Adobe Systems
Testbericht: Adobe Systems Photoshop CS4
2008-09-23 Ein großes Geheimnis war es nicht mehr, und heute sagt es Adobe offiziell: Das Bildbearbeitungsprogramm Photoshop soll in der neuen Version CS4 noch dieses Jahr in Deutschland erscheinen. Oberfläche und Bedienung wurden deutlich verändert. Aber auch bei Montage, RAW-Bearbeitung und in der Bildverwaltung hat sich einiges getan. digitalkamera.de hat bereits eine englische Vorserienversion für seine Leser getestet. (Heico Neumeyer)
Die Veränderungen sieht man auf den ersten Blick: Photoshop und die dazugehörende Bilddatenbank Bridge wirken "voller", sie zeigen mehr Schaltflächen und Menüs. Bei Photoshop schnurren alle Bilddateien zunächst in einem übergreifenden Dateifenster zusammen, sie werden dort dann einzeln über Registerkarten oder über ein Dateifenster-Menü aktiviert. Dieses ungewohnte Verhalten lässt sich in den Voreinstellungen wieder abschalten, dann schwebt jedes Motiv wie gewohnt einzeln auf der Programmfläche.
Die neue Palette für Einstellungsebenen vereinfacht den Umgang mit diesen verlustfreien Korrekturen. Wer Einstellungsebenen wie "Schwarzweiß" oder "Farbbalance" anlegen oder bearbeiten will, braucht keine Menüs oder Doppelklicks mehr. Alle Möglichkeiten stehen jetzt bequem in der Korrekturenpalette dauerhaft zur Verfügung. Hier lassen sich mit einem Klick auch Schnittmasken herstellen; so korrigiert die Einstellungsebene nur die direkt darunterliegende Ebene und nicht die gesamte Bildfläche.
Ebenso hilfreich wirkt die neue Maskenpalette. Ebenenmasken lassen sich hier weichzeichnen oder dämpfen, doch man kann jederzeit zu ursprünglichen, präziseren Versionen zurückkehren – ein wichtiger Vorteil gegenüber früheren Photoshop-Ausgaben. Photoshop bietet in der Maskenpalette auch das Dialogfeld "Kante verbessern" an. Es verfeinert die Umrisse der Ebenenmaske weiter – doch Vorsicht: Die Regler hier ändern die Maske dauerhaft, die früheren Umrisse sind nicht mehr im Bild gesichert.
Weniger hat sich bei Kontrastkorrekturen getan. Immerhin, den Regler "Dynamik" – schon bekannt aus dem Camera-RAW-Dialog – gibt es jetzt auch im Hauptprogramm. Er sorgt für kräftigere Farben – aber weit schonender als der übliche "Sättigung"-Regler, der das Bild schnell übersättigt. Die Pinsel zum Aufhellen und Nachbelichten, bisher von der Photoshop-Community zu Recht weitgehend ignoriert, lassen sich nun besser steuern.
Den HDR-Hype des vergangenen Jahres hat Adobe wohl übersehen, denn die wenig leistungsfähige HDR-Funktion erscheint unverändert. Wer unterschiedliche Belichtungen zu einem perfekt durchgezeichneten Gesamtbild mischen will, behilft sich weiterhin mit Ebenenmasken und Füllmethoden oder nutzt ein anderes Programm wie Photomatix (siehe weiterführenden Link). Immerhin, der ausgebaute Befehl zum Ineinanderblenden von Ebenen erzeugt jetzt HDR-Mischungen, wenn auch ohne Feinsteuerung und nicht auf Anhieb perfekt. Die Ergebnisse lassen sich von Hand durch Maskenretusche weiter verfeinern. Interessanter noch: Derselbe Befehl mischt Schärfentiefe-Serien so, dass von jedem Einzelbild der schärfste Bereich zu sehen ist. Das Gesamtbild zeigt also mehr Schärfentiefe, als mit einer einzelnen Aufnahme machbar ist. Weitere Montage-Finessen erläutern wir im zweiten Teil unserer CS4-Serie.
Der Camera-RAW-Dialog erscheint jetzt in der Version 5.0 und bietet Änderungen, die man bereits von Lightroom 2.0 kennt: Einzelne Bildzonen lassen sich erstmals unabhängig vom Rest bearbeiten.
Bridge bietet kreisförmige Auswahlen mit steuerbar weicher Kante sowie rechteckige Verläufe, die zum Beispiel Himmel abdunkeln. Aber meist wünscht man sich doch die weit genaueren Auswahlmöglichkeiten des Photoshop-Hauptprogramms – und das in Verbindung mit den zahlreichen, leistungsfähigen Reglern des RAW-Moduls. Und das geht auch: Wie man RAW-Dateien innerhalb von Photoshop bearbeitet und maskiert und dabei die volle RAW-Qualität behält, zeigen wir im zweiten Teil dieser CS4-Serie. Stürzende Linien oder kissen- und tonnenförmige Verzeichnung korrigiert der RAW-Dialog weiterhin nicht.
Die Bilddatenbank Bridge fasst auf Wunsch HDR- und Panorama-Aufnahmen zu Bildstapeln zusammen, so dass sie in der Miniaturenübersicht weniger Platz verbrauchen. Das Programm wurde spürbar schneller und bietet jetzt Vorschauen für Webgalerien und PDF-Kataloge, die sich direkt in Bridge einrichten lassen. Direkt drucken kann man dort freilich immer noch nicht.
Photoshop CS4 bietet neue, hochinteressante Montage-Funktionen, die einige Begrenzungen aktueller Kameratechnik ausweiten. Einiges davon findet man im Photomerge-Dialogfeld für Panoramen wieder: Der Dialog baut nun Breitwandansichten aus Einzelbildern mit starker Randabschattung zusammen – und Photoshop CS4 rechnet diese so genannte Vignettierung eigenständig heraus. Zudem setzt Photoshop CS4 jetzt auch die stark verzerrten Bilder aus Fisheye-Kameras nahtlos aneinander.
Verbessert wurde auch der Befehl "Ebenen automatisch füllen". Diese Funktion heißt im Englischen sinnvoller "Auto-Blend Layers"; sie erzeugt ebenso wie Photomerge nahtlose Übergänge zwischen Ebenen. Meist stellt man vorab Deckungsgleichheit mit dem Befehl "Ebenen automatisch ausrichten" her. "Ebenen automatisch füllen" bekam in Photoshop CS4 erstmals überhaupt ein Dialogfeld – und einige verblüffende Talente, die man nicht auf Anhieb erkennt.
Im Dialog entscheidet man wie bei Photomerge, ob Photoshop Vignettierungen und Kameraverzerrungen ausgleichen soll. Je nach Bildmaterial produziert der Befehl dann sehr interessante Ergebnisse: Liegen unterschiedliche Belichtungen ein und desselben Motivs übereinander, erzeugt Photoshop CS4 eine HDR-Montage: Nur die jeweils besser durchgezeichneten Teile der einzelnen Ebenen werden im Gesamtbild sichtbar. Die Ergebnisse überzeugen nicht restlos (siehe auch Teil 1 unserer CS4-Serie über den weiterführenden Link). Aber Photoshop überblendet mit üblichen Ebenenmasken, also lässt sich die entstandene Bildmischung leicht per Maskenretusche korrigieren.
Der Befehl "Ebenen automatisch füllen" kombiniert auch Bildserien mit wechselndem Schärfepunkt. Das Ergebnis zeigt von jedem Einzelbild den Bereich mit maximaler Schärfe – das Gesamtbild enthält häufig mehr Schärfentiefe, als eine Einzelaufnahme mit Blende 22, 32 oder 64 erlauben würde. Zwar wirken die Ergebnisse nicht immer perfekt, sie lassen sich aber häufig per Retusche verbessern. Diese Schärfentief-Erweiterung ergänzt den neuen Trend zu Vollformat-Kameras, die weniger schärfentief aufnehmen als Geräte mit kleineren Sensoren.
Die ebenfalls neue CS4-Funktion "Content-aware scaling" staucht Bilder so, dass nur Unwichtiges schrumpft, also diffuser Hintergrund. Hauptmotive wie Personen oder Produkte bleiben dagegen völlig unverzerrt. So kann man Fotos verdichten – oder auch strecken – bis die Aussage oder das gewünschte Seitenverhältnis erreicht ist.
Unser Beispielfoto (4. Abbildung) hat zuviel "Luft" zwischen den beiden Fußballern wie auch zwischen den Fußballern und ihrem Sportgerät. Im ersten Schritt stauchen wir das Bild unproportional auf nur 85 Prozent seiner ursprünglichen Höhe. Die Jungen müssten eigentlich gequetscht erscheinen, stattdessen verschwindet nur der dunkle Hintergrund zwischen Ball und oberem Spieler – der Ball rutscht nach unten, das Bild ist bereits verdichtet und hat andere Proportionen. Im zweiten Schritt schieben wir das Foto waagerecht auf nur 62 Prozent der ursprünglichen Breite zusammen. Wieder bleiben Spieler und Ball ganz unverändert; nur der Zwischenraum schrumpft massiv. Das Bild wurde deutlich verdichtet. Das funktioniert immer dann exzellent, wenn sich das Hauptmotiv vollständig gut vom Hintergrund abhebt. Gehen jedoch zum Beispiel Haare in den Hintergrund über, werden sie schnell mitskaliert. Abhilfe hier: Ein paar flüchtige Striche im Alphakanal sperren Hauptmotive gegen jede Veränderung.
Ein anderes Problem sind individuelle Belichtungsprobleme in einzelnen Bildzonen. Oft braucht jeder Bereich einer Aufnahme eine andere Bearbeitung. So will man häufig den Himmel anders einstellen als die Landschaft darunter. Darum ermöglicht der Camera-Raw-Dialog von Photoshop CS4 erstmals örtliche Korrekturen (siehe Teil 1 unserer CS4-Serie). Allerdings kann man im Raw-Dialog die Auswahl-Umrisse nicht präzise festlegen, man wünscht sich ständig die besseren Auswahl- und Maskierungstechniken des Photoshop-Hauptprogramms. digitalkamera.de erklärt darum, wie man Raw-Dateien direkt in Photoshop bearbeitet – und dabei die vollen Raw-Eigenschaften erhalten und jederzeit ändern kann. Das Verfahren funktioniert ab Photoshop CS2 (nach alter Zählweise Photoshop 9), doch bei der Verfeinerung am Schluss nutzen wir hier die neue Maskenpalette von CS4. So geht’s:
Man schließt zunächst alle Dateien in Photoshop. Dann klickt man in der Bilddatenbank Bridge einmal auf die gewünschte Raw-Datei. Dann nimmt man in Bridge den Befehl Datei, Platzieren, In Photoshop. In Photoshop entsteht eine neue Datei, sie enthält die Raw-Datei als Smart-Objekt-Ebene. Man wendet beliebige Kontrastkorrekturen wie die Gradationskurve per Einstellungsebene an. Dabei die Kontrastkorrekturen per Ebenenmaske auf einzelne Bildzonen beschränken. Dazu nutzt man Schnellauswahl, Maskenretusche, Pfade und andere Techniken, die alle im Raw-Dialog fehlen. Will man nun noch einmal Belichtung oder Dynamik direkt im Raw-Dialog ändern, klickt man einfach doppelt auf die Bildminiatur in der Ebenenpalette – und arbeitet wieder im Raw-Dialog.
Wir gehen hier noch einen Schritt weiter: Wir laden dieselbe Raw-Datei – aber in einer helleren Entwicklung – noch ein zweites Mal ins Bild, um eine Pseudo-HDR-Montage zu erstellen: Man wechselt wieder zu Bridge. Die Raw-Datei ist noch markiert? Erneut erneut Datei, Platzieren, In Photoshop wählen. Diesmal landen wir im Raw-Dialog. Wir heben die Belichtung so an, dass der dunkle Vordergrund durchgezeichnet wird; dabei frisst freilich der Himmel aus. Nach dem Klick auf "OK" erscheint das Foto als zweite Ebene im vorhandenen Bild. Man bestätigt sofort mit der Eingabetaste. Per Ebenenmaske blenden wir nun den Himmel aus. Mit einem Doppelklick auf die Ebenenminiaturen erhalten wir jederzeit die Raw-Dialoge für die hellere oder dunklere Variante der Datei. Bei der Anpassung der Maske wirken die zwei Regler der neuen Maskenpalette in Photoshop CS4 nützlich: Erscheint die obere Ebene schon zu hell, senkt man einfach die Deckkraft der Maske. Geriet der Übergang in der Ebenenmaske unsauber, weicht man die Kontur auf.
Fazit
Eine neue Oberfläche sowie schnelleres Arbeiten mit Masken und Einstellungsebenen – diese Verbesserungen bei Photoshop CS4 fallen im Alltag mit dem Programm besonders angenehm auf. Die weiteren Verbesserungen richten sich eher an Spezialisten. Schade, dass die HDR-Technik nicht aufgemöbelt wurde.
Kurzbewertung
- leistungsfähige Bildverwaltung
- schnelleres Arbeiten mit Einstellungsebenen und Masken
- Montage und Tonwertkorrektur leicht verbessert
- teuer
- umständliches Nebeneinander von Raw-Modul und Hauptprogramm