Kompakttest
Ricoh GXR 50 mm 2.5 Macro
2010-03-02 Mit der GXR stellte Ricoh ein sehr ungewöhnliches Systemkamerakonzept vor, bei dem Objektiv und Sensor fest zu einer Wechseleinheit verschmolzen sind, Bedienelemente, Akku, Speicherkarte, Blitz und Bildschirm befinden sich jedoch im "festen" Gehäuseteil. So ist es möglich, sowohl "Kompaktkamerasensoren" also auch größere DSLR-Sensoren an der GXR zu betreiben. Das einzige momentan erhältliche Modul mit großem Sensor ist ein 50mm-Makro (KB). Wie sich dieses Systemkamerakonzept insbesondere mit diesem Modul in der Praxis und im Labor schlägt, zeigt der digitalkamera.de-Test. (Benjamin Kirchheim)
Ergonomie und Verarbeitung Das Gehäuse der Ricoh GXR ist sehr kompakt, gleichzeitig aber grundsolide, denn es besteht aus einer Magnesiumlegierung. Ohne Objektiv, aber mit Akku und Speicherkarte bringt sie es auf nur rund 200 g. Das 50 mm Macro wiegt mit 260 g mehr und ist ähnlich solide. Seine reale Brennweite beträgt 33 mm, durch den 1,5er-Crop-Sensor entspricht es aber einem 50mm-Objektiv an einem Kleinbildsensor. Das Metallstativgewinde befindet sich am Gehäuseteil und ist somit systembedingt nie in der optischen Achse. Preislich ist die GXR wahrlich kein Pappenstiel: Das Gehäuse kostet rund 480 EUR und das Modul A12 50 mm Macro ca. 700 EUR, so dass es die getestete Kombination auf fast 1.200 EUR bringt.
Die Kompaktheit der GXR lässt sich gut mit einer Micro-Four-Thirds-Kamera wie der Panasonic Lumix DMC-GF1 oder der Olympus Pen E-P1/P2 vergleichen. Dabei hat die Ricoh aber den besseren Handgriff, der zwar nicht groß ausfällt, aber durch seine Gummierung einen guten Halt der Kamera ermöglicht. Die Gurtösen sind in das Gehäuse eingelassen, dem man insgesamt ein sehr edles Design und Finish attestieren kann. Li-Ion-Akku und SD/SDHC-Speicherkarte werden von der Unterseite aus eingesetzt, wobei der Akku für gut 320 Aufnahmen nach CIPA reicht. An der rechten Gehäuseseite befinden sich Standardanschlüsse wie HDMI-Mini, Mini-USB und AV-Out (2,5 mm Klinkenanschluss). Ein Netzteil ist über einen Akkudummy anschließbar, außerdem befindet sich an der Unterseite noch ein Spezialanschluss hinter einer Gummiabdeckung, über dessen Funktion sich das Handbuch ausschweigt. Evtl. könnte hier später eine Dockingstation oder ein Hochformatgriff Anschluss finden.
Der mit 920.000 Bildpunkten sehr fein auflösende Bildschirm ist 3" (7,6 cm) groß und bietet ein sehr brillantes, detail- und kontrastreiches Bild. Ricoh nutzt die hohe Auflösung auch für eine sehr feine Menüdarstellung mit 10 Textzeilen. Weitsichtige bekommen da ohne Brille schnell ein Problem, für alle anderen ist es aber eine wahre Augenweide. Alternativ zum Bildschirm kann auch ein optionaler, 250 EUR teurer Aufstecksucher verwendet werden, der rund 922.000 Bildpunkte (VGA) auflöst. Gitterlinien, eine elektronische Ausrichthilfe (Wasserwaage) gegen schiefen Horizont und ein Live-Histogramm sind einblendbar.
Die Bedienung der Kamera ist auf anspruchsvolle Anwender ausgelegt. Sie bietet viele programmierbare Tasten, und das Programmwahlrad muss vor dem Verstellen erst entriegelt werden. Es gibt ein Zeigefingerrad vor dem Auslöser und ein Pseudo-Daumenrad an der Gehäuserückseite. Dabei handelt es sich um einen Wippschalter in Radform, der auch gedrückt werden kann. Zusätzlich gibt es eine Zoomwippe auf der Rückseite. Erleichtert wird die Bedienung durch die Direct-Taste, mit der sich die wichtigsten Aufnahmeeinstellungen direkt in der eingeblendeten Statusanzeige auf dem Bildschirm ändern lassen.
Ausstattung Zwar bietet die GXR Motivprogramme, es sind aber nur 5 Stück, und sie sind auf einer einzigen Position namens "Scene" auf dem Programmwählrad konzentriert – hier findet sich auch die Videofunktion als sechstes Motivprogramm. Mit dem Makro-Modul stehen hier Auflösungen von QVGA über VGA bis 720p bei 24 Bildern/s zur Verfügung, der Ton ist allerdings Mono über ein kleines internes Mikrofon. Der Videomodus sollte als nette "Dreingabe" verstanden werden, der Fokus der GXR liegt auf den üppigen Fotofunktionen. Neben den Belichtungsprogrammen P, A, S und M gibt es drei Benutzerspeicher auf dem Programmwählrad, die die Individualisierbarkeit der GXR unterstreichen. Hier kann der Fotograf sich bevorzugte Einstellungen gebündelt abspeichern und sie schnell aufrufen. Das ist angesichts des Einstellungsumfangs vor allem in den Menüs auch nützlich wie nötig. Es gibt kaum etwas, was man bei der GXR nicht verstellen kann. Bekanntermaßen wird Ricoh in nächster Zeit neben der Fehlerbereinigung mit Firmwareupdates auch neue Funktionen nachreichen.
Ein interessantes Detail ist der verwendete Verschluss im Objektiv, der sich nur zum Ende der Belichtung kurz schließen muss, und dessen kürzest mögliche Belichtungszeit von der gewählten Blende abhängt. Bei F2,5 beträgt die kürzeste Belichtungszeit 1/1.000 s; schade, denn Außenaufnahmen mit geringer Schärfentiefe werden so unnötig erschwert. Immerhin lässt sich auch bis zu dieser Belichtungszeit mit dem Blitz synchronisieren, was bei anderen Systemkameras unmöglich ist. Je weiter man abblendet, desto kürzer kann man belichten, bei Blende 7,1 ist mit 1/3.200 s dann aber die endgültig kürzeste Verschlusszeit erreicht, bei der weiterhin mit dem internen oder einem externen Blitz geblitzt werden kann. Im anderen Extrem sind zwar keine Bulb-Langzeitbelichtungen möglich, aber bis 180 s sind in "M" einstellbar. Auch die Blitzeinstellungen sind durchaus gut. Neben einer Automatik, wobei man den Blitz aber manuell aufklappen bzw. entriegeln muss, kann man die Leistung auch korrigieren oder gleich manuell einstellen. Auch die Synchronisation auf lange Verschlusszeiten sowie zum Ende der Belichtung ist möglich. Auf den Blitzschuh kann ein externer TTL-Blitz (Ricoh GF-1) aufgesteckt werden.
Die Fokussierung erfolgt automatisch über neun Messfelder, kann aber auch auf ein mittleres oder in weiten Bereichen frei verschiebbares Feld festgelegt werden. Für die manuelle Fokussierung verfügt das 50er Makro über einen gummierten Fokusring, der die Scharfstellung elektronisch überträgt, was zwar eine präzise Fokussierung erlaubt, aber die nötige mechanische "Direktheit" und damit das Rückkopplungsgefühl vermissen lässt. Die Fokuseinstellung wird in einer vertikalen Leiste auf dem Bildschirm inkl. Schärfentiefeanzeige visualisiert, auf eine praktische Bildschirmlupe muss man hingegen verzichten. Im Autofokusbetrieb zeigte sich das Modul sehr unberechenbar. Zwar war es in der Standardmessung im Testlabor mit 0,4-0,5 s anständig schnell, in der Praxis dauerte die Fokussierung aber auch zuweilen dreimal so lange. Wird es dem Kontrastautofokus zu dunkel, schaltet sich ein grünes Hilfslicht ein, das aber per Menü auch dauerhaft deaktiviert werden kann.
Aufpassen muss man übrigens beim Modulwechsel, denn einige Einstellungen werden in der Kamera, andere (wie das Seitenverhältnis von 4:3, 3:2, 16:9 oder 1:1) im Modul abgelegt. So kann es schon mal passieren, dass man nach dem Wechsel nicht in voller Auflösung oder dem nativen Seitenverhältnis des Sensors (3:2 beim Makromodul, 4:3 beim Weitwinkelzoom) fotografiert. Positiv ist, dass neben JPEG auch im DNG-RAW-Format gespeichert werden kann.
Bildqualität Zur Messung der Bildqualität wurde die GXR mit beiden zurzeit erhältlichen Objektivmodulen 24-72 mm und 50 mm Makro ins Testlabor geschickt, wobei lediglich die Bildqualität des Makros in die Bewertung eingeflossen ist. Beide Labortests sind in aller Ausführlichkeit über die weiterführenden Links abrufbar, wobei angemeldete Benutzer mit Labortest-Flatrate (ab 4,16 EUR pro Monat) ohne Zusatzkosten darauf zugreifen können – alle anderen zahlen einmalig 1,40 EUR pro Test. Dass im 50er Makro ein APS-C-großer CMOS-Sensor verbaut ist, merkt man dem hervorragend geringen Bildrauschen an, das sich hinter keiner aktuellen DSLR verstecken braucht. Die Auflösung des Makros am 12-Megapixel-Sensor ist schon bei Offenblende auf hohem Niveau, lässt sich durch Abblenden aber noch steigern. Für eine Festbrennweite ist der Randabfall der Auflösung eigentlich etwas zu hoch, was man durch Abblenden aber in den Griff bekommen kann.
Durch das angenehme Bokeh eignet sich das Objektiv auch hervorragend für Porträtaufnahmen, Makromotiven kann man sich hingegen durch den maximalen Abbildungsmaßstab von 1:2 nicht so weit nähern, wie man es von üblichen Makroobjektiven erwarten könnte, die einen Maßstab von 1:1 erreichen. Wie auch immer, trotz der hohen Auflösung bleiben die Artefakte relativ gering, so dass auch feine Strukturen sehr naturgetreu wiedergegeben werden. An kontrastreichen Kanten zeigen sich allerdings mitunter leichte Farbsäume. Ein anderes Phänomen namens Weißclipping tritt durch die durchaus knackige Scharfzeichnung auf. Verzeichnung und Vignettierung sind unauffällig. Die leichte Randabdunklung von etwa 0,8 Blendenstufen sinkt auch durch Abblenden kaum, hat aber einen so sanften Verlauf, dass sie nicht auffällt. Für das Auge ist die tonnenförmige Verzeichnung von 0,7 % ebenfalls kaum wahrnehmbar, da sie dem natürlichen Sehen sehr nahe kommt.
Bei allen ISO-Stufen ist die Eingangsdynamik sehr gut, sie fällt von 9 Blendenstufen bei ISO 200 auf 8,4 Blendenstufen bei ISO 3.200. Weniger schön ist die Ausgabedynamik, die wie für so viele Kameras typisch einen zu hohen Schwarzwert hat und damit Dynamik und Brillanz in den Tiefen vermissen lässt – ein Problem, dass man in der Bildbearbeitung leicht in den Griff bekommen kann. Verlassen kann man sich auf Belichtung und Weißabgleich, und bei anspruchsvolleren Motiven, die die Automatik nicht abdeckt, hat man alle nötigen manuellen Eingriffsmöglichkeiten.
Ganz anders sieht die Bildqualität mit dem 24-72 mm aus, die sich kurz so zusammen fassen lässt: Das Niveau entspricht dem einer durchschnittlichen Kompaktkamera. Für den Preis des Moduls allein (ca. 400 EUR) bekommt man bessere Kompaktkameras.
Fazit Das GXR-System ist von Ricoh sehr gewagt und ungewöhnlich, in sich aber schlüssig und solide umgesetzt. Der wahrscheinlich größte Pferdefuß sind die Preise des Systems und der Module. Gerade diejenigen mit einem kleinen "Kompaktkamerasensor" liefern eine Bildqualität, die man in einer Kompaktkamera zu einem günstigeren Preis haben kann. Die GXR selber bietet praktisch alles, was der ambitionierte Fotograf von einer Systemkamera erwartet – inkl. vielfältiger Einstellmöglichkeiten, elektronischem Aufstecksucher und Blitzsystem. Von der Kompaktheit her ist die GXR kaum kleiner als eine Micro-Four-Thirds-Kamera, bietet aber zumindest mit dem 50er Makro eine messbar bessere Bildqualität. Vor allem eignet sich diese Kombination auch hervorragend für Porträts, der Makroanwendungsbereich ist durch den maximalen Abbildungsmaßstab von 1:2 allerdings begrenzt. Der unberechenbare Autofokus ist dagegen für eine moderne Kamera teilweise viel zu langsam.
Kurzbewertung
- Üppige Anschlussmöglichkeiten wie TTL-Blitz, HDMI, Kabelauslöser oder Sucher
- Exzellenter Bildschirm und hervorragender (optionaler) elektronischer Sucher
- Umfangreiche Individualisierbarkeit über programmierbare Tasten
- Sehr gute Bildqualität auf DSLR-Niveau
- Kompaktes, grundsolides, exzellent verarbeitetes Gehäuse
- Fehlende Lupe zum manuellen Fokussieren
- Langsamer Autofokus
- Hoher Preis