Profi-Bildbearbeitungssoftware
Testbericht: Adobe Photoshop CS5 Beta
2010-04-12 Das Bildbearbeitungsprogramm Photoshop erscheint in der neuen Version CS5. Zu den wichtigsten Verbesserungen zählen der deutlich ausgebaute Raw-Dialog, neue Techniken zum Ver- und Entzerren sowie die aufgewertete Nachbearbeitung von Auswahlumrissen. Neue Möglichkeiten für Auswahl und Retusche: Komplexe Motive, wie etwa lockige Fotomodelle, lassen sich nun deutlich leichter auswählen. Bildstörungen verschwinden noch schneller als bisher, und eine neue Verzerrungstechnik formt Ebenen fast wie Marionetten um. Voraussichtlich im Mai 2010 soll Photoshop CS5 zu kaufen sein. Wir haben eine Vorserienversion getestet und stellen den neuen Photoshop detailliert vor. (Heico Neumeyer)
Wie bei jeder Neuauflage bietet Photoshop Neuerungen in allen Bereichen: Verbesserungen der Bildqualität, Retusche, Auswahl und Montage sowie Spezialeffekte. Käufer der 400 Euro teureren Extended-Ausgabe erhalten zudem weiter ausgebaute 3D-Techniken. Photoshop CS5 kommt mit geänderten Dialogen für Raw-Dateien und HDR-Montagen, die deutlich bessere Ergebnisse versprechen. Zudem lassen sich typische Objektivverzerrungen erstmals automatisch ausgleichen.
Diese Funktionen nehmen wir ausführlich unter die Lupe, darüber hinaus behandeln wir neue kreative Techniken wie die raffinierteren Werkzeugspitzen und Retuscheverfahren sowie eine neue Verzerrungstechnik, die eine gute Alternative zu "Transformieren", "Verkrümmen" und "Verflüssigen" bietet. Außerdem nennen wir kleinere Erweiterungen, die häufig übersehen werden.
Wichtig für Mac-Nutzer: CS5 läuft erstmals auch mit 64-Bit-Betriebssystemen. Das beschleunigt nicht nur die alltägliche Arbeit, sondern erlaubt auch den Zugriff auf weit mehr Arbeitsspeicher als bisher. Windows-Anwendern steht die 64-Bit-Technik bereits seit Photoshop CS4 zur Verfügung.
Bei der ersten Begegnung mit der Photoshop CS5 fällt zunächst Mini Bridge auf, ein neues Bedienfeld, das Bildverwaltung direkt innerhalb von Photoshop erlaubt und an den Dateibrowser aus Photoshop 7 und Photoshop CS erinnert. Man muss also nicht mehr in die separate Bildverwaltung Bridge wechseln, um eine Bildsammlung zu durchstöbern, Stapelverarbeitung oder Schnelldiaschau zu starten. Allerdings startet das Mini-Bridge-Bedienfeld automatisch auch das separate Programm Bridge. Mini Bridge nutzt vorhandene Bildbewertungen und IPTC-Texte zum Suchen und Sortieren, nimmt aber keine neuen Wertungen oder Stichwörter an.
Der Dialog für Raw-Dateien trägt jetzt die Versionsnummer 6.0. Hersteller Adobe berechnete die Funktion nach Eigenangaben vollständig neu, vor allem sehr große und mit hohen ISO-Werten fotografierte Aufnahmen profitieren davon. Der Raw-Dialog bietet alte und neue Umwandlungstechniken zur Wahl an. Wurden Bilder bereits in einer älteren Raw-Version "entwickelt", bietet der Dialog mit einer Schaltfläche die Neuberechnung nach dem CS5-Verfahren an.
Deutlich dazugelernt hat der Raw-Dialog beim Bildrauschen: Allein drei Regler bannen Helligkeitsrauschen, zwei weitere Regler halten Farbrauschen im Zaum. Dateien, die mit hohen ISO-Werten entstanden, kommen so wesentlich besser heraus. Ausprobieren kann man das bereits jetzt mit den vergleichbaren Reglern in der zweiten öffentlichen Vorserien-Version von Lightroom 3 (siehe weiterführenden Link).
Erstmals kommt der Raw-Dialog mit einem eigenen Effekte-Register. Hier findet sich jetzt die verfeinerte Vignettierung. Randabdunklungen sehen jetzt besser aus und lassen sich besser steuern. Erstmals rechnet der Raw-Dialog zudem auf Wunsch zusätzliche Körnung ins Bild. Allerdings: Stürzende Linien oder kissen- und tonnenförmige Verzeichnung gleicht die Raw-Funktion auch weiterhin nicht aus. Diese Aufgaben erledigt das bekannte Dialogfeld "Objektivkorrektur" – und das erstmals vollautomatisch. Die Funktion erkennt Kamera und Objektiv und korrigiert bis zu drei Eigenschaften wahlweise vollautomatisch: Verzerrung, chromatische Aberration und Vignettierung. Der Anwender kann auch andere Kamera-Objektiv-Kombinationen einstellen und online nach zusätzlichen Objektivprofilen fahnden. Mit einem neuen Programm können Fotografen zudem eigene Profile entwickeln und sie online anbieten. Testen konnten wir das Verfahren in der Betaversion noch nicht.
Die "Objektivkorrektur" erlaubt auch weiterhin die bekannte manuelle Steuerung. Sie bietet hier den neuen Grün-Magenta-Regler für chromatische Aberrationen, der im Raw-Dialog fehlt. Immerhin lässt sich die "Objektivkorrektur" auch auf Smart-Objekte anwenden; man kann so also auch eingebettete Raw-Dateien bearbeiten.
Weit ausgebaute Steuermöglichkeiten, speicherbare Voreinstellungen und eine übersichtlichere Oberfläche – das sind die auffälligen Neuerungen beim HDR-Dialog. Regler für Schatten, Lichter, Schärfe und Dynamik (Farbsättigung) erweitern die Gestaltungsmöglichkeiten. Wichtiger noch: Eine neue Option schaltet Geisterbilder aus, weil sich zum Beispiel Zweige zwischen zwei Aufnahmen bewegt haben. Die HDR-Serie muss dazu mindestens drei Aufnahmen aufweisen, der Gestalter legt dann ein Foto als Referenz fest. Im Test waren die Ergebnisse besser als früher, überzeugten aber immer noch nicht ganz.
Völlig neu im Programm: Eine Variante des HDR-Dialogs lässt sich nun auf einzelne Bilder anwenden. Dabei entsteht die typische HDR-Anmutung mit übersättigten Farben und leicht unrealistischen Kontrasten. Aber auch bei Auswahltechnik und Kreativverfahren legt Photoshop CS5 eine Schüppe zu. Deutlich erweitert hat Adobe das Dialogfeld "Kante verbessern", das vorhandene Auswahlen verfeinert. Diese Funktion eignet sich erstmals dazu, auch Lockenköpfe mit durchscheinendem Hintergrund sauber auszuwählen. Die neue Funktion "Smart Radius" sucht dazu selbständig nach diffizilen Übergängen, die Breite des abgesuchten Bereichs lässt sich einstellen. Besonders komplexe Auswahlpartien übermalt man mit einem Pinsel, der in der englischen Testfassung "Refine Radius" heißt. Nach dieser Behandlung errechnet Photoshop CS5 oft perfekte Übergänge. Praktisch auch: Das Dialogfeld erzeugt wahlweise nicht eine neue Auswahl, sondern gleich eine neue maskierte Ebene, die sich perfekt weiterjustieren lässt. Nützliche Vorgaben merkt sich der Dialog auf Wunsch.
Fortschritte auch bei der Fehlerretusche. Photoshop CS5 überdeckt jetzt auch Bildstörungen, die direkt neben anderen erwünschten Motivteilen oder ganz am Bildrand liegen. Die Fehlerzone wird zuverlässig kaschiert, ohne dass innerhalb der Korrektur noch Geisterbilder aufscheinen.
In unserem Beispielbild rahmen wir Urlauber und Villen mit dem Auswahlwerkzeug ein. Der nächste Befehl heißt "Bearbeiten, Füllen" mit der neuen Option "Content-aware" ("am Inhalt ausgerichtet"). Photoshop CS5 nimmt sich dann ordentlich Zeit und liefert schließlich ein weitgehend perfektes Ergebnis – Menschen und Gebäude sind spurlos verschwunden, es gibt keine hässlich sichtbaren Übergänge. Die Baumlinie und die Felskante setzt Photoshop CS5 perfekt nach innen fort. Auch auffällige Wiederholungen halten sich in Grenzen, man kann sie bei Bedarf wegretuschieren.
Dazu kommt eine neue Verzerrungstechnik: Der Anwender klickt Fixpunkte in eine Ebene und dreht einzelne Teile der Ebene dann um diese Punkte herum. Dabei errechnet Photoshop CS5 weiche, organische Änderungen, die sehr natürlich wirken und sich zudem vielseitig steuern lassen. So kann man etwa Arme drehen oder auch verkantete Architekturaufnahmen wieder gerade ausrichten.
Die Funktion ergänzt die anderen Verzerrungstechniken wie "Verkrümmen", "Transformieren", "Fluchtpunkt" und "Verflüssigen" gut. Allerdings bietet Photoshop diese Verfahren alle unabhängig voneinander und nicht in einem Durchgang an. Abgesehen vom "Verflüssigen" lassen sich die Techniken aber auf Smart-Objekte und damit weitgehend verlustfrei anwenden.
Nochmals verbessert hat Adobe die ohnehin leistungsfähigen Pinselspitzen: Zehn neue Werkzeugspitzen bieten jetzt eine Steuerung für die einzelnen Borsten; regeln lassen sich Zahl, Länge, Dicke, Härte und Winkel. Die bisher bekannten Werkzeugspitzen sind davon ausgenommen. Ebenfalls neu im Programm erscheint ein Mischpinsel, der vorhandene Farben sehr realistisch verrührt. Feuchtigkeit und Stärke der Farbmischung variieren wahlweise auch per Zufallsregler. Damit hat der Wischfinger wohl ausgedient.
Weniger tat sich bei Bridge. Eine Verbindung zu Facebook, Flickr oder Online-Landkarten gibt es weiterhin nicht. Die separate Bildverwaltung aus dem Photoshop-Paket bietet aber erstmals eine Exportieren-Funktion nach Art von Lightroom. Hier speichert der Anwender Vorgaben für Dateiformat-Umwandlungen. Bridge zeigt zudem leichte Verbesserungen beim Umbenennen und unterstützt den neuen Standard "IPTC Extension". Diese Norm ermöglicht eine viel genauere Bildbeschreibung als das bisher verwendete "IPTC Kern". Die Bridge-Filterpalette bietet ein neues Kriterium: die Brennweite als Kleinbildäquivalent, allerdings nur für Wechselobjektivkameras, nicht für Kompaktkameras.
Dazu kommen viele kleine, nützliche Verbesserungen im gesamten Programmpaket. Erstmals dreht Photoshop einen Horizont gerade, ohne dass weiße Ecken zurückbleiben. Dazu zieht man lediglich das Linealwerkzeug an einem schiefen Horizont entlang und klickt dann auf die neue Schaltfläche "Gerade ausrichten". Wer einen Rahmen mit dem Freistellungswerkzeug aufzieht, kann jetzt Hilfslinien innerhalb der Auswahl anzeigen, zum Beispiel nach der Drittelregel. So lassen sich auch Horizonte besser geradestellen.
Fazit Photoshop CS5 bietet eindrucksvolle Verbesserungen, allerdings richten sich die Neuerungen teils an Spezialisten. Besonders eindrucksvoll wirken die Verbesserungen im Raw-Dialog und bei komplexen Auswahlumrissen.
Kurzbewertung
- Verbesserte Auswahlverfeinerung
- Automatisches Entzerren auf Basis von Objektivdaten
- Bildbrowser innerhalb von Photoshop
- Sehr hoher Preis
- Raw-Dialog korrigiert keine Objektivverzerrung