Adobe Systems
Testbericht: Adobe Systems Photoshop Lightroom
2007-02-26 Ein gutes Jahr lang verschenkte Adobe Vorserien-Fassungen von Lightroom an jedermann. Jetzt steht die endgültige Version Photoshop Lightroom 1.0 für ca. 200 Euro in den Regalen – mit ein paar deutlichen Verbesserungen gegenüber der letzten Gratisversion. Einfachstes Bildermanagement vom Herunterladen über die Korrektur bis zum Druck, so lautet der Anspruch des schick gestalteten Programms. Digitalkamera.de untersucht, ob Hersteller Adobe hier seinen eigenen Photoshop-Produkten Konkurrenz macht. (Heico Neumeyer)
Die Zeit der Geschenke ist vorbei. Ende Februar 2007 sollen alle kostenlosen Betaversionen von Lightroom den Dienst einstellen, dann wird Bares fällig: Nach langer öffentlicher Testphase verkauft Hersteller Adobe nun sein Bildverwaltungsprogramm "Photoshop Lightroom" für zunächst ca. 200 Euro, ab Mitte Juni 300 Euro. Dabei zeigt die Fassung 1.0 ein paar deutliche Weiterentwicklungen gegenüber der letzten kostenlosen Vorserienversion, Lightroom Beta 4.1.
Lightroom richtet sich ganz an Digitalfotografen: Vom Verschieben der Bilder auf den Rechner über die Verwaltung bis zu Bildbearbeitung, Druck und Präsentation soll Lightroom unkomplizierte Hilfe aus einem Guss bieten. Und diesen Anspruch hält das Programm auch ein: Die insgesamt fünf Bereiche für Verwaltung, Bearbeitung, Druck, Diaschau und Internetpräsentation sind alle gleich übersichtlich aufgebaut, die Orientierung fällt leicht.
Natürlich kann man die Bilder bequem mit Stichworten, Copyrighthinweisen und Ortsangaben nach IPTC-Standard ausstatten. Gut versteckt haben die Programmierer den Stichwort-Stempel, der in den Betafassungen noch nicht auftauchte: Angeklickte Bilder erhalten ein neues Stichwort, ohne dass man sie erst mit gedrückten Zusatztasten markieren muss. Das Verfahren lohnt vor allem, wenn viele Einzelbilder ein und dasselbe Stichwort erhalten sollen. Schon in den Betas konnte man Bilder mit bis zu fünf Sternen bewerten und mit Farbcodes von Rot bis Violett einrahmen. Lightroom 1.0 überrascht mit einer weiteren Markierungsmöglichkeit: Eine Flagge steht für "ausgewählt", ein "X" signalisiert "abgelehnt". Eine schmale, ebenfalls neue Filterleiste zeigt dann zum Beispiel nur alle rot eingerahmten Bilder mit drei und mehr Sternen oder nur Motive mit Fähnchen an.
In der gelungenen Vergleichsansicht erscheinen zwei Bilder groß nebeneinander. Das schlechtere Foto kann man sofort verbergen oder löschen, das andere bleibt stehen. Dann lässt man weitere Aufnahmen gegen den aktuellen Favoriten antreten. Dieses Verfahren bietet auch Photoshop Elements, aber nicht Bridge aus Photoshop CS3 oder CS2. Erstmals in der Kaufversion stellt Lightroom auch drei oder mehr Fotos vergrößert auf dem zentralen "Leuchtpult" dar. Blitzschnell zeigt der Vorschau-Bereich einen 100-Prozent-Ausschnitt der Bilddatei an, das ist viel praktischer als etwa die örtlich begrenzte Sucherlupe aus Bridge CS3. Nur in der 100-Prozent-Stufe kann man Schärfe und Rauschen zuverlässig beurteilen. Allerdings nimmt sich Lightroom zum Laden der Originaldaten mehr Zeit als andere Bildbrowser. Rasend schnell findet das Programm dagegen Bilder mit einem gewünschten Text. Nach Fotos mit visueller Ähnlichkeit oder mit Gesichtern fahndet Lightroom dagegen generell nicht – Photoshop Elements oder ThumbsPlus bieten hier mehr.
Ungewöhnlich: Lightroom zeigt keine übliche Baumdarstellung für alle Ordner auf der Festplatte. Fotodateien muss man erst explizit importieren, oder man gibt bestimmte Ordner zur Überwachung frei. Die Fassung 1.0 liefert zum Glück erstmals ein kleines Fenster, das die bereits von Lightroom geöffneten Ordner anbietet. Wahlweise zeigt man den Inhalt eines oder mehrerer Ordner an. In einer anderen Palette erlaubt Lightroom Kollektionen unabhängig von der Ordnerstruktur. Diese Sammlungen lassen sich hierarchisch gliedern, und natürlich kann eine Datei in mehreren Kollektionen erscheinen. Dazu kommt eine Liste mit vermissten Originaldateien.
Herzstück der Bildbearbeitung von Lightroom ist eine Kombination aus Gradationskurve und Histogramm. Die bekannten Tiefen- und Lichter-Regler korrigieren starke Über- und Unterbelichtungen. Dazu kommt eine fein gestufte Farbabstimmung für acht Farbtöne. Überkorrigierte Bereiche, die nur noch reines Schwarz oder Weiß zeigen, hebt Lightroom wahlweise durch Signalfarben hervor. Sogar Tonungen und Graustufen-Umsetzungen erzeugt Lightroom. Da verblüfft es, dass das Programm stürzende Linien und kissen- oder tonnenförmige Verzeichnung nicht bearbeitet. Scharfzeichner und Rauschglättung sind weniger aufwändig als bei anderen Bildprogrammen, liefern jedoch gute Ergebnisse ab.
Das gab es in den Beta-Versionen noch nicht zu sehen: Lightroom bietet nun auch eine Korrektur für rotgeblitzte Augen – sie arbeitet exzellent, wie von Adobe gewohnt. Neu in der Version 1.0 ist auch der Kopierstempel. Die Korrektur-Koordinaten kann man auf weitere Bilder übertragen, um Sensorstaub aus Bildserien herauszufiltern. Großes Manko jedoch: Lightroom erlaubt keine örtlichen Tonwertkorrekturen. Bildteile lassen sich nicht auswählen, man kann Helligkeitsänderungen nicht in einzelne Zonen pinseln. Viele Motive verlangen indes genau das – individuelle Korrekturen für unterschiedliche Motivpartien. So braucht ein Himmel oft andere Korrekturen als die Landschaft darunter, das Gesicht andere Werte als die Kulisse dahinter. Zwei unterschiedliche Belichtungen lassen sich in Lightroom auch nicht zu einer optimal durchgezeichneten Gesamtaufnahme mischen, allem aktuellen Hype um HDR-Fotos zum Trotz.
Die Bildbearbeitung von Lightroom entspricht 1:1 den Möglichkeiten aus dem Raw-Import von Photoshop CS3. Lightroom wendet Korrekturen nicht sofort auf die Originaldateien an. Alle Änderungen – Tonwerte, Pixelretuschen, Bildausschnitt und Drehung – werden "als Mathematik" gespeichert und über das Bild gelegt. Erst mit der Exportfunktion rechnet Lightroom die Bearbeitung und auch alle IPTC-Eingaben dauerhaft in die Bilddatei ein. Das erinnert an die Bilddatenbanken Apple Aperture oder StudioLine und an Adobes eigene Verwaltung für Raw-Dateien.
Innerhalb von Lightroom kann man die Korrekturen auf andere Dateien ziehen und als Vorgabe für weitere Bearbeitungen speichern. Nützlich sind auch virtuelle Kopien eine Neuheit in der Kaufversion: Ein Bild erscheint in mehreren, unterschiedlich korrigierten Fassungen, ohne dass man die Originaldaten tatsächlich physikalisch duplizieren muss. Will man die Bilder auslagern oder weitergeben, ohne das Original endgültig zu ändern, speichert man die Korrekturhinweise nicht in der Lightroom-Datenbank, sondern als XMP-Datensatz direkt im Foto oder in einer separaten XMP-Datei. Das Bild erscheint dann korrigiert in beliebigen Lightroom-Installationen und im Raw-Dialog von Photoshop CS3. Alle Änderungen lassen sich dort weiter verfeinern oder zurücksetzen. Das funktioniert nicht nur mit DNG- und anderen Raw-Dateien, sondern auch mit TIFF und JPEG. Photoshop CS2 sowie Photoshop Elements 4 und 5 zeigen korrigierte DNG-Dateien zumindest mit einem Teil der Änderungen. Andere Bildprogramme stellen dagegen die ursprüngliche Fassung der Fotos dar. Diese interessante, neue Art der Weitergabe verlustfrei korrigierter Bilder wird digitalkamera.de übrigens in einem eigenen Beitrag behandeln: Dort wird das Zusammenspiel von Lightroom, Photoshop CS3 sowie älteren Ausgaben von Photoshop und Photoshop Elements detailliert untersucht.
Gleich drei Programmbereiche widmet Adobe der Präsentation: Diaschau, Druck und Internetauftritt. Die ausgefeilte Druckfunktion lässt jeden Besitzer einer teuren Photoshop-Vollversion vor Neid erblassen. Mühelos printet Lightroom Einzelseiten, Kataloge oder ein Bild mehrfach auf eine Seite, und das mit exzellenter Vorschau. Nach Bedarf erscheinen Dateinamen und Metadaten mit auf dem Papier. Bei den Internetgalerien herrscht Komfort dank Echtzeitvorschau in Originalgröße.
Fazit: Wer mit Bridge oder anderen gängigen Bildverwaltungen wie ACDSee oder ThumbsPlus gearbeitet hat, staunt zunächst über das rasante Tempo von Lightroom. Doch kein Wunder: Schließlich greift Lightroom meist nicht direkt auf dicke Bilddateien zu, sondern nur auf die eigene Datenbank. Will man allerdings ein korrigiertes JPEG weitergeben, steht erst der Weg durch den aufwändigen Exportdialog an. Natürlich eignet sich das Konzept ideal, um auch Offline-Dateien zu verwalten, etwa auf DVD ausgelagerte Fotos. Lightroom speichert die Vorschauen dieser Dateien auf Wunsch in Originalgröße. Wer jedoch mit häufig wechselnden Ordnern arbeitet und öfter ein paar Bilder weiterreicht, der hat beim umständlichen Import-Export-Konzept von Lightroom reichlich zu klicken. Vom Verschlagworten und Bearbeiten bis zur Präsentation ermöglicht Lightroom nahtlose Arbeit am Bild. Die Korrekturdialoge erlauben ordentliche Ergebnisse mit JPEGs und TIFFs wie auch mit Raw-Dateien. Allerdings: Örtlich begrenzte Korrekturen fehlen ebenso wie Funktionen gegen stürzende Linien und kissen- oder tonnenförmige Verzeichnungen. Ein separates Bildprogramm ist also zumeist noch erforderlich.
Kurzbewertung
- Verwaltet mehrere Ergebnisse für eine Datei
- Exzellente Druckfunktion
- Raffinierte Bearbeitung von Kontrast und Farbstimmung
- Eingängige Bedienung vom Herunterladen bis zur Ausgabe
- Visuelle Ähnlichkeit oder Gesichter kein Such- oder Sortierkriterium
- Keine Korrektur von stürzenden Linien und durchgebogenen Kanten
- Umständliche Import-Export-Technik
- Keine Auswahltechnik
- Keine örtlichen Tonwertkorrekturen