-Megapixeln zufrieden, zum anderen versprach der Sprung von 3,2 auf 4,0 Millionen Bildpunkte keinen so hohen Zuwachs an Auflösung wie frühere Generationswechsel. Doch die Pixelzahl allein sagt nicht alles. Für digitalkamera.de hat der Diplominformatiker Anders Uschold in seinem Testlabor einige aktuelle Spitzenmodelle einmal messtechnisch unter die Lupe genommen und kam dabei zu hoch interessanten Ergebnissen. (Anders Uschold, Jan-Markus Rupprecht)
|
Canon PowerShot S40
|
|
Canon PowerShot G2
|
|
Casio QV-3500EX
|
|
Casio QV-4000
|
|
Fujifilm FinePix 6900 Zoom
|
|
Nikon Coolpix 995
|
|
Olympus E-20P
|
|
Olympus C-4040 Zoom
|
|
Sony DSC-F707
|
|
Sony DSC-S85
|
Der letzte Generationenwechsel bei digitalen Kameras verlief mit deutlich
weniger Tamtam als seine Vorläufer. Offenbar scheint hier eine Beruhigung im
Wettrennen nach immer größeren Auflösungswerten stattzufinden. Dabei zeigt
unsere Untersuchung, dass dieser Schritt ebenso interessant ist wie damals die
Steigerung von zwei auf drei Megapixel. In Fortführung der Tradition der
damaligen Modelle verwenden heutige Kameras der 4-Megapixel-Klasse fast
ausschließlich den gleichen Sensor der Firma Sony und auch bei den Objektiven
findet man immer öfter gleiche Bezeichnungen zu Brennweite und Lichtstärke
unter verschiedenen Namen. So sind die Eigenschaften der Kameras
unterschiedlicher Hersteller in einigen Bereichen sehr ähnlich, beispielsweise
das Rauschen, die Signaldynamik oder die Differenzierung von Grauwerten. Man
könnte meinen, die Modelle gleichen sich einander immer mehr an.
Die wahren
Veränderungen sind jedoch größer als man auf den ersten Blick vermutet. Auch
erhält der Anwender für sein Geld deutlich mehr Qualität und Leistung als
jemals zuvor. Die Ursache, dass sich diese Leistungen erst auf den zweiten Blick
offenbaren, liegt in der Werbung: Geräte müssen einfach, markant und zumindest
in groben Eckwerten vergleichbar für den Kunden dargestellt werden. Bei
digitalen Kameras wird von den Herstellern als Hauptargument die Anzahl der
Pixel verwendet. Ähnlich wie die Taktfrequenz von Prozessoren oder Auflösung
von Scannern wird auch hier ein so genannter "Spezifikationskrieg"
geführt. Die Qualität einer Kamera hängt jedoch in viel größerem Maße vom
Zusammenspiel der einzelnen Komponenten ab. Dieses sind folgende:
Objektiv In der Fotografie ist besonders das Objektiv
entscheidend. Seine Fähigkeit und Qualität feine Details im Motiv,
differenzierte Farben und hohe Kontraste, das heißt sehr helle oder sehr dunkle
Bereiche, hochwertig abzubilden, machen anspruchsvolle Fotografie überhaupt
erst möglich.
Sensor Vergleichbar mit analoger Fotografie, bei der das Bild
des Objektivs auf einem Film aufgezeichnet wird, setzt in der digitalen Kamera
der Sensor das Motiv in eine weiter verwertbare Form um. Für die differenzierte
Darstellung ist nicht nur die bereits genannte Auflösung entscheidend, sondern
auch die Differenzierung von Farben und die Dynamik. Dynamik ist die Fähigkeit,
einen möglichst großen Helligkeitsbereich des Motivs aufzuzeichnen (sog.
"Eingangsdynamik") und diese detailliert mit guten Kontrasten
darzustellen ("Ausgangsdynamik"). Ähnlich dem analogen Film, bei dem
Darstellungen gleichmäßiger Flächen im Motiv schwanken oder körnig sein
können, besitzt auch ein Sensor eine gewisse Unregelmäßigkeit. Dieses
Rauschen ist ebenfalls für die qualitative Darstellung sehr wichtig.
Signalverarbeitung Vom Sensor eingefangene und gelieferte Daten
müssen elektronisch weiterverarbeitet werden. In der Signalverarbeitung wird
für Belichtung, Korrektur der Farbtemperatur und eine möglichst natürliche
Wiedergabe unterschiedlicher Helligkeiten und Nuancen gesorgt. Zusätzlich
werden aus den Pixelwerten des Sensors, die nur in den Farben Rot, Grün, Blau
(oder in Ausnahmefällen Cyan, Magenta und Gelb) geliefert werden, Bildpunkte
mit jeweils allen drei Farbanteilen berechnet. Diese Farbinterpolation liefert
die für die Darstellung auf digitalen Geräten notwendigen Farbinformationen
und Dateiformate. Ein weiterer wichtiger Punkt der Signalverarbeitung ist die
Scharfzeichnung. Kaum ein Hersteller verwendet vom Sensor erfasste Strukturen
und Linien ohne sie " bildverbessernd " zu modifizieren. Auf diese
Weise erscheint dem Betrachter das Bild schärfer und kontrastreicher.
Übertreibt man diese Nachbearbeitung, so wird das Bild unnatürlich und
überplastisch.
Speicherung und Ausgabe Um die für Speicherkarten oder
Direktverbindungen der Kamera zum Computer zu großen Dateien handhaben zu
können, werden sie komprimiert. Da jede Komprimierung, die das Bild auf
durchschnittlich weniger als die Hälfte der Originalgröße verkleinert,
Verluste mit sich bringt, ist auch dieser Schritt ein Qualitätsmerkmal. Bei
einfacheren Modellen gehen die Hersteller oft dazu über, Bilddateien bereits in
der Kamera für das verwendete Ausgabegerät zu optimieren. So kann die gleiche
Aufnahme durchaus unterschiedliche Ergebnisse liefern, wenn man sie normal in
den PC überträgt, über den Infrarotausgang oder ein Kabel direkt an den
Drucker schickt oder als Videosignal auf dem Fernseher wiedergibt.
Beurteilung einer Kamera
Die Leistung einer Kamera und ihre Qualität ergeben sich aus dem
Zusammenspiel der oben genannten Kriterien. Deshalb kann man sie nicht allein
aufgrund ihrer technischen Spezifikationen und Daten bewerten, sondern muss
Testaufnahmen erstellen und untersuchen. Ein geschulter und erfahrener
Betrachter kann Stärken und Schwächen einer Kamera erkennen und verschiedene
Typen miteinander vergleichen und bewerten. Um einen exakten Vergleich zu
erhalten oder Kameras über einen längeren Zeitraum zu beurteilen, ist es
sinnvoll, auf Ergebnisse eines Messlabors zurückzugreifen. Das Messverfahren
DCTau basiert auf solchen Laboruntersuchungen. Für den Vergleich von Kameras
unterschiedlicher Leistungsklassen und insbesondere des Generationenwechsels von
3-Megapixel auf 4- bzw. 5-Megapixel ist es interessant, den Wirkungsgrad und das
Nettodateivolumen der Prüflinge zu betrachten.
Vereinfacht ausgedrückt beschreibt der Wirkungsgrad wie gut die
qualitätsqestimmenden Komponenten der Kamera aufeinander abgestimmt sind. Ein
Wirkungsgrad von deutlich unter 100 Prozent zeigt markante Schwächen einer
Komponente oder der Abstimmung mehrerer aufeinander. Dann sind beispielsweise
die echten Information im Bild und der Detailreichtum niedrig, obwohl die Kamera
vielleicht einen hoch auflösenden Sensor besitzt. Auf der anderen Seite stellt
ein Wirkungsgrad von mehr als 100 Prozent eine Überinformation dar. Diese
entsteht, wenn die Signalverarbeitung zu tief in die Trickkiste greift und durch
Scharfzeichnung und Linieninterpretation Strukturen im Bild entstehen, die mit
der Vorlage nichts mehr zu tun haben. Auf den ersten Blick erscheinen die Bilder
extrem scharf und detailreich. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich allerdings
Störungen, Artefakte und künstliche Strukturen.
Was man im Endeffekt dann wirklich als Bildinformationen bekommt, zeigt das
Nettodateivolumen. Bildlich gesprochen kann man sich darunter vorstellen, wie
viele Bytes der Bilddatei mit verwertbaren Informationen gefüllt sind und wie
viele unnötige Informationen wie Rauschen und Unschärfe enthalten. Das
Nettodateivolumen ist ein Ergebnis des DCTau-Testverfahrens und findet sich in
dieser Form auf keiner Speicherkarte oder auf keiner Festplatte wieder. Dafür
kann man das Nettodateivolumen von Kameras unterschiedlicher Bildgröße
vergleichen, entscheidend ist das Gesamtergebnis und nicht die einzelne
Komponente.
Was bringt der Generationenwechsel?
Die aktuelle 4-Megapixel-Generation der digitalen Kameras zeigt im Vergleich
zu ihren Vorgängern zwei besondere Veränderungen. Erstens ist die
Leistungsfähigkeit der Signalverarbeitung sowohl in der Rechenleistung als auch
in ihrer Innovation merklich gestiegen. Zweitens wurde die Homogenität der
Objektive in vielen Fällen verbessert und die Abstimmung der einzelnen
Komponenten ist in ihrer Qualität sehr weit fortgeschritten, so dass der
Fotograf mehr Leistung bekommt als zu erwarten wäre. Ein Musterbeispiel sind
die beiden ausgesprochen ausgewogenen Modelle von Casio. Die QV-3500 liefert bei
3.146 Megapixel Bildgröße 5,6 MByte Nettodaten. Die QV-4000 bringt es bei
3.763 Megapixel Bildgröße dagegen auf satte 9,3 MByte Nettodaten. Die QV-4000
liefert also für 20 Prozent mehr Bildpunkte 66 Prozent mehr Bildinformation als
die QV-3500!
Die Kehrseite dieser Medaille zeigt sich oft in einer sehr intensiven
Ausnutzung der modernen Linien- und Kantenaufbereitung, was bei zu intensivem
Einsatz zu deutlichen Artefakten und Moiré-Effekten bei feinen Strukturen
führt. Für den Anwender teilen sich die Kameras der neuesten Generation in
zwei Gruppen:
- Die erste Gruppe verwendet als Standardeinstellung eine sehr intensive
Verstärkung. Die erhaltenen Bilder wirken extrem scharf und brillant und
sind für die direkte Ausgabe an einen Drucker sehr gut geeignet. Für die
ambitionierte Weiterverarbeitung und eine möglichst genaue Reproduktion
kritischer und detaillierter Vorlagen bringen sie wegen der Artefakte unter
Umständen deutliche Probleme mit.
- Kameras der zweiten Gruppe verzichten in der Standardeinstellung
weitgehend auf diese intensiven Methoden, was ihnen in der ersten visuellen
Beurteilung eine weichere, scheinbar unschärfere Leistung verschafft. Für
die anspruchsvolle Verarbeitung sind sie aber hervorragend geeignet, da sie
alle Wege offen lassen. Dazu gehört auch die Nachschärfung, wenn die
"knackige" Wiedergabe der ersten Gruppe gewünscht wird.
Ironischerweise wird dieser anspruchsvolleren und professionelleren
Strategie in Tests mit visueller Beurteilung oft eine deutlich schlechtere
Leistung attestiert.
Fazit
Die Kameras der aktuellen Generation bieten im mittleren bis oberen
Preissegment eine enorme und bisher noch nicht da gewesene Leistungsfähigkeit.
Der echte Fortschritt findet nicht nur in der ständigen Steigerung der
Bildgröße statt, sondern auch in einer verbesserten Abstimmung der Komponenten
aufeinander. Allerdings sollte man sich als anspruchsvoller Digitalfotograf sein
individuelles Modell nicht nur nach Aussehen und Eckdaten aussuchen, sondern
sich im Vorfeld überlegen, ob man die Bilder bevorzugt nachbearbeiten möchte
oder zur shoot-to-print-Generation zählt.
Kamera |
Gruppe |
Bruttodateigröße in KByte |
Wirkungsgrad in Prozent |
Nettodateigröße in KByte |
Canon PowerShot S40 |
1 |
11.343 |
91 |
9.100 |
Canon PowerShot G2 |
1 |
11.343 |
106 |
12.279 |
Casio QV-3500EX |
2 |
9.217 |
79 |
5.606 |
Casio QV-4000 |
1 – 2 |
11.026 |
93 |
9.319 |
Fujifilm FinePix 6900 Zoom (nicht interpoliert) |
2 |
9.217 |
89 |
7.121 |
Nikon Coolpix 995 |
2 |
9.217 |
74 |
4.875 |
Olympus E-20P |
1 – 2 |
14.401 |
88 |
11.230 |
Olympus C-4040 Zoom |
2 |
11.343 |
82 |
7.486 |
Sony DSC-F707 |
1 |
14.401 |
92 |
11.668 |
Sony DSC-S85 |
1 |
11.343 |
98 |
10.603 |
So liest man die Tabelle: Gruppe 1 steht für Kameras,
die eine intensive Kantenaufbereitung bereits in der Kamera durchführen, diese
Bilder eignen sich nicht mehr sehr gut für die manuelle Optimierung. Kameras
der Gruppe 2 betreiben die Kantenaufbereitung weniger stark; mit dem Resultat,
dass die Bilder zunächst weniger scharf als die der Gruppe 1 wirken. Dafür
lassen diese Bilder jedoch alle Optionen für die nachträgliche Schärfung im
Bildbearbeitungsprogramm offen. Kameras der Gruppe 1-2 bewegen sich im
Mittelfeld mit einem Kompromiss zwischen Scharfzeichnung und Artefakten. Die
Bruttodateigröße entspricht der Bildgröße: horizontale mal vertikale Anzahl
der Bildpunkte mal drei (für die drei Farbkanäle Rot, Grün und Blau). Der
Wirkungsgrad wird
von der DCTau-Software in einem aufwendigen Verfahren ermittelt, dass
unter anderem jeweils 15 Messpunkte im Bild bei drei verschiedenen Brennweiten
berücksichtigt. Liegt dieser weit unter
100 % besitzt die Kamera Defizite beim Objektiv oder bei der Abstimmung ihrer
Komponenten aufeinander. Eine ausgewogene Kamera besitzt einen Wirkungsgrad im
Bereich von etwa 80 bis 95 %. 100 % werden nur theoretisch erreicht. Liegt der
Wirkungsgrad einer Kamera sehr dicht unter oder gar über 100 % tut die interne
Signalverarbeitung der Kamera in der Standard-Einstellung zuviel des Guten. Im
Bild sind dann Strukturen sichtbar, die es im Motiv gar nicht gegeben hat.
Aus der Bruttodateigröße und dem Wirkungsgrad leitet sich die Nettodateigröße
ab, mit der sich Kameras unterschiedlicher Auflösungsklassen miteinander
vergleichen lassen. Dabei muss man ebenfalls beachten, dass Nettodateigrößen,
die größer als die dazugehörige Bruttodateigröße sind, im Motiv gar nicht
vorhandene Strukturen enthalten.