Phase One
Testbericht: Phase One Capture One 4 Pro 4.5.1
2008-11-24 Nach der Runderneuerung seines RAW-Konverters Capture One hat der Hersteller Phase One nun auch die Pro-Version der Software veröffentlicht. Die Pro-Version von Capture One 4 bietet deutlich mehr als die Standard-Variante, ist aber auch dreimal so teuer. Die Zusatzfunktionen sind vor allem für Fotografen interessant, die direkt aus dem Programm aufnehmen wollen und für die Geschwindigkeit und Produktivität im Vordergrund stehen. Wie sich Capture One 4 Pro von der 200 EUR billigeren Einstiegsvariante unterscheidet und ob sich die Mehrausgabe lohnt, zeigt unser Test. (Thomas Hafen)
Capture One 4 Pro unterscheidet sich von der Standardversion unter anderem durch die Möglichkeit, Kameras direkt anzubinden und aus dem Pogramm heraus zu steuern. Es unterstützt außerdem einen zweiten Monitor, bietet erweiterte Korrekturmöglichkeiten für Hauttöne, Mittelton-Kontrast, Moiré und Objektivfehler sowie eine Montagekontrolle für vorgegebene Layouts. Bilder lassen sich nicht nur mit einem Sternchensystem von eins bis fünf bewerten, sondern auch farbig markieren. Der wichtigste Unterschied ist aber die erweiterte Exportmöglichkeit. Der Nutzer kann in einem Arbeitsschritt mehrere Ausgabeformate erstellen, zum Beispiel ein hoch auflösendes TIFF für den Druck und ein kleinformatiges JPEG für die Darstellung im Web.
Phase One liefert Standard- und Pro-Version der Software in einer Download-Datei aus. Nach der Installation wählt der Anwender, ob er eine 30-Tage-Testversion von Capture One beziehungsweise Capture One Pro nutzen, die Software nur für digitale Rückteile verwenden oder – je nachdem, welche Version er gekauft hat – die entsprechende Variante aktivieren möchte. Mac-Nutzer sollten vor der Installation die Systemvoraussetzungen genau prüfen. Mit Version 4.5 unterstützt die Mac-Version des Programms nämlich nur noch Intel-Macs, auf denen die aktuelle Betriebssystem- Version, Mac OS X 10.5.5, installiert ist. Anwender mit älterer PowerPC-Hardware haben das Nachsehen. Diese Einschränkung gilt im Übrigen nicht nur für die Pro-, sondern auch für die Standardvariante. Beide Versionen liegen darüber hinaus nur noch in Englisch vor.
Die Benutzeroberfläche von Capture One 4 Pro unterscheidet sich kaum von der Standardvariante. Details dazu und zu den Funktionen, die in beiden Programmversionen identisch sind, finden Interessenten in unserem Capture-One-4-Test (siehe weiterführende Links). Während Capture One 4 zur Bilderverwaltung nur einen Satz Standardordner und -alben anbietet, lassen sich in der Pro-Version beliebig viele so genannte "Sessions" anlegen - Darunter sind Sitzungen mit jeweils eigenen Ordnern und Alben zu verstehen. Das Konzept ist besonders für Profis interessant, die so für jeden Auftrag eine eigene Arbeitsumgebung kreieren können.
Eine neue Umgebung wird mit dem Befehl "New Session" aus dem "File"-Menü erstellt. Dabei kann der Nutzer den Namen für die Sitzung und die jeweiligen Ordner frei vergeben und auswählen, ob Bilder direkt von einer an den Rechner angeschlossenen Kamera übernommen werden sollen ("Tethered Shooting"). Wenn der Anwender parallel in mehreren Projekten arbeiten möchte, kann er die neue Sitzung über das Auswahlfeld "Open in new window" in einem neuen Fenster öffnen.
Im Unterschied zu Capture One unterstützt die Pro-Version zwei Monitore. Der Nutzer kann den eigentlichen Bearbeitungsbereich, den so genannten "Viewer", über den Befehl "Show Viewer" aus dem "Window"-Menü in einem eigenen Fenster öffnen und dieses auf einem zweiten Monitor platzieren. Auch einzelne Werkzeuge aus der Tool-Leiste lassen sich herausziehen und auf dem zweiten Bildschirm verschieben. Damit ist die Verwendung des Zweitmonitors wesentlich flexibler gestaltet als beispielsweise in Lightroom 2 – aber eben auch nicht so strukturiert. Durch die freie Beweglichkeit aller Werkzeuge lässt sich nämlich schnell ein ziemliches Chaos auf dem zweiten Bildschirm anrichten. Mit dem Befehl "Workspace" --> "Default" aus dem "Window"-Menü kann der Anwender aber alle ausgelagerten Werkzeuge mit einem Klick wieder zurück in die Tools-Leiste holen.
Capture One Pro bietet gegenüber der Basis-Version erweiterte Möglichkeiten der Farbkontrolle. So kann der Nutzer nicht nur einen Weißpunkt, sondern unabhängig davon auch einen Hautton bestimmen. Mit dem "Color Editor" kann er außerdem einzelne Farben gezielt verändern. Dazu wählt er mit der Auswahlpipette den zu korrigierenden Farbbereich und verändert mit den Schiebereglern dessen Aussehen. Über das Auswahlkästchen "View Selected Color Range" lässt sich kontrollieren, welcher Bereich des Bildes von der Korrektur betroffen ist. Klickt man es an, werden alle nicht selektierten Farbbereiche grau dargestellt.
Als "Styles" werden in Capture One Pro vorgefertigte Entwicklungseinstellungen bezeichnet. Sie entsprechen den aus Lightroom bekannten "Vorgaben" und definieren wie diese bestimmte Bildstile. Analog zu Lightroom erhält der Nutzer eine direkte Vorschau davon, was der ausgewählte Stil im Bild bewirkt, wenn er im Menü "Adjustments" --> "Styles" mit der Maus über die zur Verfügung stehenden Optionen fährt. Die Auswahl an Vorgaben ist allerdings sehr begrenzt, der Anwender kann aber zusätzlich eigene Einstellungen als Stil definieren.
Während bei Capture One die Korrektur von Objektivfehlern sehr eingeschränkt ist, bietet die Pro-Version ein eigenes Werkzeug mit umfangreichen Einflussmöglichkeiten. Der komplette Funktionsumfang lässt sich allerdings nur dann nutzen, wenn die optischen Eigenschaften des Objektivs im Programm hinterlegt sind. Derzeit ist dies nur für Zeiss- und Hasselblad-Objektive der Fall. Die meisten Nutzer, die Capture One nicht mit einem Digitalrückteil dieses Herstellers oder einer Hasselblad-Mittelformatkamera verwenden, müssen sich also zunächst mit dem "Generic"-Profil und einer eingeschränkten Auswahl an Optionen zufrieden geben. Diese umfassen Farbfehler, deren Korrektur automatisch berechnet wird, und Schieberegler, über die Verzerrung und Vignettierung korrigiert werden können. Die Einstellungen für ein bestimmtes Objektiv lassen sich als "Preset" speichern und wiederverwenden.
Mit dem "Overlay"-Werkzeug kann der Anwender ein Foto an ein vorgegebenes Layout anpassen. Das ist vor allem dann von Bedeutung, wenn man direkt im Studio in Capture One Pro aufnimmt und die Bilder später zum Beispiel in eine Landschaft montiert werden sollen. So kann der Fotograf schon beim Shooting kontrollieren, ob sich das Model an der richtigen Bildposition befindet. Aber auch bestehende Aufnahmen lassen sich aneinander ausrichten. Capture One Pro zeigt allerdings nur, wie die Bilder miteinander harmonieren, die Montage selbst muss in einem anderen Programm erfolgen.
Das Overlay-Tool ist wie die Werkzeuge für Zuschneiden und Ausrichten in der "Composition"-Palette positioniert. Als erstes muss der Anwender ein Bild auswählen, das als Montagefläche dienen soll. Dies geschieht entweder per Drag und Drop ins Overlay-Fenster oder über das "File"-Menü. Die Einpassung des Motivs in die Vorlage erfolgt nun, indem der Nutzer entweder über die Schieberegler Position und Größe der Vorlage verändert oder diese mit dem Overlay-Zeigewerkzeug direkt verschiebt.
In der "Details"-Palette findet der Pro-Nutzer zwei zusätzliche Einstellungsmöglichkeiten. Der "Clarity"-Schieberegler erhöht den Mittelton-Kontrast, was vor allem bei relativ flauen Aufnahmen zu einer Bildverbesserung führt. Moiré-Fehler, die vor allem bei hoch auflösenden Digitalkameras und -rückteilen ohne Anti-Aliasing-Filter auftreten, lassen sich über die beiden Schieberegler des Moiré-Tools korrigieren.
Einer der größten Vorteile der Pro-Version ist die Möglichkeit, gleichzeitig verschiedene Ausgabeversionen derselben Datei zu erzeugen. So lassen sich in einem Arbeitsschritt beispielsweise hoch auflösende TIFF-Dateien für die Weiterbearbeitung, große JPEGs für den Druck und niedrig aufgelöste JPEG-Dateien für den Web-Auftritt erstellen. Die Einstellungsoptionen dafür finden sich im Ausgabe-Dialog ("Output"). Jede Vorgabe, bei Capture One Pro "Process Recipe" genannt, definiert, in welchem Datei-Format, in welcher Größe, Auflösung und Farbtiefe das entwickelte Bild gespeichert werden soll. Der Anwender kann die einzelnen "Rezepte" frei benennen und per Auswahlkästchen definieren, ob sie auf ein Bild angewendet werden sollen oder nicht. Zur besseren Übersicht kann er außerdem die nicht ausgewählten Voreinstellungen ausblenden. Um den Überblick über die Ausgabe zu behalten, lassen sich über den "Advanced"-Reiter im Process-Recipe-Dialog rezeptspezifische Namensbestandteile ("Sub Name") oder Unterordner ("Sub Folder") festlegen. Definiert man beispielsweise für das Recipe "JPEG für Web" einen Sub Folder "Web", werden alle Bilder in Web-Qualität automatisch in diesem Unterordner gesammelt.
Fazit Die Pro-Version von Capture One 4 bietet deutlich mehr als die Standard-Variante, ist aber auch drei Mal so teuer. Die Zusatzfunktionen sind vor allem für Fotografen interessant, die direkt aus dem Programm aufnehmen wollen und für die Geschwindigkeit und Produktivität im Vordergrund stehen. Wer dagegen mehr Wert auf Funktionsumfang legt, wird zum gleich teuren, aber deutlich besser ausgestatteten Adobe Photoshop Lightroom 2 greifen. Besitzern der Vorgängerversion, Capture One 3 Pro, dürfte die Entscheidung indes leichtfallen, denn sie können kostenlos auf Capture One 4 Pro umsteigen. Angesichts der kompletten Überarbeitung des Programms, der bedienerfreundlicheren Oberfläche und der höheren Verarbeitungsgeschwindigkeit ein sehr großzügiges Angebot.
Kurzbewertung
- Ausgabe mehrerer Formate in einem Arbeitsschritt möglich
- umfangreiche Korrekturmöglichkeiten für Objektivfehler
- separate Kontrolle definierter Farbbereiche
- eigene Pipette für Hauttöne
- derzeit nur auf Englisch erhältlich
- keine Korrektur von roten Augen, kein Staubpinsel
- keine Tools für Druck, Diashow und Web-Galerien
- keine Unterstützung von PowerPC-Macs (G4, G5)