HDRsoft SARL
Testbericht: HDRsoft SARL Photomatix Pro 2.4
2007-04-23 Für die einen sind HDR-Bilder (High Dynamic Range) wegen ihres Detailreichtums "hyperrealistisch" oder "surrealistisch", gar der Beginn einer neuen Bildästhetik, für andere ist die Beachtung, die diesen Bildern u. a. in "Spiegel Online", "c’t" (19/06) oder "DOCMA" (15/06) zuteil wird, nichts weiter als eine Masche oder ein "Hype". Immer wieder wird bei diesem Thema als wichtigstes Tools zur Generierung von HDR-Fotos die Software "Photomatix" genannt, die – bei digitalkamera.de bereits in einer früheren Version vorgestellt – inzwischen einige Funktionen mehr aufweist und benutzerfreundlicher geworden ist. (Dr. Bernd Schäbler)
Vorab sei klargestellt, dass sich der Rezensent weder der einen noch der anderen Fraktion zurechnet, sondern, wie auch an den Beispielbildern ersichtlich werden soll, Programme wie Photomatix als Instrumente betrachtet, unter schwierigen Lichtverhältnissen beim jetzigen Stand der Sensor- und Kameratechnik mehr aus den Bildern "herauszuholen".
Damit dies gelingt, muss man aber zuvor mit einigem Mehraufwand etwas "hineingelegt" haben. Obwohl in neueren Photomatix-Versionen auch aus einzelnen RAW-Bildern der gängigen DSLR-Kameras ein Pseudo-HDR-Bild erstellt und dieses dann im Tone-Mapping-Verfahren in ein Low-Dynamic-Range-Foto verwandelt werden kann, gehören zur vollen Ausschöpfung des Tonwertumfangs in der Regel drei Aufnahmen – eine normale, eine unter- und eine überbelichtete. Am besten benutzt man hierfür natürlich ein Kamerastativ, einen Fernauslöser und die Kamerafunktion der automatischen Belichtungsreihe (Auto Bracketing) mit je zwei Blendenstufen Differenz. In Photomatix kann man RAW-, TIFF-, JPEG-, DNG-, BMP-Dateien sowie die HDR-Formate OpenEXR und Radiance RGBE weiterverarbeiten (wenn man Letztere z. B. in Photoshop CS2 erstellt hat und mit den dort vorhandenen, mageren Bearbeitungstools jedoch unzufrieden ist).
Sind die Belichtungsreihen gemacht, bietet Photomatix zwei Bearbeitungsmodi an: die Belichtungskombination und das HDR/Tone Mapping. Für die erste Variante kommen als Ausgangsmaterial unterschiedlich belichtete (evtl. aus RAW-Dateien konvertierte) TIFF-Formate mit 48 Bit Farbtiefe per Pixel in Frage, die wie in einer Art Sandwich-Verfahren "zusammengelegt" werden; aus dem einen Bild werden die Lichter, aus dem anderen die Tiefen und aus dem dritten der mittlere Tonwertbereich entnommen und zu einem Gesamtbild kombiniert. Die Farbtiefe – 16 Bit per Farbkanal bzw. 48 Bit per Pixel – bleibt davon unberührt, und so werden diese Bilder auch als 8- oder 16-Bit-TIFF-Dateien gespeichert. (Wer mag, kann – gegen alle "Regeln" des Programms! – vorher das Bild mit Tone Mapping und dem dort vorhandenen Instrumentarium bearbeiten und noch mehr Details und Kontrast herausarbeiten – ein HDR-Bild wird so aber nicht daraus, sondern man erspart sich evtl. die Nachbearbeitung mit einem anderen Bildeditor).
Werden bei der Belichtungskombination statt "Average" die Bearbeitungsmodi "Highlight&Shadow" gewählt, erscheint ein aktivierbares Kästchen "Align", das eine wesentliche Verbesserung in Photomatix 2.4 beinhaltet: den Ausgleich kleiner Verwacklungen oder Veränderungen während der einzelnen Aufnahmen. Bereits geringste Erschütterungen beim Auslösen können bei langen Belichtungszeiten zu verwischten Konturen führen. Auch während der Aufnahme von Belichtungsreihen sich bewegende Äste, Blätter, Fahnentücher etc. bereiteten bislang Probleme, diese sind aber seit der Version 2.4 – wie der nebenstehende Screenshot zeigt – mit der Align-Korrektur in den Griff zu bekommen.
Wenden wir uns nun dem eigentlichen Kernbereich zu, der Erstellung von 32- bzw. 96-Bit-HDR-Bildern und der anschließenden Anpassung des hohen Kontrastumfangs durch Tone Mapping bis hin zur Darstellbarkeit auf dem Bildschirm oder zur Ausgabe auf Papier. Über den Befehl "HDR erstellen" werden je drei (oder mehr) JPEG-, TIFF-, DNG oder RAW-Dateien geladen, Werte für die Belichtungsunterschiede eingegeben, und es wird wiederum am besten die Align-Funktion aktiviert, womit Geisterbilder, hervorgerufen durch sich bewegende Objekte oder bewegtes Wasser, beseitigt werden können. Ist das HDR-Bild errechnet, erscheint ein kleines Viewer-Fenster, das die Bildteile zeigt, über die man den Cursor bewegt. Man erkennt zum einen, dass die HDR-Datei viel mehr Details und Zeichnung in dunklen wie hellen Partien enthält, als man in diesem Stadium auf dem Monitor sieht. Zum anderen fallen verschwommene Konturen und Artefakte auf, die man durch manuelles Angleichen unter Utilities > Advanced Align beheben kann, indem man die Bilder durch automatische Angleichung an ein Referenzbild oder paarweise (durch manuelles Setzen von Kontrollpunkten) in Übereinstimmung bringt. Dazu muss man aber einige Stufen im Workflow zurückgehen und die Bilderreihe neu öffnen.
War die Korrektur erfolgreich und hat man ein 32- bzw. 96-Bit-HDR-Bild erstellt, kann man dieses im Radiance RGBE(*.hdr)-, OpenEXR(*.exr)- oder Floating Point TIFF-Format (allesamt 32-Bit Dateiformate mit Fließkommaberechnung, die prinzipiell eine unendliche Zahl von Tonwerten enthalten können) abspeichern oder mit Tone Mapping das Bild so verändern, dass es über die normalen Ausgabemedien darstellbar wird. Justiert werden hier Intensität, Farbsättigung, Helligkeit, Schwarz-/Weiß-Clipping, Gammawert sowie Kontrast und Helligkeits-Feinausgleich (um Halo-Effekte zu vermeiden). Die resultierende Low-Dynamic-Range-Datei wird anschließend als 8- oder 16-Bit-Tiff-Datei gespeichert.
Den zeitaufwändigen Umgang mit vielen Einzeldateien erleichtern Stapelverarbeitungsprozesse unterm Menüpunkt "Automate". Zum einen können Einzeldateien vom Hoch- in den Niedrigkontrast-Bereich konvertiert werden (Radiance RGBE/OpenEXR/16-Bit Tiff > 8-/16-Bit TIFF), Feinjustierungen sind ebenfalls möglich, umgekehrt auch solche aus dem Niedrig- in den Hochkontrast-Bereich (RAW/16-Bit TIFF > Radiance RGBE/OpenEXR). Sehr umfassend sind die Einstellungen, wenn ganze Verzeichnisse mit Belichtungsreihen automatisch bearbeitet werden sollen, können doch in Dialogfeldern alle bisher beschriebenen Umwandlungs-, Korrektur- und Steuerungsprozeduren in einem Rutsch abgearbeitet werden. Es ist nur darauf zu achten, dass die Zahl der Blendenstufen zwischen den Einzelaufnahmen richtig eingegeben wird und auch die Gesamtzahl der unterschiedlich belichteten Einzelaufnahmen je HDR-Bild, das erstellt werden soll, durchgängig stimmt (je 2 -11 bzw. alle Bilder in einem Verzeichnis). Es darf allerdings bezweifelt werden, dass eine Einstellung für das Tone Mapping inkl. aller möglichen Feinjustierungen zu befriedigenden Ergebnissen führt, da gerade im Interesse einer "natürlichen", nicht "surrealistischen" Bildästhetik die Verwandlung von HDR nach LDR durch Tone Mapping Fingerspitzengefühl verlangt. Daher wird es wohl darauf hinauslaufen, dass die im Stapelprozess in HDR-Formate verwandelten und in einem gesonderten, neuen Verzeichnis abgelegten Bilder anschließend einzeln weiterverarbeitet und als 8-/16-Bit-TIFFs gespeichert werden müssen.
Fazit und Ausblick: Die neue Version "Photomatix 2.4" überzeugt durch ihre Funktionsvielfalt und die Möglichkeit, Aufnahmefehler wie etwa Verwacklungen oder Unschärfen durch sich während der Aufnahmen bewegende Objekte auszugleichen. Der Stapelverarbeitungsprozess von Photomatix kann über eine kleine Anpassung der Schnittstellen-Datei auch mit der – leider nur für Canon-DSLR-Kameras geschriebenen – Steuerungssoftware "DSLR-Remote Pro" (Breeze Systems) von einem Laptop aus in Gang gesetzt werden, wobei die Zahl der einzelnen unterschiedlichen Belichtungsstufen sehr viel flexibler festgelegt werden kann, als dies die Kamerasoftware erlaubt. Dieses Programm, das u. a. als sinnvolle und sehr nützliche Ergänzung zu Photomatix betrachtet werden kann, wird demnächst ausführlicher vorgestellt.
Kurzbewertung
- auf Hersteller-Website findet man auch deutschsprachige Hilfestellungen und Hintergrundinformationen
- Gammawert kann beim Tone Mapping justiert werden
- Verarbeitung von RAW-Dateien der gängigen DSLR-Kameras einzeln oder im Batch-Prozess
- Beseitigung von "Geisterbildern"
- automatische und manuelle Angleichung der Einzelbilder
- beim Tone Mapping (Einstellung: "Details Enhancer") Neigung zu Halo-Effekten