Apple Computer Inc.
Testbericht: Apple Computer Inc. Aperture 1.0.1
2006-02-23 Mit der MacOSX-Software Aperture hat Apple ein Werkzeug vorgestellt, das vornehmlich für Digitalfotografen aus dem Profibereich interessant ist. Das Tool bietet nicht nur einen RAW-Workflow, der das Arbeiten mit Rohdaten-Bildern erleichtern soll, sondern auch Vergleichs- und Auswahlwerkzeuge, eine Bildbearbeitung sowie eine Bilddatenbank und den Druck mit Farbmanagement. (Steffen Sonntag)
Apple
hat die Hardware-Messlatte bei Aperture sehr hoch aufgelegt, was bei der
umfangreichen Funktionalität nicht verwundert. So läuft das Programm laut
Auskunft anderer User in der minimalen Hardwarekonfiguration eines PowerMac
G5 1,8GHz etwas zäh. Der Autor hatte als Test-Equipment einen Macintosh G5
2,5 GHz Quad-Core Prozessor mit 2,5 GBytes Ram, einer Grafikkarte nVidia
GeForce 6600 mit 256 MBytes GDDR SDRAM und ein 23" Apple-Display zur
Verfügung, die Testfotos wurden mit einer Canon EOS 300D im RAW-Format
aufgenommen.
Aperture wendet sich nicht nur an den ambitionierten Amateur, sondern auch
ganz klar an Berufsfotografen, die Ihre Bilder im Rahmen der Postproduction
professionell sortieren, bearbeiten und archivieren möchten. Dies hat seinen
Preis, mit ca. 480 € ist Aperture nicht gerade eine preiswerte
Digital-Asset-Management-Software. Außerdem arbeiten berufliche Anwender in
den meisten Fällen bereits mit passenden Apple G5 Systemen.
Aperture wird über die ganz normale Installationsroutine installiert und
benötigt auf der Festplatte 36,5 MBytes, wogegen die mitgelieferten
Demobilder – in einer Bibliothek abgelegt – 790 MBytes auf der Festplatte
beanspruchen. Beim ersten Start werden die Registrationsdaten und die
Seriennummer abgefragt, dann möchte Aperture mit Hilfe eines Auswahlmenüs
wissen, was man als nächstes tun möchte. Man wählt zwischen dem Import von
Fotos (von der Festplatte, einer Speicherkarte oder einer angeschlossenen
Kamera) oder der einfachen Benutzung des Programms.
Der Bildschirm sollte eine entsprechende Auflösung haben; mit 1.024 x 768 Bildpunkten ist es fast unmöglich, professionell zu arbeiten. Unser
Testrechner lief mit einer Auflösung von 1.920 x 1.200 Bildpunkten auf einem
Apple 23“ "Cinema-Display". Das Erscheinungsbild von Aperture ist
übersichtlich. In der oberen Leiste findet man alle Werkzeuge zum Anlegen
von Projekten, Leuchttischen und neuen Versionen einzelner Bilder. Dann
folgen die Tools und die verschiedenen Ansichtseinstellungen, die Lupe, die
Palette der Bildeinstellungen und des Inspectors. Nachdem man Fotos
importiert hat, werden in der linken Spalte des Programms die Bibliothek mit
den einzelnen Projekten mitsamt ihren Unterordnern, Webgalerien und Büchern
etc. angezeigt. Das Zentrum des Programmfensters teilt sich in eine obere
und untere Hälfte. Oben wird das Bild in der Ausgabegröße angezeigt, die
untere Bildhälfte ist als Vorschaufenster für die anderen Bilder des
jeweiligen Projektes reserviert. Unter den Anzeigefenstern ist noch Platz
für eine Reihe von Knöpfen, welche die verschiedenen Anzeigemodi regeln.
Außerdem befinden sich daneben verschiedene Preset-Buttons mit
voreingestellten Phrasen zur Verschlagwortung der Bibliothek, die jederzeit
geändert werden können. In Aperture ist es möglich, in der normalen
Fensteransicht zu arbeiten, oder aber man kann per Knopfdruck oder
Tastaturbefehl in den Fullscreen-Modus wechseln. Die Menüs werden dann
eingeblendet oder als HUD (Head Up Display) angezeigt.
Die Standarddarstellung von Aperture zeigt nicht viel vom eigentlichen Bild.
Deshalb haben die Entwickler dem Programm eine "Full-Screen"-Ansicht
spendiert. Wählt man diese an, wird das Bild ohne Fensterrahmen und
Werkzeugpaletten angezeigt. Im unteren Bereich erscheint eine
Voransichtsleiste mit Bildern aus dem aktuellen Projekt. Durch einen Slider
hat man die Möglichkeit, durch alle Bilder der Voransicht zu scrollen. Das
ausgewählte Bild wird Bildschirm füllend angezeigt. Durch Drücken der Taste
"Z" erhält man die volle Auflösung des Bildes. Mit gedrückter Leer-Taste und
der Maus ist es möglich, alle Bereiche des aktuell angezeigten Bildes zu
sehen. Auch im "Full-Sceen"-Modus ist es möglich, seine Bilder zu
verschlagworten und zu bewerten.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um Bilder in Aperture zu platzieren, z.
B. importiert man Bilddaten aus beliebigen Ordnern, den Inhalt einer
Speicherkarte oder die Bilddaten direkt von einer angeschlossenen Kamera.
Außerdem kann man Bilder aus der iPhoto-Bibliothek hinzufügen. Sofort legt
Aperture ein neues Projekt mit dem Namen des Ordners oder der Speicherkarte
an und beginnt die Bilder zu importieren. Während des Importvorgangs kann
man an bereits geladenen Bildern und Projekten weiterarbeiten. Probleme
traten nur beim Import von RAW-Daten einer Olympus E-500 auf; die Dateien
wurden zwar importiert, nicht aber die Bildinformationen. Aperture zeigte
nur grau gefärbte Bilder mit dem Hinweis "Unsupported Image Format" an.
Sind die Bilder einmal in der Bibliothek von Aperture abgelegt, fragt sich
auch, was mit den Daten im Falle eines Programm- oder Systemabsturzes
geschieht – sind sie etwa im "Daten-Nirvana" unwiederbringlich verloren?
Apple hat für diesen Fall der Fälle vorgesorgt und eine Backuplösung namens
"File Vault" eingebaut. Ein Vault (Tresor) ist eine zweite Festplatte, auf
der Aperture einen Backup erstellen kann. Dies kann eine externe Firewire-
oder USB-2.0-Festplatte sein. Leider ist es nicht möglich, einen File Vault
im Netzwerk zu erstellen, was eigentlich im Zeitalter der Vernetzung
unvorstellbar ist. Vaults sind aber mehr als “nur" Backups, sie sind
transportabel, man kann sie – gespeichert auf einer Festplatte – etwa zu
einem Shooting mitnehmen, um dort Bilder zu schießen. Man spielt sie einfach
auf den mobilen Rechner ein, auf dem ebenfalls Aperture installiert ist;
anschließend wird das File Vault mit der Funktion "Add Vault" oder "Update
Vaults" erneut auf der Workstation zur Weiterverarbeitung im Büro
importiert.
Aperture ist kein Ersatz für Photoshop. Gleichwohl hat man mit Aperture die
Möglichkeit, Parameter eine Bildes (Helligkeit, Kontrast usw.) zu ändern und
kleine Fehler wie z. B. rote Augen oder Strukturfehler (ähnlich dem
Stempelwerkzeug in Photoshop) auszumerzen. Außerdem bietet Aperture
Skalierungs- und Beschneidungswerkzeuge; besonders das Lift- und Stamp-Tool
ist hervorzuheben. Mit dem Lift-Tool können gemachte Veränderungen an einem
Bild aufgenommen werden, und mit dem Stamp-Tool werden diese Eigenschaften
an ein oder mehrere Bilder weitergegeben. Für mehr Bearbeitungsmöglichkeiten
braucht man immer noch Programme wie Photoshop, wobei Aperture mit Photoshop
oder anderen Bildbearbeitungsprogrammen gut zusammenarbeitet. Dazu stellt
man in den Einstellungen z. B. Photoshop als externen Bildeditor ein und
kann zwischen TIFF- und PSD-Format für die Übertragung wählen. Aperture
erstellt vom Bild eine entsprechende Version und übergibt diese an den
Editor zwecks Bearbeitung. Nach dem Abspeichern des bearbeiteten Bildes
übernimmt Aperture dies sofort und stellt es dar.
Leuchttische in Aperture werden – ähnlich wie Ordner – im jeweiligen,
aktuellen Projekt angelegt. Nach dem Erstellen eines Leuchttisches ("Light
Table") kann man aus der Bilderliste einzelne oder mehrere Bilder
herausziehen und auf den Leuchttisch legen. Nun kann man zoomen und die
Bilder beliebig hin und her schieben, um sie zu beurteilen oder zu
vergleichen. Auf dem Leuchttisch werden Stapel als einzelnes Bild behandelt,
d. h. man kann einzelne Bilder nicht aus einem Stapel herausnehmen.
Das wohl wichtigste Werkzeug eines Fotografen ist – neben seiner Kamera –
der Fadenzähler (eine kleine Lupe), mit dem er seine Fotos auf dem
Leuchttisch auf Schärfe kontrolliert und im Detail beurteilt. Aperture
bietet dazu eine Lupe, die dem Fadenzähler gleich kommt wenn nicht sogar
überlegen ist. Das Lupenwerkzeug arbeitet geschmeidig in Echtzeit, was wohl
auch mit der anfangs erwähnten, üppigen Hardwareausstattung zusammenhängt.
Man kann jeden Teil eines Bildes ansehen und dazu den Zoombereich und die
Größe der Lupe über die Tastatur wählen. Die Lupe wird über die Taste "<"
aufgerufen – leider spielt da die deutsche Tastaturbelegung dem User einen
Streich, denn die Tastaturkürzel sind leider nur für die US-Tastaturbelegung
ausgelegt. Doch bei einer kommenden, regionalisierten Auflage des Programms
sollte dies kein Problem mehr sein.
Die Entwickler des Programms haben sich an den Fotostapeln der
Berufsfotografen orientiert, deswegen fasst Aperture gleich aussehende
Bilder, die sich nur in Nuancen unterscheiden und in kurzer Zeitfolge
geschossen wurden, schon beim Import zu so genannten "Stacks" zusammen. In
der "Stack"-Funktion am unteren Import-Fenster kann man einstellen, welches
Zeitintervall gegeben sein muss, damit Bilder zusammengefasst werden. Diese
"Stacks" öffnet und schließt man durch einen Klick auf die eingeblendete
Zahl. Stacks können natürlich auch noch zu einem späteren Zeitpunkt erstellt
und/oder bearbeitet werden. Durch "Promote" und "Demote" verändert man die
Reihenfolge der Bilder innerhalb eines Stapels, so dass z. B. das schönste
Bild oben liegt.
Rechner können Bilder nicht sehen, und sie anhand der Bitmuster zu erkennen,
ist derzeit nicht möglich. Also muss der Anwender die Bilder durch
Schlüsselwörter beschreiben. Aperture gibt Schlüsselwörter vor, die in
Kategorien eingeteilt sind. Eigene Schlüsselwörter können in einer
hierarchischen Struktur angelegt werden und sind dann im ganzen Programm
jederzeit aufrufbar. Die ersten acht Schlüsselwörter liegen auf den Ziffern
1-8 und werden schnell einem Bild zugeordnet. Für die Bewertung der Bilder
und das Verteilen der Schlüsselwörter hat Aperture einen eigenen
Darstellungsmodus ("Rating & Keywords").
Die Bildausgabe erfolgt zunächst über den Bildschirm; darauf passt man das
Bild mittels eines ICC-Profils an das jeweilige Ausgabemedium – z. B. den
eigenen Drucker – an. Der Vorgang wird "Softproofing" genannt und
funktioniert nur dann ordentlich, wenn der Bildschirm auch entsprechend
kalibriert ist. Eine Ausgabe an den Apple Druckservice ist ebenfalls
möglich. Dazu kann man in Aperture ein komplettes Bilderbuch gestalten, die
Funktionalität steht dem eines Layout-Programms in fast nichts nach –
abgesehen davon, dass Apple schon sechs Themen und ein Mini-Buch vorgibt.
Man kann diese Themen aber nach eigenen Vorstellungen verändern, sie werden
unter dem jeweiligen Projekt gespeichert. Ans Internet ist natürlich auch
gedacht: Aperture kann Bilder fürs Web in sechs verschiedenen HTML-Layouts
exportieren.
Fazit: Aperture ist ein Tool für Berufsfotografen. Von der Hardware bis zur
Funktionalität ist es auf den beruflichen Anwender zugeschnitten. Für den
privaten Anwender gibt es günstigere Lösungen. Obwohl Aperture momentan nur
in englischer Sprachversion zu bekommen ist und sich durch die
US-Tastaturbelegung noch das eine oder andere Problem ergibt, ist diese
Version sehr stabil und in jedem Fall voll einsatzfähig. Alle getesteten
Funktionen liefen einwandfrei und flüssig. Beim Test wurde zu keiner Zeit
die Reset-Taste oder ähnliches bemüht, was bei der Testhardware (G5
Quad-Core; 2,5 GBytes RAM) allerdings auch nicht verwunderlich ist.
Kurzbewertung
- Alternativ-Bildversionen ohne zusätzlichen Speicherplatzverbrauch
- digitale Lupen-Fuktion
- Funktionalität auf Berufsfotografen zugeschnitten
- übersichtliches, professionelles Fotoverwaltungsprogramm
- relativ hoher Preis
- z. Z. nur englische Programmversion
- keine RAW-Unterstützung von Olympus-Kameras
- sehr hohe Hardwareanforderungen