Adobe
Testbericht: Adobe Photoshop CS
2004-06-14 Bei der Suche nach der neuesten Photoshop-Version wird man vergeblich nach der "8" suchen, denn Adobe hat eine neue Produkt-Strategie entwickelt, die aus "7+1=CS" macht. Doch die neue Version glänzt nicht nur mit geändertem Namen, sondern hält gerade für die (Digital-)Fotografen eine ganze Menge Neues bereit. (Renate Giercke)
Da Adobe selbst die Neuerungen in Photoshop CS in unterschiedliche Anwendergruppen unterteilt, wollen wir uns schwerpunktmäßig mit den Funktionen und Optimierungen für (Digital-)Fotografen beschäftigen. Der ständig wachsenden Zahl dieser Anwender Rechnung tragend, präsentiert die neue Version eine ganze Reihe neuer oder verbesserter Werkzeuge. Diese wurden z. T. neu entwickelt, aber auch aus anderen Adobe-Produkten (z. B. Photoshop Elements) übernommen und externe Module wurden integriert.
Besonders die professionellen Anwender wird die Integration des Camera Raw-Moduls freuen. Das erstmals für die Photoshop-Version 7 erhältliche Raw-Plugin musste für ca. 120 EUR zusätzlich erworben werden. Die zweite Generation dieses Moduls öffnet und bearbeitet nun die Rohdaten der meisten Profi-Digitalkameras (Liste der unterstützten Kameras in den weiterführenden Links). Das Dialogfeld Camera-Raw startet automatisch, sobald eine Raw-Datei geöffnet wird. Standardmäßig wir das Dialogfeld im Modus "Einfach" geöffnet. Doch wirklich einfach ist auch dieser Modus nicht: Mit mehr als zehn variierbaren Parametern kann man u. a. die Weißbalance, Farbtiefe, Schärfe, Tonwerte einstellen. Wählt man den Modus "Erweitert", kommen die Registerkarten "Blende" (Kompensation chromatischer Aberrationen und Vignettierungen) und "Kalibrieren" (Korrigieren von Farbstichen in den Tiefen) mit jeweils mehreren Parametern noch dazu. Hat man alle gewünschten Änderungen (werden aktualisiert im Histogramm über alle drei Kanäle angezeigt) vorgenommen, klickt man auf "OK". Daraufhin wird in Photoshop eine Kopie der Bilddatei geöffnet, auf die die Camera Raw-Modul-Einstellungen angewendet wurde. Man kann das Bild nun bearbeiten und in einem von Photoshop unterstützten Format speichern (zur Klarstellung: Das in Photoshop zur Verfügung stehende Format Photoshop Raw ist nicht mit dem Camera Raw-Format identisch. Camera Raw-Bilddateien von Kameras enthalten unverarbeitete Bits, die direkt aus dem CCD- bzw. CMOS-Sensor der Kamera stammen. Das Photoshop Raw-Format (.raw) ist ein flexibles Dateiformat für den Austausch von Bildern zwischen Anwendungen und Plattformen.).
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Die ursprüngliche Camera Raw-Bilddatei bleibt dabei unverändert erhalten. Die auf das Rohbild angewendeten Einstellungen werden entweder in der Camera Raw-Datenbankdatei oder in einer XMP-Filialdatei gespeichert. Den Speicherort für die Einstellungen kann man unter "Camera Raw-Voreinstellungen" festlegen. So sind Einstellungen für eine bestimmte Kamera oder z. B. eine bestimmte Beleuchtung speicherbar, die dann wieder auf andere Camera Raw-Bilder angewendet werden können. Auf diese Weise kann man Vorgaben für benutzerdefinierte Weißbalancen, bestimmte Objektiveinstellungen usw. erstellen. Für den Laien wirft so ein komplexes Dialogfeld sicher mehr Rätsel als Lösungen auf und wird kaum zu befriedigenden Bildergebnissen führen. Wer sich aber mit der Materie auskennt, wird mit Übung und Erfahrung dieses mächtige Tool zu schätzen wissen. Nicht nur das Camera Raw-Modul, sondern fast alle Anwendungen von Photoshop CS können nun 16-Bit-Bilder verarbeiten (Ausnahmen z. B. Kunstprotokoll-Pinsel, Variationen, extrahieren, verflüssigen). Das Ergebnis sind sattere Farben, realistischere helle und dunkle Töne und eine Vermeidung von Tontrennungen.
Eine ganz andere Anwendergruppe als das Camera-Raw-Modul hat das neue Korrektur-Tool Tiefen/Lichter im Auge. Unter Bild > Anpassen > Tiefen/Lichter kann man per Schieberegler die beiden Parameter in der Stärke variieren. Blendet man die weiteren Optionen ein, wird eine Feinabstimmung über die Tonbreite und den Radius sowie zusätzlich eine Farbkorrektur und Einstellung des Mittelton-Kontrastes möglich. Solche Korrekturen waren in den früheren Photoshop-Versionen überwiegend durch die Anwendung der Gradationskurven möglich. Ihre Anwendung ist genial – wenn man sie versteht … Mit dem neuen Tool gibt Adobe dem (ungeübten) Anwender ein überschaubares Werkzeug an die Hand, das zwar nicht so umfassend wie die Gradationskurven die Bildqualität verbessert, doch auf jeden Fall zur Qualitätssteigerung beiträgt.
Als Rätsel präsentiert sich zunächst der von Adobe in seinen Publikationen angekündigte Blenden-Weichzeichner. Weder in der Hilfe noch in den Untermenüs findet man diesen Begriff. Mit etwas Fantasie sucht man dann unter den Weichzeichnungsfiltern und stößt auf eine Neuerung, die sich "Verwackeln…" nennt (nicht zu verwechseln mit dem Verwacklungseffekt bei den Vergröberungsfiltern!). Dieser unglücklich benannte Verwackeln-Filter rechnet nachträglich Kamera-Unschärfe in das Bild, wobei hiermit besser als mit dem Gaußschen Weichzeichner der Charakter des Bildes gewahrt bleiben soll. Man kann diesen Filter sowohl auf das gesamte Bild als auch auf eine Auswahl anwenden und damit z. B. eine blendenbedingte Schärfentiefe simulieren. Auch bei Digitalfotos aus Kameras, deren Verarbeitungsalgorithmen in Sachen "Schärfe" etwas zu viel des Guten tun, kann man diesen Filter wohl dosiert anwenden.
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Neu sind ebenfalls die Fotofilter, die man nicht bei den Filtern, sondern unter Bild > Anpassen > Fotofilter findet. Die 18 zur Verfügung stehenden Filter (z. B. Kalt-, Warmfilter, Unterwasser, Sepia) simulieren den Effekt standardmäßiger Objektivfilter. Sie sind zur Anwendung vorkonfiguriert, können aber durch Veränderung der Dichte und der Farbauswahl den eigenen Wünschen angepasst werden. Und wir sind mit den Filtern immer noch nicht am Ende. Adobe hat seinen Anwendern eine Filtergalerie gegönnt. In diesem neuen Dialogfenster findet man neben einer vergrößerten Bildvorschau alle zur Verfügung stehenden Filter aufgelistet, von denen man nun gleichzeitig mehrere anwenden kann.
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Wer eine schnelle Farbabstimmung sucht, kann auf das neue Tool "Gleiche Farbe" (unter Bild > Anpassen > Gleiche Farbe) zurückgreifen. Es erfasst die Farbcharakteristiken von Bildern oder Ebenen und überträgt diese auf andere Aufnahmen. Über die Bildoptionen Luminanz, Farbintensität und Verblassen lassen sich Feineinstellungen vornehmen. Wer ganze Fotoserien so angleichen möchte, kann seine Einstellungen als "Statistik" abspeichern und anschließend auf alle Bilder der Reihe anwenden, um ein einheitliches Farbschema zu erzielen.
Im Werkzeugfach des Reparaturpinsels und Ausbessern-Werkzeugs ist neu das "Farbe-ersetzen-Werkzeug" hinzugekommen (nicht zu verwechseln mit Bild > Anpassen > Farbe ersetzen… !) Es dient der schnellen Farbänderung von Bildbereichen ohne die Originaltextur oder -schattierung zu verändern – ideal z. B. zur Beseitigung von Roten Augen.
Trauriger Tiefpunkt der Neuerungen ist das aus Photoshop Elements übernommene Modul "Photomerge". Es dient zur Erstellung von Panoramabildern, die nahtlos aus mehreren Einzelbildern aneinander gefügt werden sollen. Mit Photomerge haben wir uns schon ausführlich im Rahmen unseres Panorama-Workshops befasst (siehe weiterführende Links) und konnten auch in dieser Version zu keinem besseren Urteil kommen: Die Gestaltungsmöglichkeiten sind begrenzt, der Ausgleich von Belichtungsunterschieden ist schlecht und erfordert meist aufwändige Nacharbeiten – die Ergebnisse werden dem gewohnten Adobe-Qualitätsstandard nicht gerecht.
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Was ist sonst noch interessant für den fotoambitionierten Anwender? Da ist sicher das Live-Histogramm zu nennen, das in die Info-Palette integriert ist und es ermöglicht, alle Änderungen im Auge zu behalten. Auch der verbesserte Datei-Browser gehört dazu. Mit editierbaren Metadaten und der Vergabe von Stichworten (nach denen man später suchen kann) kann man leichter auf seine Bilder zurückgreifen. Der direkte Zugriff auf Online-Dienste zur Bildbelichtung oder zum Foto-Sharing wurde aus "niederen" Adobe-Produkten (Photoshop Album) übernommen. Wer viel scannt, wird sich über die Funktion "Automatisch freistellen und ausrichten" freuen. Die Design-Palette der Web-Fotogalerie wurde ergänzt und unterstützt jetzt auch die Möglichkeit, eine Feedback-Funktion zu integrieren. Weiterhin können editierbare Texte mit der CS-Version an einem Pfad oder in einer Form individuell platziert werden und man darf eigene Tastaturkürzel und -kombinationen vergeben.
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Zwei weitere Dinge sind noch erwähnenswert: Da ist zunächst die Produktaktivierung zu nennen, die den Anwender gleich bei der Installation überrascht. Ähnlich wie beim Betriebssystem XP von Microsoft ist für Photoshop CS eine Produktaktivierung bei Anwendung unter Windows erforderlich. Innerhalb von 30 Tagen muss diese erfolgen, sonst wird das Programm inaktiv. Zwei Mal kann man sein Programm problemlos aktivieren, vor weiteren Versuchen muss man sich mit Adobe in Verbindung setzen. Ebenso unverständlich wie diese "Sonderbehandlung" eines Teils der Kundschaft, ist die Preispolitik. Die deutsche Vollversion schlägt mit rund 1.230 EUR zu Buche, für das Upgrade muss man immerhin noch ca. 290 EUR bezahlen (Windows- und Macintosh-Preise identisch). Die englische Vollversion erscheint im Vergleich geradezu als Schnäppchen: "Nur" rund 845 EUR verlangt Adobe dafür in Europa und für das Upgrade ca. 210 EUR. Zieht man dann als Vergleich auch noch die Preise heran, die Adobe in den USA verlangt, fühlt man sich "über den Tisch gezogen": Ca. 650 US-Dollar sind für die Vollversion und rund 170 US-Dollar für das Upgrade fällig. Wer sich also mit einer englische Version anfreunden kann und diese aus den USA besorgt, spart mehr als die Hälfte!
Fazit: "Gut, aber teuer" – mit diesen drei Worten kann man die neue CS-Version des EBV-Klassikers Photoshop zusammenfassend beschreiben. Und mit den (Digital-)Fotografen meint es der Hersteller diesmal besonders gut. Eine Vielzahl der Neuerungen ist dieser Anwendergruppe gewidmet und wird auf berechtigtes Interesse stoßen. Allen voran sei das Camera-Raw-Modul genannt. Es ermöglicht das Öffnen und die Bearbeitung von Kamera-Rohdaten und macht ein Sonderprogramm überflüssig. Eine ganze Reihe unkomplizierter neuer Tools erleichtern dem fotoambitionierten Anwender die Arbeit oder unterstützen seine Kreativität. Der Wermutstropfen ist natürlich wieder einmal der Preis für die neue Version, gepaart mit einer unverständlichen länderspezifischen Preispolitik.
Kurzbewertung
- verbesserte Bedienung durch eigene Tastaturkürzel und -kombinationen
- viele neue "Foto-Tools"
- Bearbeitung von Kamera-Rohdaten
- Panorama-Tool Photomerge
- Preispolitik