2023-09-05 Lange hat die Sony-Fangemeinde auf ein neues Spitzenmodell der Alpha-APS-C-Serie warten müssen. Immerhin hat sich an der Spitze des Segments seit der 2019 angekündigten Alpha 6600 nichts mehr getan. Im Juli 2023 war es dann endlich so weit und die Alpha 6700 erblickte das Licht der Welt. Während Sony bei der Auflösung der Alpha 6700 eher konservativ war und der Kamera "nur" einen 26-Megapixel-Sensor spendiert hat, wurden ein aufgemotztes AF-System, 6K-Video-Oversampling, native Webcam-Funktion und einiges mehr in das griffige Gehäuse des Flaggschiffmodells implementiert. (Harm-Diercks Gronewold)
Sony Alpha 6700 mit E 18-135 mm F3.5-5.6 OSS. [Foto: MediaNord]
Wir haben die Sony Alpha 6700 mit dem E 18-135 mm (SEL18135) im Set von Sony zur Verfügung gestellt bekommen. Das Set ist im Handel für knapp 2.100 Euro erhältlich. Alternativ ist die Alpha 6700 auch mit dem E 16-50 mm (SEL1650G) für knapp 1.800 Euro zu haben. Ganz ohne Objektiv ist die 6700 für etwa 1.700 Euro im Handel zu finden. Die Alpha 6700 liegt damit etwa 100 Euro über der unverbindlichen Preisempfehlung der Alpha 6600 beim Launch vor drei Jahren.
Ergonomie und Verarbeitung
Auch wenn sich die Alpha 6600 und 6700 recht ähnlich sind, hat Sony an den Gehäuse-Details gefeilt. Die Kamera ist mit 122 Millimeter Breite, 69 Millimeter Höhe und einer Tiefe von 75 Millimeter am Handgriff etwas größer als ihr Vorgänger. Am elektronischen Sucher misst die Kamera nur knapp 50 Millimeter Tiefe. Der Handgriff ist exzellent ergonomisch ausgeformt, was dafür sorgt, dass die Kamera sehr gut in der Hand liegt, obwohl der kleine Finger keinen Platz mehr am Griff findet. Auf der Rückseite sorgt zudem eine nicht allzu stark ausgeformte Daumenmulde für einen sicheren Gegendruck.
Mit der Gummierung war Sony etwas sparsam und hat nur den Bereich des Handgriffs auf der Vorder- und Rückseite mit einer genarbten Gummierung ausgestattet. Das Gehäuse ist, mit Ausnahme der Kunststoff-Rückseite, aus einer matt lackierten Magnesiumlegierung gefertigt und gegen Spritzwasser und Staub geschützt. Während eine Kapillardichtung das Batteriefach und die beiden Klappen vor Feuchtigkeit schützt, setzt Sony beim Speicherkartenfach auf eine eingelassene Gummidichtung.
Während das Gehäuse "nackt" etwa 410 Gramm wiegt, addiert der Akku nochmal 80 Gramm dazu. Das 18-135mm-Objektiv wiegt etwa 320 Gramm, so dass die Kombination insgesamt etwa 810 Gramm betriebsbereit auf die Waage bringt. Auf der Unterseite der Kamera ist das 1/4" große Stativgewinde in der optischen Achse positioniert. Dank des Umzugs der Speicherkarte aus dem Akkufach an die Kameraseite ist der Einsatz von größeren Statvischnellwechseplatten kein großes Problem mehr, es sei denn man plant, den Akku öfter auszutauschen.
Die Verteilung der Bedienelemente konzentriert sich auf die rechte Seite der Kamera. So findet sich gleich unter dem Auslöser das erste Einstellrad. Auf der Oberseite in Richtung Rückseite ist das zweite Einstellrad in optimaler Reichweite zum Daumen angeordnet. Das dritte und letzte Einstellrad befindet sich in Kombination mit dem Steuerkreuz auf der Rückseite. Doch damit ist noch nicht genug gerädert. Immerhin besitzt die 6700 noch ein Programmwahlrad auf der Oberseite sowie ein dreistufiges Modus-Wahlrad direkt darunter.
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Neben den drehbaren Bedienelementen stehen eine Menü-Taste sowie sieben weitere Tasten zur Verfügung, eine Taste weniger als bei der Alpha 6600. Auch beim Steuerkreuz sind Funktionen hinterlegt, die schnell aufgerufen werden können. Während die drei C-Tasten (Custom) von außen deutlich machen, dass man sie nach eigenen Ansprüchen mit Funktionen belegen kann, ist die Belegung des Steuerkreuzes, des Video-Auslösers beziehungsweise der AF-On-Taste erst im übersichtlichen Individualiserungsmenü erkennbar. Das Menü hat es in sich, denn nicht nur die Tasten lassen sich mit neuen Funktionen versorgen, sondern auch die Einstellräder. Zudem sind die individuellen Einstellungen an den Modus gebunden. Das bedeutet, dass zum Beispiel die Taste-C2 im Fotomodus die ISO-Einstellung aufruft und im Videomodus die Belichtungsmessung speichert. Ganz wie es einem beliebt.
Die Verteilung der Tasten ist mit Ausnahme der Custom 1 Taste (C1) sehr gut gelungen. Diese Taste hat Sony an die rechte Außenseite, direkt außen an die Daumenmulde, platziert. Damit ist die Taste nur mit Finger-Yoga oder dem Daumengelenk im laufenden Betrieb einsetzbar. Eine häufig genutzte Funktion sollte man hier besser nicht platzieren.
Alternativ zur Bedienung der Kamera über die Drehräder und Tasten steht auch noch der 3" (7,5 cm) große Touchscreen zur Bedienung und Konfiguration der 6700 zur Verfügung. Das mit etwa 1,037 Millionen Bildpunkten auflösende TFT-LCD hat Seitenverhältnis von 3:2 und ist damit perfekt für die Fotografie mit dem nativen 3:2-Sensor geeignet. Zudem ist das Display um 270 Grad drehbar und um 180 Grad schwenkbar. Mit der "sonnig" Einstellung erreicht das Display eine Leuchtdichte von knapp 700 cd/m². Das reicht zwar aus, um auch bei hohem Umgebungslicht noch einsetzbar zu sein, könnte aber gerne noch heller sein.
Die Touchbedienung ist sehr präzise und erkennt Multitouch-Gesten. So kann man mit Pinch in und out in Bilder hinein und herauszoomen. Auch das Wischen in den Menüs, den Einstellungen sowie im Wiedergabemodus ist problemlos möglich. So muss Touchbedienung sein. Doch auch über die Tasten und Drehräder lassen sich Aufnahme- und Konfigurationseinstellungen vornehmen. Wenn man Lust hat, sich eine bunte Mischung aus beiden Bedienarten anzueignen, dann ist das auch möglich. Die Kamera diskriminiert hier zu keiner Zeit die Wünsche und Anforderungen der Foto- und Videografen.
Neben dem Display besitzt die Alpha 6700 auch einen OLED-Sucher. Dieser löst mit nur 2,36 Millionen Bildpunkten auf und kann mit maximal 60 oder 120 Bildern pro Sekunde betrieben werden. Der Sucher ist etwas zu klein geraten und schattet an den Rändern ab. Verstärkt wird die Abschattung durch das Tragen einer Brille. Immerhin kann man auf eine Brille verzichten, wenn der eigene Sehfehler im Bereich des Dioptrienausgleichs der Kamera liegt. Dieser reicht von -4 bis +3 Dioptrien, allerdings ist die Einstellung des Ausgleichs recht fummelig.
Die Alpha 6700 ist die erste APS-C-Kamera von Sony, die mit der neuen Menüstruktur ausgestattet ist. Ganz offensichtlich wollte Sony das Rad hier komplett neu erfinden und mehr Übersicht in die Menüs bringen. Der Grundgedanke ist prima. Man wählt einen Menüpunkt aus und die entsprechende Seite öffnet sich, dabei bleibt aber auf der linken Seite ein kleiner Bereich frei, so dass man erkennen kann, in welchem Menüpunkt man sich befindet. Das ist auch echt gut, wenn man nicht daraus zum Menü über oder unter dem gewählten Bereich navigieren könnte und gleich in den entsprechenden Untermenüs landet. Das kann zuweilen verwirrend sein.
Der 3" TFT-Touchscreen der Sony Alpha 6700 ist dreh- und schwenkbar, sehr präzise und besitzt eine recht hohe Leuchtdichte. [Foto: MediaNord]
Ebenfalls verwirrend wurden einige Funktionen in die Menüs verteilt. So befindet sich das Entfernen der AF-Funktion vom Auslöser nicht etwa im Bereich zur Individualisierung der Kamera, sondern im AF-Bereich. Die Drehrichtung des Fokusrings wird hingegen im Individualisierungsbereich eingestellt, nicht etwa im AF-Menü. Zudem ist die AF-On Taste auf der Rückseite in der Werkseinstellung mit der AF-Erkennungsfunktionskopplung belegt. So wundert man sich vielleicht über das unerwartete Verhalten.
Praktisch ist die Möglichkeit, sich eigene Menüs anlegen und unterschiedliche Benutzerprofile speichern zu können. Diese lassen sich sogar direkt vom Programmwahlrad erreichen. Bei den Konfigurationsmöglichkeiten macht die Alpha 6700 keine halben Sachen. So stehen über 130 Funktionen bereit, die man auf die verschiedenen Tasten legen kann. Das Studium des Handbuchs ist dabei nicht notwendig, da die Funktionen in Kategorien und Unterkategorien sortiert sind. Zudem kann man sich eine Erklärung der Einstellung mit einem Druck auf die "Mülltonnentaste" einblenden lassen.
Damit das sehr umfangreiche Menü nicht zu unübersichtlich wird, hat Sony die Einstellungsoptionen vom Foto- und Videomodus zum größten Teil geteilt. So bekommt man im Fotomodus nur die für die Fotografie relevanten Menüeinstellungen präsentiert. Steht der Moduswahlschalter auf Video, werden nur alle für die Videografie relevanten Einstellungen präsentiert. Die dritte und letzte Einstellung auf dem Moduswahlrad ist der S&Q-Modus, der sich mit den Themen Video-Zeitraffer und Video-Zeitlupe beschäftigt. Dazu später mehr.
Mit Strom versorgt wird die Alpha 6700 über den großen Lithiumionen-Akku NP-FZ100, der eine Reichweite von bis zu 550 Aufnahmen haben soll (lt. CIPA-Standardtest). Das Aufladen des Akkus erfolgt entweder in der Kamera oder per optional erhältlicher, externer Ladeschale.
Geladen werden kann der Akku über die USB-C-Schnittstelle mit fast jedem USB-Netzteil. Dabei ist die Kamera aber unerklärlicherweise ziemlich wählerisch. Während sich die Kamera bei zwei verschiedene 5 Volt 10 Watt Netzteilen weigerte, den Akku zu laden, machte sie bei einem anderen 5 Volt 10 Watt Netzteil keine Probleme. Deutlich schneller geht es mit einem Netzteil mit Power Delivery und entsprechender Leistung. Ein USB-Netzteil und Kabel gehört übrigens nicht mit zum Lieferumfang der Sony Alpha 6700.
Wie wir bereits erwähnten, besitzt die Alpha 6700 endlich ein separates Speicherkartenfach, wie es sich für ein Flaggschiffmodell gehört. Die Kamera besitzt einen SD-Kartenslot, der zudem zu SDHC, SDXC, UHS I sowie das schnellere UHS II kompatibel ist. Die proprietären Sony MemorySticks lassen sich hingegen nicht mehr verwenden. Dank des schnellen UHS-II-Standards kann die Alpha 6700 Daten mit bis zu etwa 244 Megabyte pro Sekunde auf eine entsprechende Speicherkarte schaufeln.
Mit dem 18-135 mm F3.5-5.6 Set-Objektiv bekommt die Sony Alpha 6700 eine Tiefe von 145 Millimetern. [Foto: MediaNord]
Die Anschlüsse der Alpha 6700 hat Sony um das Speicherkartenfach herum positioniert und unter zwei Klappen verborgen. Oberhalb der Speicherkarte sind die UBS-C- und die 3,5 Millimeter große Klinkenbuchse für den Anschluss von Mikrofonen untergebracht. Der Mikrofonanschluss bietet wie beim Vorgänger eine sogenannte Phantomspeisung, bei der das Mikrofon von der Kamera mit Strom versorgt wird. Unterhalb des Speicherkartenfaches ist neben der MikroHDMI-Schnittstelle auch der Kopfhöreranschluss positioniert, ebenfalls als 3,5 mm Klinkenbuchse.
Während das Anschlussterminal schön aufgeräumt aussieht, birgt es einen gewaltigen Nachteil, denn eingesteckte Kabel zu einem externen Rekorder, einer Stromversorgung oder einem Mikrofon verdecken bei Selfie-Aufnahmen immer einen Teil des Monitors, selbst wenn man eher flache Winkelstecker einsetzt.
Wie üblich lässt sich die HDMI-Schnittstelle auch für die Ausgabe eines "sauberen" Videosignals einsetzen, um es mit einem externen Rekorder aufzuzeichnen. Das Videosignal kann dabei mit maximal 3.840 x 2.160 Pixeln und 60 Bildern pro Sekunde in 10 Bit und einem Farbsubsampling von maximal 4:2:2 ausgegeben werden. Was das Farbsubsampling ist, haben wir in einem Fototipp genauer erklärt (siehe weiterführende Links).
Das Set-Objektiv Sony E 18-135 mm F3.5-5.6 OSS ist bei 18 mm Brennweite etwa 93 Millimeter lang und verlängert sich beim Zoomen auf 135 Millimeter Brennweite auf 118 Millimeter. Das Objektiv wiegt trotz seines Metallbajonetts nur etwa 323 Gramm. Dank des 27 Millimeter breiten, gummierten Zoomrings lässt sich die Brennweite präzise einstellen. Zudem besitzt das Objektiv noch einen etwa 15 Millimeter breiten, geriffelten Ring, der zur Fokussierung eingesetzt werden kann. Die Naheinstellgrenze haben wir mit circa 38 Zentimeter bei 18 Millimeter Brennweite ermittelt. Bei 135 Millimetern Brennweite muss man sich etwas weiter auf knapp 45 Zentimeter Abstand begeben. Zum Lieferumfang des Objektivs gehören eine Streulichtblende mit Bajonett sowie Deckel für Bajonett und Frontlinse. Auf das Objektiv selbst werden wir in Kürze in einem detaillierten Objektiv-Testbericht zurückkommen, der nach Erscheinen auch über die weiterführenden Links zu finden ist.