Spiegellose Vollformat-Profi-Systemkamera
Canon EOS R1 im Test
2025-01-30 Die Canon EOS R1 ist das erste professionelle spiegellose Systemkamera-Flaggschiff aus dem Hause Canon. Sie besitzt wie die EOS R3 einen Stacked-BSI-CMOS-Sensor mit 24 Megapixeln Auflösung, erreicht jedoch 40 statt 30 Bilder pro Sekunde und bietet sogar integrierte Kreuz-Phasen-AF-Sensoren. Auch bei der Leistungsfähigkeit des Autofokus, der Augensteuerung im Sucher sowie beim Sucher selbst, der größer und höher auflöst als bei der R3, legt sie noch eine Schippe drauf. Die Videofunktion kann sich wie gehabt mit 6K-Auflösung bei 60 Bildern pro Sekunde sehen lassen. Im Test haben wir im Labor und in der Praxis analysiert, wie gut die schnelle Profi-Flaggschiff-DSLM wirklich ist. (Benjamin Kirchheim)
Diesen Kameratest gibt es nur als Premium-Test mit erweitertem Informationsumfang.
Er enthält gegenüber unserer Standard-Online-Version zusätzlich eine Tabelle mit detaillierten
Einzelbewertungen sowie Diagramme, in denen die Stärken und Schwächen der Kamera gut vergleichbar
dargestellt werden. Zudem stellen wir drei andere Kameras als mögliche Alternativen vor und erklären,
welche Vor- und Nachteile diese gegenüber der Canon EOS R1 haben. Der sehr ausführliche Test kann
direkt online gelesen oder als 40-seitiges PDF-E-Book heruntergeladen werden. Der Test ist in
digitalkamera.de-Premium enthalten und einzeln für 1,99 € erhältlich (bzw.
1,79 € bei Bezahlung mit digitalkamera.de-Guthaben).
Die EOS R1 ist das Profi-Spitzenmodell der spiegellosen Vollformat-Systemkameras von Canon und legt in Punkto Bedienung, Sucher und Leistungsfähigkeit gegenüber der günstigeren EOS R3 noch eine Schippe drauf. [Foto: MediaNord]
Ergonomie und Verarbeitung
Auch wenn es sich bei der Canon EOS R1 um eine spiegellose Systemkamera handelt, ist sie in vielerlei Hinsicht ein mächtiges Schwergewicht. Das fängt beim stolzen Preis von gut 7.500 Euro an, geht über das wuchtige Gehäuse mit eingebautem Hochformatgriff bis hin zum Gewicht, das betriebsbereit bereits ohne Objektiv bei etwas über 1,1 Kilogramm liegt. Immerhin sind das rund 300 Gramm weniger als bei der Profi-DSLR Canon EOS-1D X Mark III; wer also von dieser umsteigt, wird die R1 sogar als leicht empfinden. Unsere Testkombination mit dem RF 24-70 mm 2.8L IS USM bringt es sogar auf knapp über 2 Kilogramm.
Für das Gewicht bietet die EOS R1 aber auch eine über jeden Zweifel erhabene Verarbeitungsqualität. Das Gehäuse besteht aus einer robusten Magnesiumlegierung und ist gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet. Zwar konnten wir keine Angabe zu einer Schutzklasse finden, aber schlechter als das IPX2 des kleinen Schwestermodells EOS R3 wird die R1 wohl kaum abgedichtet sein. Das bedeutet einen Tropfwasserschutz bis 15 Grad abweichend von der Senkrechten. Zudem betont Canon, dass der Sucher sogar gegen Beschlagen abgedichtet sei.
Vor allem im Querformat liegt die EOS R1 sehr satt in der Hand. Dennoch empfiehlt es sich bei dem Gewicht, das Objektiv mit der linken Hand zu stützen. Die Handgriffflächen auf der Vorder- und Rückseite sind großzügig gummiert und mit einer modernen Textur versehen, die nicht mehr an Leder erinnert. So gleitet einem die Kamera kaum aus den Händen. Im Hochformat ist der Handgriff zwar ein wenig schlechter ausgeprägt, aber die EOS lässt sich auch damit sicher halten.
Bei der Bedienung setzt Canon auf viele Knöpfe sowie einen hervorragend bedienbaren Joystick und drei Funktionsräder, die sich allesamt sehr umfangreich individualisieren lassen. Viele Funktionen werden ergonomisch per Knopfdruck und anschließendem Dreh an einem der drei Funktionsräder, eines in Auslösernähe, eines oben hinten an der Kamera und das dritte auf der Rückseite, eingestellt. Hat man diese Bedienung erst einmal verinnerlicht, lässt sich die Kamera blitzschnell auf die aktuellen Aufnahmeanforderungen einstellen.
Damit man die R1 auch im Hochformat ohne Verrenkungen bedienen kann, sind einige Bedienelemente doppelt ausgeführt, etwa der programmierbare M-Fn-Funktionsknopf, das vordere und hintere Bedienrad oder der Joystick sowie die Info-Taste und sogar die erstmals zweistufige AF-On-Taste mit dem Smart Controller. Einzig die Weißabgleichs- sowie die Belichtungskorrektur-Taste fehlen im Hochformat. Mit einem separaten, im Gegensatz zur R3 vom Einschalthebel getrennten Schalter, der kaum versehentlich verstellt werden kann, lassen sich die Hochformatbedienelemente aktivieren oder vor versehentlicher Betätigung schützen.
Sind Sie auf der Suche nach einer spiegellosen Systemkamera und möchten sich über dieses Kamerasegment informieren? Dann haben wir das passende E-Book!Dieses E-Book hilft Ihnen, die individuell passende Kamera zu finden. Was zeichnet spiegellose Systemkameras aus? Welche Ausstattungsmerkmale gibt es? Worauf sollten Sie beim Kauf achten? Alle 80 aktuellen Modelle werden vorgestellt, mit ihren Highlights, einer kurzen Beschreibung und einer kurzen Einschätzung aus bis zu drei Testberichten. Ein E-Book als PDF mit 226 Seiten für 8,99 €. Kostenlose 16-seitige Leseprobe erhältlich. mehr …
Auch durch die umfangreichen Menüs navigiert man dank der drei Einstellräder zügig, alternativ kann aber auch der Joystick oder sogar der Touchscreen verwendet werden. Die Menüs geben insbesondere denen, die schon mit Canon vertraut sind, keine Rätsel auf. Sie sind klar gegliedert und bieten umfangreiche Einstellmöglichkeiten. Dazu gehört neben zahlreichen konfigurierbaren Tasten und Funktionen auch ein „My Menü“, das mit den individuell wichtigsten Menüpunkten belegt werden kann. Zudem startet das Menü stets an der zuletzt verwendeten Position, sodass diese nicht immer wieder mühsam gesucht werden muss.
Auf dem Bildschirm lassen sich die wichtigsten Tasten- und Funktionseinstellungen per Knopfdruck direkt einblenden und auch ändern. Im Live-View gibt es neben Aufnahmeanzeigen auch eine elektronische Wasserwaage sowie ein Live-Histogramm. Nützlich sind zudem die auf dem Bildschirm oder im Sucher einblendbaren Gitter sowie die Fokuslupe und Fokuspeaking zur Unterstützung der manuellen Fokussierung.
Praktisch beispielsweise bei Belichtungsreihen vom Stativ, etwa für HDR-Aufnahmen, ist der elektronische Verschluss, der aber noch andere Vorteile bietet. So beträgt die minimale Verschlusszeit dann 1/64.000 statt 1/8.000 Sekunde und auch bei Serienbildaufnahmen ist die Kamera deutlich schneller (dazu unten mehr). Ein Rolling-Shutter-Effekt tritt dabei kaum noch auf, er ist sogar nochmals geringer als bei der EOS R3. Übrigens schließt sich der mechanische Verschluss der EOS R1 beim Ausschalten als Staubschutz für den Bildsensor.
Ein beleuchtbares LC-Display auf der Oberseite steht für die Anzeige der Einstellungen neben dem farbigen Touchscreen zur Verfügung. Zudem sind einige ausgewählte Tasten auf der Rückseite beleuchtet. Die Umsetzung ist jedoch inkonsistent, so ist nur die Querformat-Info-Taste beleuchtet, die fürs Hochformat jedoch nicht. Auch die Q-Menü-Taste, die M-Fn3-Taste, die Menütaste sowie die vier blauen, unterhalb des Bildschirms angeordneten Tasten für die Wiedergabe sind beleuchtet.
Der Touchscreen ist mit 3,2 Zoll (rund acht Zentimeter) recht groß und löst mit 2,1 Millionen Bildpunkten zwar fein auf, aber nur halb so hoch wie in der EOS R3. Hinzu kommt der Vorteil des 3:2-Formats, sodass im Live-View der ganze Bildschirm ohne Trauerränder genutzt werden kann. Die Touch-Kontrolle umfasst selbst das Menü, auch eine Bildschirmtastatur steht zur Verfügung. Die maximale Leuchtdichte ist mit 550 cd/m² allerdings nicht die höchste, das wird bei Sonnenschein schon sehr knapp. Die R3 ist mit 730 cd/m² etwas heller. Allerdings muss die Helligkeit ohnehin manuell geregelt werden. Wie gut, dass sich bei Bedarf per individualisierter Taste direkt die maximale Bildschirmhelligkeit aktivieren lässt.
Nach der R3 ist die EOS R1 die zweite Profikamera von Canon, bei der der Bildschirm dreh- und schwenkbar ist. Das bietet nicht nur für verschiedene Perspektiven und bei Videoaufnahmen als Kontrollmonitor Vorteile, sondern er lässt sich zur besseren Wärmeableitung über die Rückseite abklappen oder zum Schutz verkehrt herum an die Kamerarückseite anklappen. So kann die Canon EOS R1 als reine Sucherkamera betrieben werden. Auch die Bildwiedergabe ist selbstverständlich im Sucher möglich. Zudem bietet die großzügige Suchermuschel eine sehr gute Abschirmung gegen Streulicht.
Der dreh- und schwenkbare Touchscreen der Canon EOS R1 löst mit 2,1 Mio Bildpunkten zwar nur halb so hoch auf wie in der R3, dafür ist ihr OLED-Sucher aber viel größer (0,9- statt 0,76-fach) und höher auflösend (9,44 vs. 5,76 Mio Bildpunkte). [Foto: MediaNord]
Der Sucher vergrößert 0,9-fach und löst äußerst feine 9,44 Millionen Bildpunkte auf und arbeitet mit bis zu 120 Bildern pro Sekunde. Damit ist der Sucher deutlich größer und feiner als bei der EOS R3 und einer der entscheidenden Vorteile. Man blickt auf eine komfortable, riesige „Kinoleinwand“, was ein ermüdungsfreies Arbeiten ermöglicht.
Auch die Sucherverzögerung ist so minimal, dass sie kaum ins Gewicht fällt. Dank der Dioptrienkorrektur kann man ihn mit nicht zu starker Fehlsichtigkeit gut ohne Brille verwenden. Mit Brille auf der Nase kann man nämlich das Sucherbild nicht vollends überblicken. Zum Glück lässt sich im Menü die Suchervergrößerung um eine oder zwei Stufen auf 0,8- oder 0,7-fach verkleinern, was natürlich Auflösung kostet. Das Sucherokular steht praktischerweise ein gutes Stück nach hinten über, sodass man nicht gleich mit der Nase am Touchscreen klebt und diesen noch bequem mit dem Auge am Sucher bedienen kann.
Durch die feine Auflösung vergisst man zuweilen, dass man durch einen Videosucher blickt. Seine Stärken spielt er beispielsweise dann aus, wenn das Umgebungslicht schwindet und man quasi eine Nachtsichtgerät-Kamera vor der Nase hat. Man erkennt mehr Details als mit dem bloßen Auge. Auch bei der Bedienung hilft der elektronische Sucher. So kann man nach Betätigung der M-Fn-Taste mit dem Daumenrad durch verschiedene Einstellungen scrollen und diese mit dem vorderen Rad anpassen. Durch die Einblendungen verliert man sein Motiv dabei nicht aus dem Auge und kann je nach Option die Auswirkungen, beispielsweise beim Weißabgleich, direkt im Sucherbild beurteilen.
Der Sucher macht insgesamt einen hervorragenden Eindruck und bietet nicht nur eine automatische Aktivierung, sobald man die Kamera ans Auge nimmt, sondern sogar eine Erkennung, wohin man blickt. Der Eye-Control-Autofokus dient zum Festlegen des Fokuspunkts und fungiert damit als Alternative zum Fokusjoystick oder dem optisch arbeitenden Smartcontroller, der erstmals in der EOS-1D X Mark III zum Einsatz kam. Die Verfolgung des Motivs übernimmt dann der Autofokus der Kamera. Das Eye-Control-System arbeitet mit im Sucher integrierten Infrarot-LEDs, einer Technik, die aus dem Medizinbereich stammt.
Ein Sensor misst die Reflexionen und trackt anhand dessen das Auge, wofür allerdings eine Kalibrierung auf das jeweilige Auge des Fotografen nötig ist. Dafür bietet die EOS R1 mehrere Speicherplätze, beispielsweise um die Kamera zwischen mehreren Fotografen oder auch einem Fotografen mit und ohne Brille umschalten zu können. Gegenüber der EOS R3 soll das Erkennungssystem noch einmal verbessert worden sein. Man benötigt trotzdem einiges an Praxis und Training, damit das zuverlässig funktioniert und man es intuitiv anwendet.
Das beleuchtbare Schulterdisplay der Canon EOS R1 zeigt die wichtigsten Aufnahmeparameter an. [Foto: MediaNord]
Das Eye-Control-System ist sehr empfindlich und so sollte man immer ähnlich durch das Okular schauen, damit es funktioniert. Sonnenbrillen, Gläser mit spezieller Beschichtung, Gleitsichtbrillen, beschlagene Brillengläser und harte Kontaktlinsen, die im Gegensatz zu weichen Linsen permanent wandern, sind für den Eye-Control-AF durchaus problematisch. Da ist es gut, dass das System nur eine Alternative zur bisherigen Fokusfeldwahl ist. Der Eye-Control-AF ist auch nicht dazu gedacht, das Motiv ständig zu verfolgen, denn das übernehmen der Servo-AF für die Distanznachführung oder der Tracking-AF für die Motivnachführung über das Bildfeld.
In der Praxis geht die Kalibrierung schnell vonstatten, man muss nur den Anweisungen im Sucher folgen und nacheinander in die Mitte sowie die vier Randbereiche schauen. Danach wird das Auge als zwei gelbe Kreise im Sucher dargestellt. Sobald man den Auslöser antippt oder die AF-On-Taste drückt, wird der Fokus dort fixiert und man hat das Auge wieder frei, um den Bildausschnitt zu kontrollieren oder auf neue Motive zu lauern, die ins Bildfeld kommen.
Ein erneuter Druck auf die AF-On-Taste fixiert bei Bedarf den Autofokus neu, denn der Doppelkreis des Eye-Control-AF ist stets im Sucher zu sehen. Übrigens arbeitet die AF-On-Taste in der R1 erstmals zweistufig, wie man es sonst vom Kameraauslöser kennt. Das ermöglicht es, schnell zwischen zwei AF-Konfigurationen zu wechseln.
Das Eye-Control-System steht allerdings nur während Fotoaufnahmen zur Verfügung. In der Praxis funktioniert der Eye-Control-AF so lange gut, wie die anzuvisierenden Motive gut voneinander getrennt sind. Sobald hingegen viele Motive auf einem Haufen sind, braucht es sehr viel Übung, um beispielsweise einen einzelnen Spieler einer Footballmannschaft anzuvisieren. Da ist es gut, dass die AF-On-Taste mit einer Besonderheit aufwartet: Sie bietet einen sogenannten Smart Controller.
Dabei handelt es sich um einen optischen Sensor mit einer ähnlichen Technik, wie sie auch bei optischen Mäusen zur Bedienung von Computern zum Einsatz kommt. Nur, dass dieser Sensor quasi genau umgekehrt arbeitet, denn wenn man den Finger darüber bewegt, erkennt der Sensor Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit.