2024-10-28 Mit der äußerst kompakten, spiegellosen Vollformat-Hybrid-Systemkamera Lumix DC-S9 möchte Panasonic in erster Linie Einsteiger und Vlogger ansprechen. Für den moderaten Preis gibt es technische Abstriche, die in vor allem Fotografen treffen – Sucher, mechanischer Verschluss und Blitzmöglichkeit fehlen. Ob dafür Vlogger aus dem Vollen schöpfen können und wie es um die Bildqualität bestellt ist, verraten wir im ausführlichen Testbericht. (Benjamin Kirchheim)
Die Panasonic Lumix DC-S9 besitzt ein kompaktes Gehäuse im "Ziegelsteinformat" aus Metall und Kunststoff. Einen ergonomischen Handgriff gibt es nicht. [Foto: MediaNord]
Ergonomie und Verarbeitung
Die Panasonic Lumix DC-S9 ist die bisher kompakteste Vollformat-Systemkamera von Panasonic. Gelungen ist das durch Weglassen des Handgriffs und des Sucherbuckels sowie des aktiven Lüfters und des mechanischen Verschlusses gegenüber der technisch sehr ähnlichen Lumix DC-S5II.
Dass der fehlende Handgriff Kompromisse bei der Ergonomie mit sich bringt, dürfte jedem klar sein. Die S9 ist für kompakte Objektive gebaut, am besten das neue 18-40 mm F4.5-6.3, das uns zum Testzeitpunkt allerdings noch nicht zur Verfügung stand. Wir werden diesen Testbericht entsprechend erweitern, sobald uns dieses Objektiv erhältlich ist. Panasonic verkauft die S9 aber nicht nur ohne Objektiv für knapp 1.700 Euro UVP, sondern auch im Set mit dem 20-60 mm F3.5-5.6 für knapp 2.000 Euro UVP. Das 20-60 fällt zwar ebenfalls recht kompakt aus, ist im Verhältnis zur S9 doch schon recht groß.
Das Gehäuse der S9 besteht zum Teil aus einer Magnesiumlegierung und zum Teil aus Kunststoff. Die Verarbeitung ist tadellos, das Gehäuse wirkt robust. Einen Schutz vor Spritzwasser und Staub gibt es hingegen nicht. Mit unter 500 Gramm ohne Objektiv ist die S9 noch recht leicht, selbst mit dem 20-60 sind es nur knapp unter 850 Gramm. Mit dem 18-40 sind es nochmal fast 200 Gramm weniger.
Mit 12,6 x 7,4 x 4,1 Zentimeter ist das Gehäuse zwar sehr kompakt, aber sogar etwas breiter und höher als eine Sony Alpha 7C II. Nur bei der Gehäusetiefe und dem Gewicht wird die Sony geschlagen – kein Wunder, besitzt letztere doch einen Handgriff samt darin sitzendem Akku und sogar einen eingebauten Sucher.
Das Gehäusedesign ohne Handgriff wirkt bei der Lumix S9 modern, zudem gibt es verschiedenfarbige Gummierungen des Gehäuses in Dunkelgrün, Dunkelrot, Dunkelblau oder "Dunkel"weiß als Alternative zum getesteten schwarzen Modell. Die Gummierung ist leicht genarbt, aber insgesamt doch recht glatt, was der Ergonomie neben dem fehlenden Handgriff nicht gerade guttut. Beim Vloggen beziehungsweise Selfie fasst man die Kamera am besten einfach direkt am Objektiv an – das wiederum geht mit dem größeren 20-60 besser als mit dem kleinen 18-40.
Während die Vorderseite sowie linke und recht Seite der S9 sehr klar und glatt wirken und die Oberseite zumindest aufgeräumt, sieht es auf der Rückseite ganz anders aus. Der bewegliche Monitor steht hervor und fügt sich nicht eben in die Rückwand ein. Die Daumenmulde ist integraler Bestandteil des Designs – zumindest das ist gelungen und wirkt modern sowie innovativ. Die Tasten auf der Rückseite sind hingegen mal erhaben, mal bündig eingelassen.
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Neben der Daumenmulde sorgen der gut bedienbare Auslöser und die zwei Räder auf der Oberseite für eine gute Ergonomie und Bedienbarkeit, wohingegen das auf der Rückseite befindliche, zweite Einstellrad sehr mickrig wirkt. Es ist um das Vierwegekreuz angeordnet und man muss beim Drehen achtsam sein, es nicht versehentlich zu stark zu drücken und dadurch unbeabsichtigt eine Funktion auszulösen.
Alle Tasten der S9 besitzen feste, zugewiesene Funktionen, es scheint keine Funktionstasten zu geben. Immerhin lassen sich aber viele der Tasten individuell belegen, wenn man die aufgedruckte Funktion nicht benötigt. Statt ins Menü zu gehen, genügt es, die Taste lange zu drücken und schon landet man bei der Einstellung der entsprechenden Tastenfunktion. Dieses pfiffige Feature kennt man auch von anderen Panasonic-Kameras.
Da die S9 keinen Sucher besitzt, muss man sich voll und ganz auf den rückwärtigen Touchscreen verlassen. Dieser lässt sich dank Schwenk- und Drehgelenk auch wunderbar nach vorne klappen und damit als Kontrollbildschirm verwenden oder zum Schutz verkehrt herum anklappen. Während die 7,5 Zentimeter Diagonale Standardmaß sind, ist die Auflösung mit 1,84 Millionen Bildpunkten des 3:2-Bildschirms hoch.
Auch bei der Helligkeit wird man nicht enttäuscht: Wir haben eine Leuchtdichte von immerhin 1.000 cd/m² gemessen, was für die Verwendung im Sonnenlicht ausreichend ist, zumal die Helligkeit automatisch hochgeregelt wird. Helligkeit, Kontrast und Farben können auch im Automatikmodus angepasst werden. Wer möchte, kann die Helligkeit wahlweise komplett manuell regeln. Die Bildwiederholrate beträgt je nach Einstellung 30 oder 60 Bilder pro Sekunde. Ersteres spart Strom, zweiteres sorgt für eine flüssigere Darstellung von Bewegungen.
Der Touchscreen ist voll in die Bedienung der Lumix eingebunden. Neben der Wahl des Fokuspunkts können auch das Menü sowie das Quick-Menü per Touch bedient werden. Zudem lässt sich seitlich eine praktische Touchleiste (im Menü Touch-Register aktivieren) mit fünf Touch-Funktionstasten sowie weiteren Bedienelementen auf dem Bildschirm einblenden.
Das Hauptmenü ist sehr umfangreich und in 2 Ebenen organisiert. Die 6 Hauptkategorien enthalten jeweils bis zu 12 mit Symbolen gekennzeichnete Unterkategorien, die ihrerseits bis zu 8 Menüpunkte pro Seite umfassen. Vertikal kann man praktischerweise wie bei Menüseiten weiterscrollen, die Unterkategorien wechseln dabei automatisch.
Die Panasonic Lumix DC-S9 bietet lediglich einen schwenk- und drehbaren Touchscreen, aber keinen Sucher. Dafür ist der Bildschirm mit einer Leuchtdichte von 1.000 cd/m² sehr hell. [Foto: MediaNord]
Da man einzelne Menüpunkte so trotzdem manchmal nur schwer findet, kann man sich in einer Hauptkategorie ein Menü mit maximal 28 Einstellungen auf 3 Seiten selbst zusammenstellen. Außerdem kann das Quickmenü angepasst werden und drei Benutzerspeicher erlauben über das Programmwählrad den Zugriff auf häufig verwendete Aufnahmeeinstellungen.
Ober- und unterhalb des Livebilds werden die Aufnahmeparameter eingeblendet. Andere Hilfsmittel, wie etwa Gitterlinien oder eine elektronische 3D-Wasserwaage, werden direkt ins Livebild eingeblendet. Sogar den aktuellen Arbeitsbereich des optischen Bildstabilisators kann man sich visualisieren lassen und damit beurteilen, ob er an seine Grenzen stößt. Das lässt allerdings die Einblendung der Autofokuspunkte etwas in den Hintergrund rücken.
Weniger gelungen ist die Realisierung der Belichtungsvorschau, womit auch das Live-Histogramm etwas an Nützlichkeit verliert. Während das Livebild bei Nutzung der Belichtungskorrektur entsprechend dunkler oder heller wird, ist dies im manuellen Belichtungsmodus nicht der Fall. Stattdessen muss man sich auf die Lichtwaage verlassen, die aber auch nur in einem eng begrenzten Bereich von +/- 3 EV genau arbeitet.
Aktiviert man die Belichtungszeitsimulation, bekommt man zwar eine Belichtungsvorschau, aber gleichzeitig auch den Belichtungszeiteffekt, sodass das Livebild bei längeren Belichtungszeiten (etwa bei Aufnahmen zur blauen Stunde vom Stativ) für die feine Bildkomposition äußerst unschön ruckelig wird.
An der Unterseite befindet sich das Stativgewinde in der optischen Achse und mit ausreichend Abstand zum Akku- und Speicherkartenfach, um noch eine kleine Stativwechselplatte ohne Blockade aufnehmen zu können. Für 470 Aufnahmen nach CIPA-Standard reicht der große Lithium-Ionen-Akku BLK-22, der auch bei den größeren Lumix-S-Modellen zum Einsatz kommt.
Dank USB-C-Lade- und Dauerstromfunktion im ein- und ausgeschalteten Zustand ist man beim Nachtanken der Energie äußerst flexibel. Auch schwächere USB-Netzteile, beispielsweise vom Smartphone, taugen zumindest zum Nachladen des Akkus. Die Verwendung mit einer Powerbank ist ebenfalls möglich. Ein USB-Kabel sowie ein Netzgerät befinden sich allerdings nicht mehr im Lieferumfang. Die Dauerstromversorgung im Studio ist alternativ mittels DC-Koppler DCC17 und Netzteil AC10 möglich.
Eine wichtige Funktion bietet die USB-C-Schnittstelle allerdings nicht: UVC und UAC zum Videostreaming werden nicht unterstützt. Immerhin sitzt die Schnittstelle praktischerweise auf der rechten Gehäuseseite und ist damit genau wie das HDMI-Kabel dem Monitor beim Bewegen nicht im Weg. Das Videosignal kann ohne Einblendungen (Clean-HDMI) ausgegeben werden. Die HDMI-Schnittstelle ist allerdings nur der mechanisch empfindliche Micro-Typ. Beide Schnittstellen werden gemeinsam von einer Kunststoffklappe geschützt.
Neben dem Auslöser hat Panasonic zwei Drehräder, einen Schalter und zwei Knöpfe auf der Oberseite der Lumix DC-S9 untergebracht. Das kleine 20-60mm-Standardzoom wirkt an der kompakten Kamera schon fast riesig. Dem Zubehörschuh fehlen Blitzkontakte. [Foto: MediaNord]
Auf der Monitorklappseite, aber oberhalb dessen Bewegungsbereichs, sitzt die Mikrofonbuchse. Einen Kopfhöreranschluss gibt es hingegen nicht – ein weiterer Negativpunkt für diejenigen, die die S9 als Videokamera verwenden möchten. Drahtlos kommuniziert die Lumix S9 per WLAN auf 2,4 und 5 GHz sowie per Bluetooth, dazu am Ende des nächsten Abschnitts mehr.
Beim Zubehörschuh auf der Kameraoberseite handelt es sich mangels Kontakten hingegen um keine Schnittstelle. Hier kann man zwar ein externes Mikrofon oder LED-Videolicht aufstecken, aber keinen Blitz betreiben. Da die S9 auch keinen internen Blitz besitzt, kann man überhaupt nicht mit ihr blitzen. Einen Kabelfernauslöseanschluss gibt es ebenfalls nicht.
Die Speicherkarte wird im Akkufach eingeschoben. SD, SDHC und SDXC samt UHS I und UHS II können verwendet werden. Das Geschwindigkeitspotential von UHS II wird aber nicht gut ausgenutzt. Eine 250 MB/s schnelle SDXC-Karte von Panasonic erreichte in der Kamera laut unserer Messung eine maximale Speichergeschwindigkeit von lediglich knapp 120 MB/s.