Helle Kammer
adf Imaging Symposium 2004 in Hamburg (Rückblick)
2004-11-18 Am 16.11.2004 fand im Internationalen Haus der Photographie, Hamburg, das "Digital Imaging Symposium" statt, veranstaltet vom Arbeitskreis Digitale Fotografie e.V. (adf), einer Non-Profit-Organisation zur Förderung der digitalen Fotografie und digitalen Bildverarbeitung, in Kooperation mit Adobe Systems. Unter dem Titel "Die helle Kammer – Digitale Bildbearbeitung in der professionellen Fotografie" präsentierten Fotografen, Bildbearbeiter und Software-Spezialisten vorbildliche Anwendungsbeispiele und deren praktischen und produktiven Einsatz aus der Praxis für die Praxis. Anhand konkreter Beispiele wurde den ca. 300 Besuchern der Einsatz von Photoshop demonstriert und dabei nicht zuletzt auch der kommerzielle Aspekt dieser Arbeiten beleuchtet. (Benjamin Kirchheim)
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Zur Eröffnung der Veranstaltung begrüßte Thomas Gerwers, Chefredakteur
der Zeitschrift "ProfiFoto", etwa 300 Zuhörer, Referenten und Sponsoren. Im
ersten Referat konzentrierte sich Katrin Eismann, aus New York angereiste
Künstlerin, Autorin und Ausbilderin, auf die fotografischen Aspekte von
Photoshop CS. Mit etwas Selbstironie skizzierte sie ihr Verhältnis zu dem
führenden EBV-Programm: "Ich bin Photoshop-süchtig; ich arbeite den ganzen
Tag mit Photoshop, und wenn ich nach Hause komme, starte ich als erstes
Photoshop." Katrin Eismann bezeichnet sich selbst gern auch als
"Photoshop-Diva", wie man ihrer Webseite (siehe weiterführende Links)
entnehmen kann. Sie erklärte, welche Funktionen man in Photoshop niemals
benutzen sollte – dazu gehören ihrer Ansicht nach vor allem die restriktiven
(d. h. Bildinformation zerstörenden) Funktionen wie z. B. Helligkeit und
Kontrast, Löschen, Ebenen auf Hintergrundebene reduzieren oder
Konvertierungen in andere Farbräume oder Farbtiefen. Gearbeitet wird mit
Rohdaten (RAW) und 16 Bit pro Farbkanal. Auch neue Funktionen in
Photoshop CS waren ihr Thema, so etwa die Merge-Funktion zum Zusammensetzen
von Panoramen, wobei sie vom üblichen rechteckigen Format abwich.
Anschließend gab sie Einblicke in die Arbeit mit dem RAW-Konverter, wie man
diesen zur Schwarzweiß-Wandlung einsetzen kann und wie Bilder am besten
geschärft werden: nämlich unscharf maskieren mit Stärke 20 %, Radius 50 und
Schwellwert 0.
Farbmanipulation war ein weiteres Thema von Katrin Eismann. Sie
entwickelte mit dem RAW-Konverter mehrere Farbvariationen aus einem Bild und
zeigte eindrucksvoll, wie diese auf einfache Weise zu einem Neuen
verschmelzen. Dabei arbeitete sie hauptsächlich mit Ebenen sowie
Ebenenmasken und verriet ein paar Tricks, die in ihrem aktuellen Buch
"Photoshop Masking and Composition" (noch nicht in Deutsch erschienen)
nachzulesen sind. Zum Abschluss folgte ein kleiner Ausflug in DRI und
weitere Photoshop CS-Neuheiten, wie z. B. das automatische Ausschneiden und
Drehen von gescannten Fotos sowie die Möglichkeit, in mehreren Bildern
gleichzeitig zu zoomen und die Ausschnitte zu verschieben.
Als zweite Referentin des Symposiums bot Corinna Holthusen einen Einblick
in ihre Fotoarbeit, die sich mit Porträts und Beauty beschäftigt. Sie
arbeitet dabei im analogen Mittelformat und scannt die Negative mit einem
Trommelscanner ein, um sie anschließend in Photoshop zu bearbeiten. Zu
vielen ihrer gezeigten Bilder gab sie Erklärungen zu den erfolgten
Verfremdungen und Manipulationen. Ihre bekanntesten Bilder, ausgezeichnet
u. a. mit dem Lead-Award Cover des Jahres 2003, sind auf ihrer Webseite
online (siehe weiterführende Links).
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Der international tätige Fotograf Pedro Meyer, beheimatet in Mexiko,
zeigte anschließend zahlreiche seiner Arbeiten unter dem Motto "Truth and
Fiction", darunter Fotos, Montagen und Bilder aus Mexiko. Zu seinen Montagen
gehören z. B. Bilder, die zwar am selben Ort, aber zu unterschiedlichen
Zeiten aufgenommen wurden. So waren Menschen auf den Bildern zusammen zu
sehen, die sich in der Weise nie begegnet waren. Eines seiner
eindrucksvollsten Fotos dieser Reihe zeigt ihn mit seinem Sohn sowie seinen
Vater mit ihm selbst im Alter seines Sohnes. Pedro Meyer schuf damit eine
neue Art von Reality-Fotos, die es so bisher nicht gab. Neben Reportagefotos
aus Mexiko und der ganzen Welt stellte Pedro Meyer eine ganz persönliche
Arbeit vor: Dokumentarfotos der letzten Lebensjahre seiner Eltern –
beeindruckende und gefühlvolle Bilder, die bei vielen Zuschauern Emotionen
auslösten. Zum Abschluss seines Vortrages präsentierte er multimediale
Arbeiten: Fotos aus dem Nachtleben Mexikos mit Musikuntermalung und die
Verschmelzung von Fotos und surrealen Kunstwerken (siehe auch weiterführende
Links).
Im nächsten Vortrag beleuchtete Maike Jarsetz , Fotografin und
Grafik-Designerin, technische Aspekte des Workflows mit Photoshop. Sie ging
auf RAW-Daten und die Problematik ein, wie man diese archiviert und in zehn
Jahren noch lesen kann. Sie stellte das neue, herstellerübergreifende
RAW-Format von Adobe Systems vor, das einen neuen Standard setzen soll. Sie
demonstrierte den kostenlosen Konverter und bezeichnete den Dateibrowser als
digitalen "Sichtkasten", den man u. a. auch nützlich für Copyright-Vermerke
einsetzen kann. Anschließend zeigte sie eindrucksvoll, warum man nach der
RAW-Konvertierung – die man auch als "digitale Filmentwicklung" bezeichnen
kann – mit 16 statt 8 Bit pro Farbkanal arbeiten sollte. Es folgte die
Erklärung und Wirkungsweise der Tiefen- und Lichter-Funktion sowie eine
Erklärung der Funktion "gleiche Farben". Letztere wurde von ihr dazu
benutzt, Farben in einem Bild durch Farben aus dem anderen Bild zu ersetzen;
so bekam etwa ein schwarzes Plastikgehäuse eine silberne Edelstahl-Farbe. Es
folgte die Demonstration einer neuen Photoshop-Funktion, um
"Tiefenunschärfe" zu simulieren, wobei sogar Parameter wie Blende und die
Anzahl der Blendenlamellen berücksichtigt werden (in der deutschen
Photoshop-Version ist diese Funktion übrigens fälschlicherweise als
"Verwackeln" übersetzt worden).
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Anschließend bot Uli Staiger einen Einblick in seine Arbeit. Er
kombiniert in seinen Bildern Dinge, die eigentlich nicht zusammen gehören.
So fliegen z. B. in einer Landschaft Kaffeetassen herum und kippen aus.
Diese Bilder sind aus vielen Fotos zusammengesetzt und erfordern tagelange
Arbeit in Photoshop. Die nicht zusammen gehörenden Dinge ergeben eine neue
Gemeinsamkeit. Einige seiner faszinierenden Bilder sind auf seiner Homepage
(siehe weiterführende Links) zu bewundern – sie hier zu beschreiben würde
ihnen nicht gerecht werden.
René Staud, einer der renommiertesten Autofotografen, bot in seinem
Vortrag Details seiner Arbeit für zahlreiche, teilweise noble Automarken. Er
selbst fungiert dabei als Konzeptionist und als Fotograf. Mit Photoshop
besitzt er keine eigenen Erfahrungen, jedoch hat er dafür eine erfahrene
Mannschaft. Im Internet hat er ein Buch über "Carphotography" veröffentlicht
(siehe weiterführende Links). Anhand eines Werbebildes zeigte René Staud
Schritt für Schritt, wie es in 120-stündiger Arbeit mit Photoshop entstand.
40 % der Wertschöpfung liegen seiner Aussage nach bei einem Foto allein in
der Bildbearbeitung. Weiterhin erklärte er, wie Prototypen von Autos in
kürzester Zeit in Szene gesetzt werden: Dafür wird ein aktuelles Fahrzeug
outdoor fotografiert, wohingegen der Prototyp des neuen Wagens zeitnah zur
Fotoveröffentlichung im Fotostudio aufgenommen wird. Von der Aufnahme im
Fotostudio bis zum fertigen Bild vergehen meist weniger als 48 Stunden. Bei
der Fotostudioaufnahme sind dabei viele Dinge, wie z. B. die Colorbalance
sowie Reflexionen, wichtig. Für naturgetreue Spiegelungen wird sogar der
reale Hintergrund auf eine Wand gemalt und die Lichter der Location im
Studio naturgetreu nachgestellt.
Zum Abschluss des eintägigen Symposiums referierte Michael Najjar über
die digitale Bildbearbeitung in der Kunst. Er selbst ist Künstler und kein
Fotograf, nutzt aber Fotos und die digitale Bildbearbeitung, um Kunst zu
erschaffen. Künstler arbeiten im Gegensatz zu Fotografen oft ohne Auftrag
und müssen eigene Ideen und Konzepte entwickeln. Dabei stellte Michael
Najjar einige seiner Werke vor, so z. B. das "Clearvision"-Projekt, in dem
er Menschen zu Cyborgs mutieren lässt und so ein Spannungsfeld zwischen
Faszination und Bedrohung erzeugt. Überhaupt arbeitet Michael Najjar gerne
an Zukunftsvisionen oder erschafft Bilder, die zwar real existieren könnten,
es aber nicht tun. Dazu gehört die "Japanische Gesellschaft", in der er
Beziehungen zwischen Dingen und Räumen herstellt, wofür er virtuelle und
reale Räume verschachtelt. Seine Arbeiten sind auf seiner Homepage (siehe
weiterführende Links) zu sehen und sagen mehr als Worte.
Parallel zum Symposium zeigten einige der fast 40 Sponsoren der
Veranstaltung ihre Produkte, darunter Adobe Systems, Epson, Canon, Olympus,
ColorVision, d.punkt Verlag, efi, nik Multimedia Europe, Wacom, Lasersoft
und Eizo. Viele Zuhörer nutzten die Chance, Kontakte zu knüpfen, zu
fachsimpeln und sich mit den Referenten zu unterhalten. Das adf-Symposium in
Hamburg war nicht das erste und wird auch nicht das letzte seiner Art sein. Auch
für diejenigen, die es verpasst haben, besteht die Chance, noch daran
teilzunehmen. Denn auf der Homepage des Ausrichters, des Arbeitskreises für
digitale Fotografie (siehe weiterführende Links), soll eine DVD angeboten
werden, auf der die Vorträge zusammengefasst sind.